Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 16.956,22 (darin enthalten S 1.541,47 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrte von der Beklagten die Bezahlung von S 947.500,-- samt Nebengebühren mit der Behauptung, er habe sich im April 1984 im Gasthaus der Beklagten ein Zimmer mit Vollpension genommen, wobei er nach einem Gespräch mit der Beklagten so lange bleiben hätte können, wie er wollte, und die Beklagte monatlich S 7.000,-- zu bekommen hätte. Im Juni 1984 habe er der Beklagten einen Geldbetrag von S 1 Mio. übergeben (auf deren Konto überwiesen), um seine Bonität zu belegen. Dieses Geld sollte als eine Art Vorschuß zur Sicherung der Beklagten dienen. Vereinbarungsgemäß sollte die Beklagte dem Kläger nach seinem Auszug aus dem Gasthaus diesen Betrag abzüglich des Entgelts für die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen, nämlich von S 52.500,-- für siebeneinhalb Monate Vollpension, zurückzahlen. In Erwiderung auf die Behauptung der Beklagten, er habe dieser den Betrag als Gegenleistung für die mündlich vereinbarte Beherbergung und Pflege bis zum Tode einschließlich der Ausrichtung und Pflege einer Grabstätte überwiesen, trug der Kläger vor, die Beklagte habe ihm den Betrag listig und durch Vortäuschung von durch den Kläger erlittenen Krankheiten sowie durch Drohungen herausgelockt, sei daher ungerechtfertigt um die Klagesumme bereichert; weiters habe ihn die Beklagte in sittenwidriger Weise zur Unterfertigung einer Erklärung gezwungen, wonach er sie zum Beischlaf genötigt habe; im übrigen sei der von der Beklagten behauptete Vertrag wucherisch und sittenwidrig, außerdem liege Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes (wohl gemeint: der Gegenleistung der Beklagten) vor. Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte die Klageabweisung und trug vor, der Kläger habe im März 1984 in ihrem Gasthaus Quartier genommen und dort bis zu seinem Lebensende gegen ein monatliches Entgelt von S 7.000,-- wohnen wollen. Später sei aber mündlich vereinbart worden, daß er der Klägerin S 1 Mio. bezahle, wofür diese ihm bis zum Tode Wohnung, persönliche Pflege und nach seinem Ableben die Pflege seiner Grabstätte leiste. Diese Vereinbarung sei auch durch Überweisung des Geldbetrages auf das Konto der Beklagten durchgeführt worden. Der Kläger sei grundlos im November 1984 ausgezogen und habe seinerseits die Vertragsleistung der - nach wie vor vertragstreuen - Beklagten nicht mehr angenommen. Zu einer notariellen Bekräftigung der getroffenen Vereinbarung sei es nur wegen der Weigerung des Klägers nicht gekommen. Das Erstgericht sprach dem Kläger S 940.500,-- samt 4 % Zinsen seit 14. November 1984 zu, wies hingegen das Mehrbegehren an Kapital von S 7.000,-- und ein Zinsenmehrbegehren - unbekämpft - ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nach Beweiswiederholung teilweise Folge und wies vom Kapital einen weiteren Betrag von S 3.500,-- sA ab, bestätigte sohin den Zuspruch von S 937.000,-- samt 4 % Zinsen seit 14. November 1984. Beide Vorinstanzen gingen dabei von folgendem, wesentlichem Sachverhalt aus:
Die am 21. Mai 1934 geborene Beklagte führt in Hallein das Gasthaus "Zum Goldenen Löwen". Sie kam über einen gemeinsamen Freund mit dem am 21. September 1901 geborenen Kläger in Kontakt. Dieser hatte mit dem Freund abgesprochen, im Falle einer näheren Bindung zur Beklagten werde er zu den beiden ins Gasthaus der Beklagten ziehen, um dort versorgt zu sein. Als aber die Bindung zwischen der Beklagten und ihrem Freund Anfang 1984 gelöst wurde, bot die Beklagte dennoch dem Kläger an, zu ihr ins Gasthaus nach Hallein zu ziehen, wenn er eine regelmäßige Versorgung haben wolle. Der Kläger war (und ist) alleinstehend und Eigentümer eines Hauses in Neumarkt bei Salzburg, wo er sich nach dem Tode seiner Schwester selbst verköstigen mußte. Die Beklagte stellte dem Kläger frei, auch nur tageweise bei ihr zu wohnen und dann wieder in das Haus nach Neumarkt zurückzukehren.
