Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuen
Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft EZ 34 des Grundbuches der Katastralgemeinde Ebensee mit dem Wohnhaus Offenseestraße 46, in welchem die Beklagten den ersten Stock bewohnen.
Die Kläger begehren die Verurteilung der Beklagten zur geräumten Übergabe dieser Wohnung mit der Begründung, bei dem Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen handle es sich um eine Bittleihe, weil sich die Kläger das Recht vorbehalten hätten, die Sache jederzeit zurückzufordern, und weil kein Entgelt für die Benützung der Wohnung gefordert oder entrichtet werde. Die Kläger hätten stets darauf hingewiesen, daß die Beklagten die Wohnung nur solange behalten dürften, solange kein Widerruf erfolge, wobei ein Widerruf insbesondere dann erfolgen sollte, wenn Eigenbedarf bestehe oder die Kläger eine sonstige Verwendung für die Wohnung haben. Wegen Eigenbedarfes sowie wegen der Notwendigkeit dringender Reparaturen und Umbauarbeiten haben die Kläger die Beklagten erfolglos zur Räumung bis 31. März 1987 aufgefordert.
Die Beklagten bestritten das Klagebegehren und beantragten dessen kostenpflichtige Abweisung mit der Behauptung, sie benützten die Wohnung nicht prekaristisch, sondern auf Grund eines vor 12 Jahren mündlich abgeschlossenen Mietvertrages. Der Erstkläger habe erklärt, der Erstbeklagte könne die Wohnung herrichten und darinnenbleiben, solange er wolle. Die Renovierungsarbeiten innen und außen hätten mehrere S 100.000,-- gekostet. Es sei bereits bei Abschluß der Vereinbarung klar gewesen, daß die Beklagten zumindest solange in dieser Wohnung bleiben könnten, bis sie ein anderes im Erbweg erhofftes Objekt beziehen könnten. Überdies hätten die Beklagten nicht nur die Instandhaltungs- und Renovierungskosten für das Haus getragen, sondern auch sämtliche für das Haus auflaufenden sonstigen Kosten und Abgaben während der Zeit, als sie allein im Objekt wohnten. Eigenbedarf sei nicht gegeben, der Sohn der Kläger bewohne die im Erdgeschoß gelegene Wohnung.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Im Jahr 1975 übersiedelten die Kläger in ihr neu erbautes Haus und beabsichtigten zunächst, das alte Haus in der Offenseestraße Nr. 46 abreißen zu lassen. Dazu kam es aber nicht, sondern infolge ihres guten Einvernehmens vereinbarten die Streitteile, daß die Beklagten in das Haus einziehen könnten, daß sie es in Stand halten sollten und dafür drinnen bleiben könnten. Die Beklagten bezogen daraufhin den gesamten ersten Stock und bewohnen diesen seither. Eine zeitliche Begrenzung für die Benützung der Wohnung wurde nicht vereinbart. Es gab auch keine Gespräche darüber, unter welchen sonstigen Voraussetzungen die Beklagten allenfalls das Haus wieder verlassen müßten. Von einer Miete wurde nichts gesprochen und die Beklagten bezahlten auch in der Folge weder Mietzins noch ein sonstiges Benützungsentgelt. Sie hielten aber das Haus in Stand und kamen für die Betriebskosten im technischen Sinn (Müllabfuhr, Rauchfangkehrer, Kanalgebühr) auf, weiters im überwiegendem Ausmaß bis heute auch für die Grundsteuer. Sie nahmen in der Wohnung im ersten Stock umfangreiche Investitionen und Adaptierungsarbeiten auf ihre Kosten vor (z.B. Einbau einer modernen Heizung). Vereinbarungen dahin, daß die Beklagten solange im Haus bleiben könnten, bis sie die von ihnen vorgenommenen Investitionen abgewohnt hätten, gab es allerdings nicht. Als die Beklagten einmal S 300,-- als Mietzins anboten, wurde dies von den Klägern abgelehnt. Der Erstkläger meinte, er brauche diese S 300,-- nicht, weil der Erstbeklagte ohnedies soviel in das Haus hineinstecke. Den Klägern war bekannt, daß die Beklagten verschiedene Investitionen in diesem Haus tätigten, darunter auch eine Sanierung des Daches und den Ausbau eines Mansardenraumes. Den Erstkläger war dies alles gleichgültig, die Zweitklägerin hielt sich still, weil ihr Vater meinte, diese Investitionen würden vielleicht doch einmal den Kindern der Kläger zugute kommen.
Seit mehreren Jahren bewohnt der Sohn der Kläger die Wohnung im Erdgeschoß, welche wegen der fehlenden Unterkellerung feuchtigkeitsanfällig ist. Nun möchte auch die 21-jährige Tochter der Kläger in diesem Haus wohnen, bis sie sich selber etwas geschafft haben wird. Bereits vor Einbringung der Klage wurde das früher bestehende gute und harmonische Verhältnis der Streitteile aus nicht näher erörterten Gründen zerstört.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, zwischen den Streitteilen bestehen zwar keine Bittleihe, wohl aber ein gewöhnlicher Leihvertrag nach § 971 ABGB, der von den Klägern aus wichtigen Gründen, nämlich dem Bedarf nach einer Wohnung für ihre Tochter, aufgelöst werden dürfe.
