Spruch:
Im Verfahren zum AZ U 1626/84 des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau wurde durch die Unterlassung des Anschlusses einer Rechtsmittelbelehrung an den Beschluß vom 27.Jänner 1987 bei dessen Zustellung an den Privatankläger das Gesetz in der Bestimmung des § 3 StPO verletzt.
Dem Landesgericht Klagenfurt wird aufgetragen, über die Beschwerde des Privatanklägers gegen diesen Beschluß meritorisch zu entscheiden.
Ansonsten wird die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes verworfen.
Text
Gründe:
I. Im Verlauf des im Spruch bezeichneten Strafverfahrens wurde vom Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen; sogleich nach der Verkündung der Berufungsentscheidung kam es im Zug eines protokollierten Vergleiches zur Zurückziehung der verfahrensgegenständlichen Privatanklage.
Nach dem Rücklangen des Aktes übermittelte der Erstrichter diesen an seinen in der Geschäftsverteilung bestimmten Vertreter zur weiteren Erledigung; letzterer beschloß hierauf am 27.Jänner 1987 die Einstellung des Verfahrens und mit Bezug auf § 390 StPO die Verpflichtung des Privatanklägers zur Bezahlung der unter einem ziffernmäßig festgesetzten Pauschalkosten sowie einer bereits früher der Höhe nach bestimmten Sachverständigengebühr.
Bei der Abfertigung jenes Beschlusses an den Privatankläger, dem das Schriftstück am folgenden Tag zugestellt wurde, unterblieb der Anschluß einer Rechtsmittelbelehrung; über dessen dagegen erhobene, am 23.Februar 1987 zur Post gegebene Beschwerde ist noch nicht entschieden worden.
Rechtliche Beurteilung
II. Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes vertritt die Generalprokuratur zum einen die Ansicht, der Beschluß vom 27.Jänner 1987 habe gegen die Bestimmungen der Art 83 Abs 2, 87 Abs 3 B-VG und gegen den sich aus der zuletzt bezeichneten Verfassungsbestimmung in Verbindung mit § 27 GOG ergebenden Grundsatz der festen Geschäftsverteilung verstoßen, weil er von einem nach der Geschäftsverteilung des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau hiefür nicht zuständig gewesenen Richter gefaßt worden sei. Die Voraussetzungen des § 68 Abs 2 zweiter Satz StPO, wonach dann, wenn eine Hauptverhandlung infolge einer Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde wiederholt werden muß, derjenige Richter von der neuen Hauptverhandlung ausgeschlossen ist, der an der ersten teilgenommen hat, seien hier nämlich deswegen nicht vorgelegen, weil es nach der Urteilsaufhebung sowie Zurückverweisung der Sache in die erste Instanz zu neuer Verhandlung und Entscheidung infolge der Zurückziehung der Privatanklage zu keiner neuen Hauptverhandlung gekommen sei, sodaß weiterhin der im ersten Rechtsgang tätig gewesene Richter zuständig gewesen wäre.
Dieser Auffassung vermag sich der Oberste Gerichtshof nicht anzuschließen.
Wäre § 68 Abs 2 zweiter Satz StPO wörtlich auszulegen, der im ersten Rechtsgang tätig gewesene (hier: Bezirks-) Richter also jeweils nur von der (Mitwirkung und Entscheidung in der) neuen Hauptverhandlung ausgeschlossen, dann wäre ungeachtet dessen, daß jene (einschließlich der zu erneuernden Entscheidung) von einem anderen Richter durchzuführen ist, sowohl zu deren Vorbereitung als auch zu den ihr nachfolgenden Beschlüssen und Verfügungen, vor allem im Bereich des Strafvollzuges, aber auch zu allen anderen Maßnahmen außerhalb der Verhandlung, wie etwa zur Erlassung von Haft- und Hausdurchsuchungsbefehlen, Kostenbestimmungsbeschlüssen u.dgl.m., weiterhin er zuständig, weil insoweit (im Rahmen der von seiner Ausgeschlossenheit nicht betroffenen Agenden) keine Notwendigkeit einer Vertretung bestünde.
Eine dahingehende Auslegung widerspräche augenscheinlich dem Sinn des Gesetzes, nach dem - bei grundlegend anderer Konstellation als in den mit dem ersten Satz dieser Verfahrensbestimmung geregelten Ausschließungsfällen - der gewiß nicht nur bei einer abermaligen Mitwirkung und Entscheidung in der zu wiederholenden Hauptverhandlung aktuelle Anschein einer Voreingenommenheit des vom Rechtsmittelgericht in der Entscheidung über die Schuldfrage (vgl Mayerhofer/Rieder StPO2 ENr 19, 20 zu § 68) desavouierten ersten Richters vermieden werden soll (vgl Mayerhofer/Rieder aaO ENr 24).
