OGH 11Os82/88

OGH11Os82/881.7.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Juli 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Doblinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Helmut D*** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 2, 148, erster Fall, StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 19.April 1988, GZ 32 Vr 938/83-190, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

e Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 29.August 1942 geborene Helmut D*** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 2, 148, erster Fall, StGB (I 1) und des Vergehens der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs 2 StGB (I 2) schuldig erkannt. Darnach liegt ihm zur Last, mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung in Linz und anderen Orten nachgenannte Personen durch Verbergen hinter dem falschen Scheine eines redlichen Kreditvermittlers zur Ausfolgung von Geldbeträgen verleitet zu haben, wodurch sie an ihrem Vermögen Schaden erlitten, und zwar Michael A*** am 12.Juni 1982 50.000 S und am 12.Juli 1982 250.000 S (I 1 a und b) und in der Zeit vom 13.Jänner 1978 bis 3. August 1982 durch fortgesetztes Fordern von "Spesenvorschüssen" gewerbsmäßig dem Friedbert H*** insgesamt 80.360 S (I 1 c). Zum Nachweis, die von Michael A*** übernommenen Geldbeträge (I a und b) an den Repräsentanten der Firma F***-T***-I***-INC Timothy R*** übergeben zu

haben, legte Helmut D*** falsche Bestätigungen am 21.Jänner 1983 bei der Bundespolizeidirektion Linz (I 2 a, aa) und am 12.Dezember 1983 beim Landesgericht Linz (I 2 a, bb) und am 7.Jänner 1986 einen mit dem Namen Timothy R*** falsch unterfertigten notariellen Amtsvermerk beim Landesgericht Linz vor (I 2 b).

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.

Zum Faktum Friedbert H*** (I 1 c):

Friedbert H*** beauftragte Helmut D*** in dessen Eigenschaft als geschäftsführender Gesellschafter der Firma K*** Vermögensberatungs- und Immobilienmakler GesmbH am 21.April 1978 mit der Vermittlung eines Kredites von vier Millionen Schilling zwecks Ankaufs eines Bauernhofes, wobei er und seine Gattin als Bürgin eine vom Angeklagten ausgefüllte Selbstauskunft mit wahrheitsgemäßen Angaben über ihre (dürftigen) Vermögensverhältnisse unterfertigten. Der Angeklagte besserte nachträglich eigenmächtig diese Angaben in der Selbstauskunft aus, indem er verneinende Eintragungen ausradierte und einen Liegenschaftsbesitz der Ehegatten H*** eintrug (ON 53 in ON 45/I und Beilage./U).

Obwohl weder bei der Ausfindigmachung eines entsprechenden Objektes noch bei der Kreditvermittlung tatsächlich tätig geworden, nützte der Angeklagte die ihm aufgefallene geschäftliche und juristische Unerfahrenheit des Friedbert H*** ab 13.Jänner 1979 dazu aus, daß er ihn unter falschen Vorspiegelungen zur Auszahlung von Geldbeträgen unter dem Titel "Spesenbeiträge" veranlaßte. Erst als der Angeklagte auch einen anläßlich der Vertragsunterzeichnung ebenfalls unterfertigten Blankowechsel aus demselben Titel mit einem Betrag von 40.000 S ausfüllen und fälligstellen wollte, entschloß sich Friedbert H*** zur Strafanzeige (S 410-414/III). Die Beschwerde bemängelt diese Feststellungen als unzureichend begründet (Z 5) im wesentlichen mit der Behauptung, die Verantwortung des Angeklagten, daß er den Vertrag nicht nachträglich verfälscht und die Zahlungen auf Grund der vertraglichen Abmachungen entgegengenommen habe, seien durch die Aussagen des Zeugen Friedbert H*** nicht widerlegt.

Gerade mit dieser Verantwortung setzte sich das Erstgericht aber ausführlich auseinander und kam unter Hinweis auf weitere Beweisergebnisse, wonach der Angeklagte überhaupt nicht für seinen Auftraggeber tätig geworden war und trotzdem Spesenbeiträge gefordert hatte, zu dem Ergebnis, daß die Zeugenaussage des Friedbert H*** glaubwürdig sei und daß dessen Angabe, daß er niemals einen Grundbesitz behauptet habe und die Selbstauskunft seinerzeit vom Angeklagten ausgefüllt worden war (S 401/I), für die Annahme spreche, der Angeklagte habe aus durchsichtigen Gründen diese Angaben in der Selbstauskunft später eigenmächtig geändert (S 425-431/III).

Dieser aus den vorliegenden Prämissen denkrichtig gezogene Schluß stellt sich als Akt freier Beweiswürdigung dar (§ 258 Abs 2 StPO), der weder im Rahmen des angezogenen Nichtigkeitsgrundes der Z 5 noch eines anderen Anfechtungstatbestandes im schöffengerichtlichen Verfahren mit Erfolg bekämpft werden kann.