Ab März 1984 wurde der Kläger im Gasthaus der Beklagten zunächst in einem nicht ausreichend beheizbaren Dreibettzimmer, sodann in dem neben dem Schlafzimmer der Beklagten liegenden Kinderzimmer untergebracht. Zwischen den Parteien kam es auch zu sexuellen Kontakten. Der Kläger kehrte immer wieder in sein Haus in Neumark zurück. Er bot der Beklagten - wie auch seinerzeit mit seinem Freund vereinbart - an, für Unterhalt und Verpflegung monatlich S 7.000,-- zu bezahlen. Die Parteien sprachen auch davon, daß die Beklagte die Erbin des Klägers werden solle und dereinst auch die Grabpflege übernehme, weshalb die Beklagte auf die Bezahlung des Beherbergungsentgeltes vorerst nicht drängte. Da der Kläger davon sprach, die Erbeinsetzung der Beklagten notariell festzuhalten, erklärte auch die Beklagte, eine notarielle Verpflichtungserklärung für die lebenslange Unterkunft und Verpflegung des Klägers abzugeben. Der Kläger war jedoch in der Folge nie bereit, mit der Beklagten zum Notar zu gehen. Der Beklagten war ursprünglich nur bekannt, daß der Kläger Eigentümer einer Liegenschaft in Neumarkt war, erst später erfuhr sie (von ihm), daß er aus Liegenschaftsverkäufen auch Geld hatte. Der Kläger bot ihr an, einen Betrag von S 1 Mio. für seine Betreuung auf ihr Konto zu überweisen. Die Beklagte sagte eine notarielle Regelung zu. Am 20. Juni 1984 wurde der Betrag von S 1 Mio. auch auf das Konto der Beklagten überwiesen. Dieser Betrag wurde der Beklagten vom Kläger nur zur Verwahrung anvertraut, um ihr seine Bonität zu beweisen. Nach dieser Überweisung versuchte die Beklagte gemeinsam mit ihrem Steuerberater, zu einer - für sie auch steuerlich
günstigen - notariellen Vereinbarung mit dem Kläger zu gelangen, wobei vorerst ohne Beiziehung des Klägers ein Alimentationsvertrag, aber auch eine Beteiligung des Klägers am Unternehmen der Beklagten gegen lebenslange Naturalversorgung im Gespräch waren. Zu einer diesbezüglichen Vereinbarung mit dem Kläger kam es aber nicht. Weil sich die Beklagte den Annäherungsversuchen des Klägers in der Folge verschloß, verließ der Kläger am 14. November 1984 das Gasthaus der Beklagten.
Das Erstgericht ging rechtlich von einem Beherbergungsvertrag der Streitteile auf unbestimmte Zeit aus, an dessen Rechtsnatur sich dadurch nichts geändert habe, daß die Beklagte in der Erwartung, Erbin des Klägers zu werden, zunächst das vom Kläger für die Beherbergung geschuldete und zugesagte monatliche Entgelt von S 7.000,-- nicht eingefordert habe. Auch die Absichtserklärung des Klägers, auf Lebenszeit von der Beklagten versorgt zu werden, und die Überweisung des Geldbetrages von S 1 Mio. auf das Konto der Beklagten hätten das Vertragsverhältnis der Parteien nicht geändert, weil der Betrag der Beklagten lediglich (zu ihrer Sicherheit) zur Verwahrung anvertraut worden sei, um ihr die Bonität des Klägers zu beweisen.
