Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die vorinstanzlichen Urteile werden dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil zu lauten hat:
Die beklagte Partei ist schuldig, das auf der Liegenschaft EZ 647 KG Feldkirchen gelegene zweigeschoßige Gebäude samt Werkshalle binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu räumen und den Klägern geräumt zu übergeben.
Die beklagte Partei hat den Klägern die mit
S 63.713,18 bestimmten Prozeßkosten (darin enthalten S 4.881,56 Umsatzsteuer und S 10.016 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Die beklagte Partei hat den Klägern weiters die mit S 7.071,07 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 642,82 Umsatzsteuer) sowie die mit S 9.215,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.500 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger stützen ihr Klagebegehren auf die Behauptung einer zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung, wonach das zwischen ihnen bestehende Bestandverhältnis mit 31. Dezember 1985 enden und die beklagte Partei als Bestandnehmerin die Bestandräumlichkeit mit 31. Dezember 1985 räumen und den Klägern als Bestandgeber geräumt zurückstellen würde. In der Folge beriefen sich die Kläger auch auf den Auflösungsgrund des nachteiliegen Gebrauches des Bestandobjektes.
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Sie bestritt sowohl das Vorliegen der behaupteten Vereinbarung als auch einen nachteiligen Gebrauch der Bestandsache und wendete ein, für Vertragsänderungen sei nach dem Inhalt des Bestandvertrages die Schriftform vorgesehen.
Nachdem ein erstgerichtliches klagsabweisendes Urteil vom Berufungsgericht aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden war, wies das Erstgericht die Klage im zweiten Rechtsgang neuerlich ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, den Betrag von S 300.000,-- übersteigt.
Dem berufungsgerichtlichen Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Kläger sind Eigentümer der Liegenschaft EZ 647 KG Feldkirchen. Mit Vertrag vom 15. Jänner 1970 hat ihr Rechtsvorgänger dem Rechtsvorgänger der beklagten Partei eine im nordöstlichen Teil der Liegenschaft befindliche Werkshalle samt einem zweigeschoßigen Gebäude in Bestand gegeben. Die Streitteile sind in dieses Bestandverhältnis eingetreten. Der Vertrag war auf 10 Jahre befristet und es war vereinbart, daß er nach Ablauf von 10 Jahren auf unbestimmte Zeit verlängert wird, "wenn er nicht mit einjähriger Kündigungsfrist jeweils zum Ende eines Kalenderjahres mittels eingeschriebenen Briefes gekündigt wird". Im Juli 1984 kündigten die Kläger der beklagten Partei den Vertrag per 31. Dezember 1984 auf und teilten gleichzeitg mit, daß über eine Vertragsmodifizierung verhandelt werden könne. In den sodann mit Walter R***, dem Prokuristen der beklagten Partei, geführten Verhandlungen wurde dieser darauf hingewiesen, daß der Kündigungstermin 31. Dezember 1984 mangels Einhaltung der im Vertrag für eine Kündigung getroffenen Vereinbarungen nicht aufrecht erhalten werde. Walter R*** erklärte, sich Auskünfte bei seinem Rechtsberater einholen zu wollen, die Kläger sollten ihm ihre genauen Vorstellungen über den Inhalt eines abgeänderten Bestandvertrages bekanntgeben. Schließlich wurde für den 16. Oktober 1984 eine gemeinsame Besprechung an Ort und Stelle im Bestandobjekt vereinbart. Dieses Gespräch, bei welchem die Vorstellungen der Kläger über eine Neuregelung des Bestandvertrages erörtert wurden, endete damit, daß Walter R*** erklärte, er wolle "mit der Familie F*** nichts mehr zu tun haben", er lasse den Mietvertrag mit Ende 1985 auslaufen. Diese Erklärung wurde vom Vertreter der Kläger und der anwesenden Zweitklägerin zustimmend zur Kenntnis genommen. Als die Erstklägerin, welche sich kurzfristig entfernt hatte, zurückkam, war das Gespräch bereits beendet und es wurde ihr von der Zweitklägerin mitgeteilt, daß "schon alles erledigt sei, Herr R*** ziehe mit Ende des Jahres 1985 aus". Bei diesem Gespräch vom 16. Oktober 1984 wurde über die Frage, ob Änderungen des Bestandvertrages einer bestimmten Form bedürfen, nicht gesprochen. Walter R*** war die Bestimmung des Punktes XIV des schriftlichen Bestandvertrages, wonach "allfällige Änderungen oder Ergänzungen des Vertrages nur gelten, wenn sie schriftlich niedergelegt werden", nicht bekannt. Mit Schreiben vom 4. Dezember 1985 wies der Klagsvertreter die beklagte Partei darauf hin, daß das Bestandobjekt im Sinne der getroffenen Vereinbarung mit 31. Dezember 1985 zu räumen sei. Das Bestandobjekt weist einen annähernd normalen Erhaltungszustand auf. In seiner rechtlichen Beurteiling vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Streitteile hätten zwar die vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses per 