Zu den Fakten Michael A*** (I 1 a und b sowie I 2):

Nachdem über zwei dem Kaufmann Michael A*** gehörige Einzelfirmen am 2.Februar 1982 das Konkursverfahren eröffnet worden war, bemühte sich der Gemeinschuldner, einen Zwangsausgleich zu erreichen, zu dessen Finanzierung er einen Geldbetrag von rund vier Millionen Schilling benötigte. Der Angeklagte versprach, einen Kredit von fünf Millionen Schilling zu vermitteln, und ließ sich auch entsprechende Unterlagen über die voraussichtliche Geschäftsentwicklung übergeben. Als Voraussetzung für sein Tätigwerden verlangte er 50.000 S als "administration-fee" (richtig wohl: administrative fee), wobei er anläßlich der Übergabe dieses Geldbetrags vortäuschte, damit seien sämtliche Voraussetzungen für die Kreditvermittlung erfüllt. Obwohl der Angeklagte seine Versprechen nicht einhalten konnte, nützte er die im Zuge der Verhandlungen erkannte schwierige Lage des Michael A*** aus, um ihm weitere 250.000 S herauszulocken, die er aber nach Überzeugung des Schöffengerichts ebenfalls nicht im Sinn des Auftraggebers verwendete, sondern sich aneignete. Erst im Zuge der folgenden gerichtlichen Untersuchungen behauptete Helmut D***, daß er den Betrag Timothy R*** als Repräsentanten der Firma F***-T***-I***-INC übergeben habe, und versuchte in der Folge wiederholt, diese Verantwortung durch Vorlage von gefälschten Urkunden zu belegen (S 414-424/III).

Das Gericht gelangte zu diesen (zusammengefaßt dargestellten) Feststellungen nach genauer Würdigung aller Beweisergebnisse: Dabei legte es eingehend dar, daß die Verantwortung des Angeklagten als widerlegt angesehen werden müsse; auf Grund der zahlreichen, auch über die Interpol geführten Erhebungen und der letztlich eingeholten Schriftgutachten sei erwiesen, daß es weder eine Firma F***-T***-I***-INC noch einen Timothy R*** gebe (S 432-448/III).

Mit seiner auf die Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde versucht nun der Angeklagte, die gegen ihn sprechenden Verdachtsmomente zu entkräften und faßt seine Einwände dahin zusammen, daß von einem "exakten Schuldbeweis" keine Rede sein könne, sondern daß man zu dem Schuldbeweis nur dann kommt, "wenn man den Boden der Tatsachen verläßt und alle möglichen Spekulationen anstellt" (S 476/III).

Der Beschwerdeführer unterliegt aber einem grundsätzlichen Irrtum, wenn er vermeint, mit dem von ihm angezogenen Nichtigkeitsgrund die Beweiswürdigung des Schöffengerichts im Stil einer Schuldberufung dadurch anfechten zu können, daß er der auf Grund eines kritisch-psychologischen Vorganges gewonnenen Überzeugung der Tatrichter eine eigene Würdigung der Beweisergebnisse entgegensetzt. Insoweit ist die Beweiswürdigung der Kollegialgerichte nach wie vor einer Bekämpfung entzogen (12 Os 40/88, 12 Os 53/88 uva). Wohl aber kann aufgezeigt werden, daß sich erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der entscheidenden Tatsachenfeststellungen ergeben, Bedenken, die auf schwerwiegenden, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung (§§ 3, 232 Abs 2, 254 StPO) zustande gekommenen Mängeln in der Sachverhaltsermittlung beruhen oder sich aus aktenkundigen Beweisergebnissen ableiten, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung, also intersubjektiv, erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidenden Fragen aufkommen lassen (11 Os 44/88).

Derartige schwerwiegende Bedenken vermag die Beschwerde aber nicht zu erwecken, wenn sie unter anderem die in den USA geltenden Meldevorschriften als Hinweis dafür anführt, daß die Erhebungen, wonach es an den angeführten Adressen weder einen Timothy R*** noch die genannte Firma gebe, unverläßlich seien oder mögliche Erklärungen dafür gibt, warum der angeblich existierende Timothy R*** nicht vor der Polizei oder vor Gericht auftreten wolle. Das gleiche gilt für den Einwand, daß die Verhandlungen mit einer Vielzahl von Personen geführt worden seien, was gegen einen Betrugsvorsatz spreche, sowie die Ausführungen zur branchenüblichen Vorgangsweise bei Bonitätsprüfungen und deren Ursache für das Nichtzustandekommen der Finanzierung, schließlich die Angriffe gegen die Schlüssigkeit der Schriftsachverständigengutachten und die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Zeugen Michael A***. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als teilweise nicht gesetzmäßig ausgeführt, im übrigen aber als unbegründet gemäß dem § 285 d Abs 1 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen, was die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz für die Berufungsentscheidung bewirkt (§ 285 i StPO nF). Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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