OGH 1Ob584/88

OGH1Ob584/8828.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache Hilmar G***, Pensionist, Ternitz, Jasminstraße 49, vertreten durch Dr. Edwin Schubert, Rechtsanwalt in Neunkirchen, infolge Revisionsrekurses des Betroffenen gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 6. April 1988, GZ R 428/87-32, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 23. September 1987, GZ SW 5/87-23 bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht bestellte für Hilmar G***, geboren am 3. Jänner 1945, gemäß § 273 ABGB Dr. Andreas Wippel, Rechtsanwalt in Neunkirchen, zum Sachwalter. Der Sachwalter hat vermögensrechtliche Angelegenheiten, so weit sie über die Verfügung über die dem Betroffenen zustehenden Pensionsbezüge hinausgehen, insbesondere die Vertretung im Abhandlungsverfahren nach seiner Schwester Anna G***, zu besorgen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Betroffenen nicht Folge. Nach Neudurchführung des Verfahrens gemäß § 250 AußStrG stellte es folgenden Sachverhalt fest:

Hilmar G*** sei primär unterdurchschnittlich bis mindergradig begabt. Nach einer schweren Kopfverletzung, die es bei einem Verkehrsunfall vor etwa vier Jahren erlitten habe, liege nunmehr ein leichtes organisches Psychosyndrom vor. Hilmar G*** sei als Folge dieses Verkehrsunfalles auch körperlich behindert; ihm sei der linke Unterschenkel amputiert worden. Er sei geistig als leicht bis mittelgradig behindert anzusehen. Dieser Geisteszustand mache es ihm unmöglich, eine kritische und realitätskonforme Beurteilung und vorausschauende Planung seiner persönlichen Zukunft vorzunehmen. Er laufe dadurch Gefahr, dem Notstand preisgegeben zu sein. Bis zum Tod seiner Schwester Anna G*** am 18. April 1987 sei er von dieser in der Südsteiermark betreut worden, nunmehr wohne er bei seiner Schwester Helga S*** in Ternitz. Im Verlassenschaftsverfahren nach Anna G*** habe Hilmar G*** in Form eines Notariatsaktes am 8. Juli 1987 einen unentgeltlichen Erbverzicht erklärt. Dieser Erbverzicht sei auch im Verlassenschaftsverfahren vorgelegt, später aber wieder zurückgenommen worden. In diesem Verlassenschaftsverfahren habe Hilmar G*** eine bedingte Erbserklärung zu einem Viertel, sein Vater Josef G*** eine unbedingte Erbserklärung zur Hälfte und seine Schwester Helga S*** eine unbedingte Erbserklärung zu einem Viertel des Nachlasses auf Grund des Gesetzes abgegeben. Hilmar G*** beziehe eine Pension samt Hilflosenzuschuß in der Höhe von monatlich S 6.511,60 14-mal jährlich. Auf Grund seines geistigen Zustandes sei er zwar in der Lage, die finanziellen Angelegenheiten des täglichen Lebens selbst zu besorgen, er vermöge jedoch wesentliche darüber hinausgehende Entscheidungen finanzieller Natur nicht zu treffen. Dies gelte insbesondere für die von ihm im Verlassenschaftsverfahren nach Anna G*** abgegebenen Erklärungen. Er könne weder deren Tragweite erkennen noch die Folgen seiner Erklärungen abschätzen. Der von ihm abgegebene Erbverzicht habe darauf beruht, daß er vertraute, Helga S*** werde ihn auf Dauer kostenlos betreuen. Er sehe keine Notwendigkeit der Absicherung, obwohl ihm bewußt sei, daß er sonst für die für ihn notwendige Hilfe eine finanzielle Gegenleistung erbringen müsse.

