OGH 9ObA136/88

OGH9ObA136/8829.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Helmut Mojescick als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karl O***, Versicherungsangestellter, Linz, Zaubertalstraße 21, vertreten durch Dr. Bruno Binder und Dr. Helmut Blum, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei DER A*** Allgemeine Versicherungs-AG, Wien 1., Hoher Markt 10-11, vertreten durch Dr. Julius Jeannee, Dr. Wolfgang Jeannee und Dr. Peter Lösch, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 65.000,- S), 3,414.404,10 S netto sA und 1,472.175,- S brutto sA (Revisionsinteresse 65.000,- S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. März 1988, GZ 12 Ra 1128/87-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15. September 1987, GZ 13 Cga 4/87-22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung 1) den

B e s c h l u ß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Schriftsatz der klagenden Partei vom 23. Juni 1988 wird zurückgewiesen.

2) zu Recht erkannt:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 308,85 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs3 ZPO). Mit dem im Verfahren über die am 14. Juli 1981

ausgesprochene Kündigung erhobenen Einwand, vor dem Antrag auf Zustimmung des Invalidenausschusses zur Kündigung habe die Beklagte lediglich den Betriebsrat der Beklagten, nicht aber den auf Grund einer Delegierung zuständigen Zentralbetriebsrat in Kenntnis gesetzt, hat der Kläger mangels jeglicher Bezugnahme auf den Kollektivvertrag lediglich auf die in § 105 Abs1 ArbVG normierte Verständigungspflicht hingewiesen. Auf das Fehlen einer nach dem Kollektivvertrag erforderlichen Zustimmung hat sich der Kläger hingegen nicht berufen, so daß diesbezüglichen Ausführungen der Revision als unbeachtliche Neuerungen (§ 504 ZPO) zu qualifizieren sind.

Da die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils zutrifft, genügt es, auf ihre Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist folgendes auszuführen:

Wie der Oberste Gerichtshof schon in der in dieser Sache ergangenen Entscheidung vom 23. Oktober 1984, DRdA 1987/3 (mit zustimmender Besprechung von Wachter) ausgeführt hat, finden gemäß § 8 Abs2 Satz 4 InvEG die Bestimmungen des § 105 Abs2 bis 6 ArbVG über den "allgemeinen Kündigungsschutz" auf die Kündigung eines begünstigten Invaliden keine Anwendung. Anzuwenden ist hier lediglich die Verständigungspflicht gemäß § 105 Abs1 ArbVG. Da § 105 Abs2 ArbVG - der als Sanktion für einen Verstoß des Arbeitgebers gegen das Informationsrecht die Rechtsunwirksamkeit der betreffenden Kündigung anordnet - bei der Kündigung eines begünstigten Invaliden expressis verbis nicht anwendbar ist, ist § 105 Abs1 ArbVG im vorliegenden Zusammenhang lediglich als Ordnungsvorschrift zu verstehen, deren Verletzung ohne Sanktion bleibt. Dies erscheint umso berechtigter, als gemäß § 8 Abs1 InvEG der Betriebsrat im Verfahren vor dem Invalidenausschuß ohnehin anzuhören ist (vgl. Wachter, Zum Kündigungsschutz für Invalide, DRdA 1987, 60). Der vom Revisionswerber vermißten Befassung des Betriebsrates vor Einbringung einer auf die Zustimmung des Invalidenausschusses gestützten Kündigung kommt daher keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß bei Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles der zeitliche Abstand zwischen der Erwirkung der rechtskräftigen Zustimmung des Invalidenausschusses und dem Ausspruch der Kündigung ausnahmsweise den Zusammenhang nicht ausschließt. Obwohl weder § 8 InvEG noch die §§ 120 ff ArbVG eine Frist für den Ausspruch der Kündigung nach rechtskräftiger Erteilung der Zustimmung festsetzen, wird in Lehre (vgl. Floretta in Floretta-Strasser, Kommentar zum ArbVG, 820 f; Cerny, ArbVG 607 f) und Rechtsprechung (vgl. insbesondere Arb. 7.970) ein enger zeitlicher Zusammenhang gefordert. Eine derartige zeitliche Einschränkung des Kündigungsrechtes ist deshalb gerechtfertigt, weil der Arbeitnehmer bei Unterbleiben einer unverzüglichen Kündigung in seinem Vertrauen auf den Weiterbestand des Arbeitsverhältnisses zu schützen ist. Ein derartiges schutzwürdiges Interesse des Klägers ist aber im vorliegenden Fall ausnahmsweise zu verneinen. Nachdem der Invalidenausschuß der Kündigung des Klägers mit Bescheid vom 8. Juli 1981 zugestimmt hatte, sprach die Beklagte am 14. Juli 1981 die Kündigung des Klägers aus. Daraufhin begehrte der Kläger im vorliegenden Verfahren die Feststellung, daß ungeachtet der Kündigung der Beklagten das Arbeitsverhältnis aufrecht sei, weil im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung der Zustimmungsbescheid noch nicht rechtskräftig gewesen sei. Der Berufung des Klägers gegen den Bescheid des Invalidenausschusses wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes für Oberösterreich vom 16. Oktober 1981 nicht Folge gegeben und die gegen diesen Bescheid an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 9. März 1983 als unbegründet abgewiesen. In dem über die am 10. März 1978 ausgesprochene Suspendierung des Klägers anhängig gewesenen Parallelverfahren sprach sodann der Obersten Gerichtshof mit der obzitierten Entscheidung vom 23. Oktober 1984 aus, daß erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Zustimmungsbescheides die Kündigung eines Invaliden rechtswirksam ausgesprochen werden könne und ging damit von der älteren Rechtsprechung ab, wonach der Arbeitgeber befugt sei, bei Vorliegen des Zustimmungsbescheides der ersten Instanz sogleich und ohne erst den Ausgang des Berufungsverfahrens abzuwarten, die Kündigung des Arbeitnehmers auszusprechen. Dieses Urteil wurde der Beklagten am 11. Dezember 1984 zugestellt, worauf sie am 21. Dezember 1984