In die von der Beklagten mit ihrem Steuerberater und einem Notar geführten Beratungen über steuergünstige Vertragsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Überweisung von S 1 Mio. auf das Konto der Beklagten sei der Kläger nicht einmal eingebunden gewesen. Ein derartiger Vertrag sei auch mangels Zustimmung des Klägers nicht zustandegekommen. Der Beklagten stehe daher lediglich für achteinhalb Monate das vertragliche Beherbergungsentgelt zu, den Restbetrag müsse sie als Verwahrerin des ihr anvertrauten Betrages zurückerstatten.
Für den Fall der - allerdings nicht festgestellten - Annahme einer Verpflichtungserklärung des Klägers, der Beklagten gegen lebenslängliche Versorgung den Betrag von S 1 Mio. hinzugeben, gab das Erstgericht die Eventualbegründung, der Vertrag sei dann iS des § 879 (wohl: Abs. 2 Z 4) ABGB nichtig, weil die Beklagte die Situation des alleinstehenden, 83-jährigen Klägers ausgenützt habe, um sich eine - schon angesichts der geringen Lebenserwartung des Klägers - unverhältnismäßig hohe Gegenleistung für ihre Leistung gewähren zu lassen, und weil damit eine völlige Abhängigkeit des Klägers von der Beklagten ungeachtet ihres ihm gegenüber gezeigten Verhaltens gegeben wäre.
Das Berufungsgericht führte aus, daß es die Rechtsansicht des Erstgerichtes in Ermangelung einer wirksamen Rechtsrüge der Beklagten nicht (näher) überprüfen könne. Dennoch billigte das Berufungsgericht aber die vom Erstgericht vertretene Rechtsauffassung.
Die Beklagte bekämpft das Berufungsurteil mit Revision aus den Gründen des § 503 Abs. 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, es im Sinne gänzlicher Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben. Die Revision ist nicht berechtigt. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens kann nach Überprüfung nicht festgestellt werden (§ 510 Abs. 3 ZPO).
Dem Berufungsgericht ist bei der Darstellung und Beachtung der in der Entscheidung EvBl. 1985/154 zum Ausdruck gebrachten Verfahrensgrundsätze zu folgen. Da in der Berufung der Beklagten - neben einer ausführlichen Beweisrüge - eine Rechtsrüge nur über die mangelnde Berücksichtigung des ganzen Verpflegungsmonats November 1984 - insoweit auch
erfolgreich - ausgeführt wurde, war es dem Berufungsgericht verwehrt, die rechtliche Beurteilung des - nach Beweiswiederholung übernommenen - Urteilssachverhalts durch das Erstgericht überhaupt (oder auch nach anderen Richtungen hin) zu überprüfen. Auch die im Berufungsurteil dargelegte, die Rechtsansicht des Erstrichters billigende "Eventualbegründung" kann eine weitere Rechtsanfechtungsmöglichkeit schon deshalb nicht eröffnen, weil das Berufungsgericht zutreffend davon ausging, daß eine Anfechtung der rechtlichen Qualifikation des vom Erstgericht festgestellten Sachverhaltes, die zur Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten - abzüglich des Beherbergungsentgelts - führte, gar nicht vorlag. Der Beklagten ist es daher nunmehr auch verwehrt, unter dem Revisionsgrund des § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO erstgerichtliche Feststellungsmängel erfolgreich zu rügen.
Der in der Revisionsschrift enthaltene Hinweis auf weitere mündliche Rechtsausführungen der Beklagten in der Berufungsverhandlung, deren Zulassung und Behandlung der Kläger nach der Darlegung in der Revisionsbeantwortung widersprochen habe, findet im Protokoll über die Berufungsverhandlung vom 4. November 1986 keine Deckung, kann aber auch mangels Relevanz solchen, vom Gegner widersprochenen Vorbringens gemäß § 483 Abs. 1 und 2 ZPO auf sich beruhen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 50 und 41 ZPO.
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