Rechtlich beurteilte das Rekursgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der Betroffene ohne Bestellung eines Sachwalters seine Angelegenheiten im Verlassenschaftsverfahren nach Anna G*** nicht zu regeln vermöge, da er weder in der Lage sei, das Wesen des Erbverzichtes und dessen Folgen zu erkennen, noch konkrete Vorstellungen über das ihm ohne Erbverzicht zufallende Erbteil habe. Dies sei aber für sein weiteres Fortkommen von entscheidender Bedeutung, da er nicht in der Lage sei, ohne Hilfe fremder Personen zu leben. Daß diese Hilfe derzeit durch seine Schwester Helga S*** gegeben sei, könne nicht darüber hinwegtäuschen, daß ein finanzieller Rückhalt für den Fall, daß Helga S*** ihren Bruder aus welchen Gründen auch immer nicht weiterbetreuen könne oder wolle, zweckmäßig sei. Der Betroffene sehe zwar die Notwendigkeit der Hilfestellung durch einen Sachwalter nicht ein, die Bestellung eines Sachwalters sei aber notwendig, weil er seinen vermutlich einzigen finanziellen Rückhalt aufgeben wolle, ohne die bisher liebenswerte Betreuung durch seine Schwester sicherstellen zu können. Er erkenne nicht, daß seine Schwester die Betreuung beenden könne, etwa weil diese über ihre Kräfte gehe, sie selbst erkranke, oder ihn aus anderen Gründen nicht mehr betreuen wolle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Betroffenen ist unzulässig. Die §§ 249, 250 AußStrG regeln das Rechtsmittelverfahren in Sachwalterschaftssachen nicht abschließend. Sie normieren nur einzelne, in Sachwalterschaftssachen geltende Ausnahmen von der allgemeinen Regelung des Rechtsmittelverfahrens in den §§ 9 bis 16 AußStrG, welche Vorschriften aber im übrigen unberührt bleiben (RZ 1986/26). Es gilt daher insbesondere die Bestimmung des § 16 AußStrG, wonach die Anfechtung eines bestätigenden Beschlusses des Rekursgerichtes zwar zulässig, aber auf die Fälle offenbarer Gesetzwidrigkeit, der Aktenwidrigkeit und Nullität beschränkt ist (1 Ob 542/86; 1 Ob 502/86 ua).

Die geltend gemachte Nullität wird darin erblickt, daß es das Rekursgericht unterlassen habe, die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 3. März 1988, A 42/88-43, (ohne Erbteilung) erfolgte rechtskräftige Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens nach der am 18. April 1987 verstorbenen Schwester Anna G*** in seine Entscheidung einzubeziehen. Daß dem Rekursgericht die Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens bekannt gewesen ist, wird nicht behauptet und ist auch nicht aktenkundig. Es handelt sich daher um eine im Verfahren über einen außerordentlichen Revisionsrekurs unzulässige Neuerung (EFSlg. 52.740; SZ 57/119 uva.)

Es geht im übrigen nicht nur um das Verlassenschaftverfahren , sondern um die gesamte Vermögensverwaltung.

Der Revisionsrekurswerber bekämpft nicht die Beurteilung der Vorinstanzen, daß er an einer physischen Krankheit leidet bzw. geistig behindert ist, so daß er einzelne seiner Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteiles für sich selbst zu besorgen in der Lage sei. Er rügt als offenbar gesetzwidrig, daß der Subsidiaritätsgrundsatz des § 273 Abs 2 ABGB verletzt worden sei. Seine Schwester Helga S*** leiste derzeit eine so große Hilfestellung, daß er seine Angelegenheiten im erforderlichen Ausmaß besorgen könne.

Es ist zwar richtig, daß gemäß § 273 Abs 2 ABGB die Bestellung eines Sachwalters subsidiären Charakter hat und nur dann erfolgen darf, wenn der Betroffene nicht anders, etwa durch Hilfe im Rahmen der Familie, in die Lage versetzt werden kann, seine Angelegenheiten im erforderlichen Ausmaß zu besorgen (SZ 58/61 ua;

Ehrenzweig-Schwind, Familienrecht3, 206; Maurer, Sachwalterrecht 56 f), diese "andere Hilfe" muß aber rechtlich ausreichend und unbedenklich sein (Pichler in Rummel ABGB, Rz 3 zu § 273 nF). Dies trifft aber gerade für die Wahrung der Interessen des Betroffenen im Verlassenschaftsverfahren nach seiner Schwester Anna G*** und einer allenfalls erforderlich werdenden Erbteilung nicht zu, da seine Schwester Helga S*** Miterbin ist, so daß für diese zu besorgenden Angelegenheiten ein Widerstreit ihrer Interessen mit denen des Revisionsrekurswerbers besteht. Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.

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