Über Berufung der Beklagten bestätigte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes. Es übernahm dessen Feststellungen als Ergebnis unbedenklicher Beweiswürdigung. Rechtlich qualifizierte das Berufungsgericht die erstgerichtlichen Feststellungen dahin, daß die Beklagten die streitgegenständliche Wohnung nur als Prekaristen benützten und daher über jederzeitigen Wunsch der Kläger zur Räumung verpflichtet seien. Ein Mietverhältnis bestehe nicht, weil die durchgeführten Verbesserungsarbeiten keiner Vertragspflicht entsprochen haben und überdies keinen zumindest bestimmbaren Zeitraum zugeordnet werden könnten. Ein Wohnungsleihvertrag sei deswegen nicht gegeben, weil keine bestimmte oder zumindest bestimmbare Vertragsdauer vereinbart worden sei. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klageabweisendem Sinn abzuändern, in eventu, es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung "an die Unterinstanzen" zurückzuverweisen.
Die Kläger begehren, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens machen die Beklagten Feststellungsmängel darüber geltend, ob die Kläger ausreichende Gründe für die Auflösung des mit den Beklagten bestehenden Rechtsverhältnisses behauptet und bewiesen hätten. Auch sei die entscheidungswesentliche Feststellung unterlassen worden, daß die Beklagten in dem Haus solange wohnen dürften, als sie ihrer Verpflichtung zur Instandhaltung desselben nachkämen. Durch diese Revisionsausführungen wird aber nicht der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, sondern der der unrichtigen rechtlichen Beurteilung dargestellt. In Wahrheit ist daher nur der letztgenannte Revisionsgrund von den Beklagten gesetzmäßig geltend gemacht. Da die unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittelgrundes aber nicht schadet, wird der Oberste Gerichtshof auf die Relevanz der geltend gemachten Feststellungsmängel bei Behandlung der Rechtsrüge zurückkommen.
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war zwischen den Parteien vereinbart, daß die Beklagten das Haus in Stand halten und dafür drinnen bleiben könnten. Über eine zeitliche Begrenzung dieses Benützungsrechtes wurde nicht gesprochen. Als die Beklagten einmal S 300,-- ausdrücklich als Mietzins anboten, lehnte der Erstkläger die Annahme dieses Betrages mit der Begründung ab, die Beklagten würden ohnedies soviel in das Haus hineinstecken.
Dieser Tatsachenkomplex schließt die Qualifikation des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses als bloße Bittleihe aus. Ein solches (von den Klägern zu beweisendes Rechtsverhältnis; siehe MietSlg. 27.125) läge nur dann vor, wenn neben Unentgeltlichkeit auch die jederzeitige Widerruflichkeit sich zumindest, wenn sie schon nicht ausdrücklich vereinbart wurde, aus den Umständen ergäbe (Schubert in Rummel I Rz 1 zu § 974 ABGB; MietSlg. 37.083). Der oben wiedergegebene festgestellte Sachverhalt läßt aber eine Deutung in der Richtung, daß die Kläger hinsichtlich der Möglichkeit des Widerrufes völlig ungebunden sein wollten und die Beklagten mit der Begründung eines derartigen Benützungsverhältnisses einverstanden waren, nicht zu. Im Gegenteil:
Nach der festgestellten Vereinbarung sollten die Beklagten solange in dieser Wohnung bleiben können, als sie das Haus in Stand hielten. Obgleich die Zeit des Gebrauches nicht datumsmäßig bestimmt ist und nach den getroffenen Feststellungen auch nicht von vornherein datumsmäßig bestimmbar ist, könnte doch Leihe vorliegen (Schubert in Rummel I Rz 4 zu § 971), wenn die Gebrauchsüberlassung unentgeltlich erfolgt wäre. Im Fall der Leihe könnten die Kläger die Rückstellung der überlassenen Wohnung nach Ablauf der Entlehnzeit verlangen. Dieser Zeitpunkt ist mangels ausdrücklicher Bestimmtheit aus den Umständen des abgeschlossenen Geschäftes, insbesondere dem Zweck des Gebrauches abzuleiten (Schubert in Rummel I Rz 2 und 4 zu § 971 samt dort zitierter Judikatur); bei der Auslegung der Willenserklärungen der Parteien bei Vertragsabschluß ist nach den §§ 914 und 915 ABGB vorzugehen.
Im Fall der Entgeltlichkeit läge Miete vor. In diesem Fall könnte das Rechtsverhältnis nach den bisherigen Parteienbehauptungen und dem auf Grund des darüber durchgeführten Beweisverfahrens aktenkundig gewordenen Sachverhaltes nur durch Aufkündigung beendet werden.
Bei Prüfung der für die Annahme eines Mietverhältnisses maßgebenden Entgeltlichkeit ist zu beachten, daß die bloße Zahlung von Betriebskosten (MietSlg. 15.050, 16.079) ebensowenig zur Begründung eines Mietverhältnisses ausreicht wie die Zahlung eines gegenüber dem Wert der Benützung wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallenden sonstigen Entgeltes (MietSlg. 37.083 mwN). Obgleich das Vorliegen von Bittleihe schon nach den bisherigen Verfahrensergebnissen verneint werden kann, ist die Rechtssache wegen des bisher auf Tatsachenebene im Sinne der aufgezeigten Umstände behandelten Problemkreises der Leihe bzw. der Miete noch nicht spruchreif. Die Kläger qualifizierten ihr Sachvorbringen in der Klage zwar als Bittleihe, behaupteten aber gleichzeitig eine vereinbarte Widerrufsmöglichkeit insbesondere für den Fall des Eigenbedarfes. Es liegt daher nicht der Fall vor, daß die Kläger ihr Begehren ausschließlich auf den Widerruf prekaristisch eingeräumter Benützung gestützt hätten, sodaß das Gericht an diesen ausdrücklich geltend gemachten Rechtsgrund gebunden wäre (MietSlg. 20.085 und 22.083).
Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren die Rechtssache mit den Parteien im Sinne der oben dargestellten Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes zu erörtern, hiezu allenfalls noch angebotenen Beweise aufzunehmen und sodann auf Grund der getroffenen ergänzenden Feststellungen neu zu entscheiden haben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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