31. Dezember 1985 mündlich vereinbart, sie seien jedoch von Punkt XIV des Bestandvertrages, wonach Änderungen der Schriftform bedürften, nicht ausdrücklich abgegangen und es liege auch kein schlüssiger Verzicht auf diese Voraussetzung vor, weil dieser Formvorbehalt den Streitteilen bei Abschluß der mündlichen Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des Bestandverhältnisses zumindest hätte bewußt sein müssen. Diese Vereinbarung sei daher nicht wirksam. Mangels gröblicher Vernachlässigung des Bestandobjektes liege auch der Auflösungsgrund des nachteiligen Gebrauches der Bestandsache nicht vor. Das Berufungsgericht verneinte das in der Berufung behauptete stillschweigende Abgehen der Streitteile von der vereinbarten Schriftform. Grundsätzlich könne sich ein Vertragspartner nicht auf einen vereinbarten Formvorbehalt berufen, wenn er in Kenntnis des Formmangels eine formlose Zusatzoder Abänderungsvereinbarung treffe. Habe er jedoch keine Kenntnis vom Formvorbehalt, so könne von einer gewollten Abänderung der Formvereinbarung nicht gesprochen werden. In diesem Falle könne eine konkludente Änderung der Formvereinbarung nicht zustandekommen und die Berufung auf die Vertragsklausel, welche einen Formvorbehalt vorsieht, widerspreche nicht der Übung und den Grundsätzen des redlichen Verkehrs. Demgemäß sei hier mangels Wirksamkeit der mündlichen Vereinbarung über die Vertragsbeendigung das Bestandverhältnis weiterhin aufrecht und das Räumungsbegehren der Kläger daher abzuweisen.
Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erheben die Kläger eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung dahin, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist gerechtfertigt.
Die Revisionswerber vertreten die Ansicht, Walter R*** habe hinreichend Gelegenheit gehabt, sich über den Gegenstand der Verhandlungen rechtzeitig zu informieren, sodaß bei ihm auch die Kenntnis des Vertragsinhaltes vorauszusetzen sei. Habe er sich eine solche nicht verschafft, so könne er sich nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs nicht nachträglich auf den Mangel einer vereinbarten Schriftform der von ihm getroffenen Vereinbarung berufen. Vielmehr seien die Streitteile eben einvernehmlich vom Formvorbehalt abgegangen. Somit sei die mündliche Vereinbarung vom 16. Oktober 1984 wirksam und das Bestandverhältnis beendet. Diesen Revisionsausführungen ist im Ergebnis dahin zu folgen, daß das Bestandverhältnis durch die Vereinbarung vom 16. Oktober 1984 wirksam aufgelöst wurde:
Die Feststellung der einvernehmlichen mündlichen Auflösung des Bestandvertrages bei den Vertragsverhandlungen vom 16. Oktober 1984 blieb unbekämpft und liegt unangefochten auch der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen und den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung der beklagten Partei zugrunde. Einer solchen einverständlichen, formfreien und daher selbst schlüssig möglichen Vertragsauflösung stehen nach Lehre und Rechtsprechung auch die Vorschriften über die gerichtliche Aufkündigung von Bestandverträgen nicht entgegen (Würth-Zingher MRG2 Anm. 2 zu § 29; Würth in Rummel ABGB Rz 3 zu § 29 MRG; Zingher MG16 S. 122, Anm. 1 zu § 21 Abs 1; Klang2 V 96 f; MietSlg 21.617, 21.618, 24.383, 31.451, 33.142, 4 Ob 513/79, 1 Ob 760/83 ua).
Die von den Streitteilen am 16. Oktober 1984 getroffene Vereinbarung, wonach die beklagte Partei die Bestandräumlichkeiten bis zum 31. Dezember 1985 räumen wird, ist daher rechtlich zulässig. Sie ist aber auch wirksam, weil ihr entgegen der Annahme der Vorinstanzen die Bestimmung des Punktes XIV des Bestandvertrages nicht entgegensteht. Nach dieser Vertragsklausel bedürfen allfällige Änderungen und Ergänzungen des Bestandvertrages der Schriftform. Die Vereinbarung, den Vertrag aufzulösen, stellt jedoch keine Änderung oder Ergänzung des Bestandvertrages dar, sondern beseitigt ihn und liegt völlig außerhalb dieses Vertrages. Nur dann, wenn auch für die einvernehmliche Beendigung des Bestandverhältnisses eine bestimmte Form vereinbart worden wäre, könnte die einvernehmliche Auflösung des Vertragsverhältnisses von der Einhaltung der vereinbarten Form abhängig sein. Inwieweit die Parteien von dieser Vereinbarung dennoch wieder abgehen könnten, ist hier nicht zu untersuchen, weil dieser Fall nicht vorliegt.
Auf Grund der wirksamen Vereinbarung der Streitteile vom 16. Oktober 1984 hat das gegenständliche Bestandverhältnis demnach mit 31. Dezember 1985 geendet. Die beklagte Partei ist daher zur Räumung des Bestandgegenstandes verpflichtet.
Somit war der Revision der Kläger Folge und in Abänderung der vorinstanzlichen Urteile ihrer Klage stattzugeben.
Die Entscheidung über die Prozeßkosten gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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