In Ansehung der Reichweite der Ausgeschlossenheit ist demnach das hier in Rede stehende Prozeßgesetz - unbeschadet der Unzulässigkeit einer erweiternden Interpretation der §§ 67, 68 StPO in bezug auf die darin taxativ aufgezählten Ausschließungs-Fälle (vgl ÖJZ-LSK 1975/237 ua) - nach der ratio legis über dessen (nur den Kernbereich der Regelung erfassenden) Wortlaut hinaus dahin zu verstehen, daß der im ersten Rechtsgang tätig gewesene Richter in demselben Verfahren (grundsätzlich: § 71 Abs 1 StPO) von jeder weiteren richterlichen Tätigkeit ausgeschlossen ist. Da die Rechtswirkungen der Ausgeschlossenheit nach § 68 Abs 2 zweiter Satz StPO bereits mit der (keinem weiteren Rechtszug unterliegenden) Anordnung der Verfahrenserneuerung in erster Instanz durch das Rechtsmittelgericht eintreten, geht bei einer Zurückverweisung der Sache an dasselbe Gericht (§ 288 Abs 2 Z 1 erster Fall StPO) auch die (gerichtsinterne) Zuständigkeit des ersten Richters auf seinen durch die Geschäftsverteilung bestimmten Vertreter - gleichermaßen wie im Fall der Zurückverweisung an ein anderes Gericht (§ 288 Abs 2 Z 1 zweiter Fall StPO) die Zuständigkeit des einen Gerichts auf das andere - schon mit der Wirksamkeit der betreffenden Rechtsmittelentscheidung über. An einer durch die Bestimmungen der Geschäftsverteilung einmal begründeten (gerichtsinternen) Zuständigkeit ändert sich aber, sofern nicht für bestimmte Fälle eine besondere Regelung vorgesehen ist, durch den späteren Wegfall des ursprünglich kompetenzbestimmenden Umstandes (wie etwa im Fall einer Änderung des insoweit maßgebenden Familiennamens einer Prozeßpartei) nichts; dementsprechend bleibt dann, wenn die durch eine kassatorische Rechts mittelentscheidung begründete ursprüngliche Notwendigkeit, die Hauptverhandlung zu wiederholen, und mit ihr die (darauf zurückzuführende) Ausgeschlossenheit des im ersten Rechtsgang tätig gewesenen Richters nachträglich wegfallen, die seinerzeit (schon durch eben jene Entscheidung des Rechtsmittelgerichts) begründete Zuständigkeit seines vormaligen Vertreters unberührt, mag auch nunmehr eine allfällige weitere Entscheidungstätigkeit des (jetzt nicht mehr ausgeschlossenen) ersten Richters nicht mehr mit Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO) bedroht sein (vgl abermals Mayerhofer/Rieder aaO ENr 19).
Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß die mit der Verkündung der Berufungsentscheidung vom Erstrichter auf seinen Vertreter übergegangene Zuständigkeit ungeachtet der im Anschluß daran vorgenommenen Zurückziehung der Privatanklage bestehen blieb, sodaß der Beschluß vom 27.Jänner 1987 entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ohnehin von dem nach der konkret aktuellen Geschäftsverteilung zuständig gewesenen Richter gefaßt wurde. In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu verwerfen, ohne daß es der Prüfung bedarf, ob der von der Generalprokuratur angenommene - anders als in den Fällen der E JBl 1987,396 und EvBl 1973/213 nicht durch die unrichtige Zusammensetzung eines Kollegialorgans (Art 83 Abs 2 B-VG) und anders als im Fall der E JBl 1987,396 auch nicht durch eine Verfügung der Justizverwaltung (Art 87 Abs 3 B-VG) bewirkte - Verstoß gegen die Geschäftsverteilung, wenn er wirklich stattgefunden hätte, tatsächlich auf der Verfassungsebene unterlaufen wäre sowie ob und allenfalls inwieweit der "Grundsatz der festen Geschäftsverteilung" im (hier allein aktuellen) Bereich der Gerichtsbarkeit (auch) noch auf den nicht schon durch Derogation obsoleten Teil des § 27 GOG gestützt werden kann.
III. Mit Recht hingegen rügt die Beschwerdeführerin das Unterbleiben des Anschlusses einer Rechtsmittelbelehrung bei der Zustellung des in Rede stehenden Beschlusses an den nicht rechtsfreundlich vertreten gewesenen Privatankläger als Außerachtlassung der dem Bezirksgericht in sinngemäßer Anwendung des § 3 StPO (vgl nunmehr § 47 a StPO nF) oblegenen Verpflichtung, letzteren über seine prozessualen Rechte zu belehren. Diese Gesetzesverletzung war somit in (teilweiser) Stattgebung der Wahrungsbeschwerde wie im Spruch festzustellen und, weil damit kein Nachteil für den Beschuldigten verbunden ist, analog § 292 letzter Satz StPO zu beheben (vgl hiezu die bei Mayerhofer/Rieder aaO unter Nr 149 zu § 292 idS zitierten Entscheidungen). Dazu bedurfte es im Hinblick auf die bereits vorliegende Beschwerde des Privatanklägers keiner Erneuerung der mangelhaften Beschlußzustellung, sondern lediglich des Auftrags an den Gerichtshof erster Instanz, über das - mit Bezug auf jene Bekanntmachung zwar verspätete, richtig gesehen aber mangels einer bereits vorgenommenen ordnungsgemäßen Zustellung vorzeitig eingebrachte - Rechtsmittel meritorisch zu entscheiden (vgl EvBl 1972/267 ua).
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