neuerlich die Kündigung des Klägers zum 30. Juni 1985 aussprach. Bei dieser besonderen Sachlage ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger während des gesamten Zeitraumes nach Eintritt der Rechtskraft des Zustimmungsbescheides bis zum vorsorglichen neuerlichen Ausspruch der Kündigung durch die Beklagte nie darüber im Unklaren gewesen sein konnte, daß die Beklagte ihre Kündigungsabsicht in erkennbarer Weise aufrecht erhalte (vgl. auch Arb. 6.178). Die Beklagte hat den Kläger nicht weiterbeschäftigt und konnte nach erfolgloser Ausschöpfung aller Rechtsmittel einschließlich Verwaltungsgerichtshofbeschwerde durch den Kläger bis zur Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23. Oktober 1984 davon ausgehen, daß ihre Kündigung vom 14. Juli 1981 wirksam erfolgt sei; dies hat sie durch die Aufrechterhaltung der Bestreitung des auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses und Zahlung des Entgeltes über den der Kündigung vom 14. Juli 1981 entsprechenden Endigungszeitpunkt hinaus gerichteten Begehrens des Klägers auch deutlich zum Ausdruck gebracht (vgl. auch Wachter aaO, wonach dem Arbeitgeber ungeachtet der Kündigungsmöglichkeit nach Entscheidung der zweiten Instanz das Abwarten einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes für die Beschwerde des Arbeitnehmers zuzubilligen ist). Daß die Beklagte sofort nach Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23. Oktober 1984 ihre Kündigung wiederholte, kam für den Kläger nicht überraschend, weil die Beklagte schon zuvor ihren Entschluß, den Kläger nicht mehr weiterzubeschäftigen, für diesen erkennbar aufrechterhalten hatte.

Aus dem Teilvergleich vom 15. September 1987 schließlich kann der Revisionswerber für seinen Standpunkt nichts gewinnen, weil die beklagte Partei damit lediglich der durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23. Oktober 1984 und die endgültige Verweigerung der nachträglichen Zustimmung zur Kündigung im Verwaltungsverfahren geschaffenen Rechtslage Rechnung trug, aber keinen Zweifel an der Aufrechterhaltung ihrer Auflösungsabsicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt ließ.

Der Schriftsatz der klagenden Partei vom 23. Juni 1988, mit dem die Revision berichtigt und ergänzt wurde, war wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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