OGH 11Os69/88

OGH11Os69/8828.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 1988 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Hörburger, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Doblinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Richard S*** wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 25. März 1988, GZ 18 a Vr 2819/87-35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Tschulik als Vertreter des Generalprokurators, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Geldstrafe (einschließlich der Ersatzfreiheitsstrafe) ersatzlos aufgehoben wird.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4. Oktober 1957 geborene beschäftigungslose Richard S*** des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 SGG schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 14. Oktober 1987 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, nämlich ca. 1 kg Cannabisharz, aus der Bundesrepublik Deutschland aus- und nach Österreich eingeführt zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Schuldspruch wird vom Angeklagten mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 1, 4, 5, 5 a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft. Der erstgenannte Nichtigkeitsgrund wird lediglich ziffernmäßig angeführt. Damit wird dem gesetzlichen Erfordernis einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung nicht Genüge getan.

Als einen Verteidigungsrechte beeinträchtigenden Verfahrensmangel (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) rügt der Beschwerdeführer, daß seinen Anträgen auf zeugenschaftliche Vernehmung des Siegfried R*** und des Kriminalinspektors Peter R***, sowie auf Einholung eines kriminaltechnischen Gutachtens nicht stattgegeben worden sei (vgl. S 156, 157, 186 und 188 dA). Siegfried R*** sollte darüber vernommen werden, daß der Angeklagte wegen Erwerbs eines Verstärkers für eine Musikanlage nach Essen gereist sei. Diesen Umstand nahm das Erstgericht aber, der Verantwortung des Angeklagten folgend, ohnedies als erwiesen an und stellte fest, daß Richard S*** vor seiner Einreise nach Österreich in Essen einen Bekannten besuchte, von dem er einen Verstärker kaufen wollte; nach Überzeugung des Gerichtes schloß dies unter Zugrundelegung der Verantwortung des Angeklagten aber nicht aus, daß Richard S*** Gelegenheit hatte, während seines kurzen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland Suchtgift zu erwerben (vgl. S 141, 193, 199 dA). Daß sich der Angeklagte am 13.Oktober 1987 zwischen 19,30 Uhr und 23,00 Uhr ununterbrochen in der Gesellschaft des Siegfried R*** befunden habe, wurde im Beweisantrag nicht behauptet.

Auf den Kriminalinspektor Peter R*** berief sich der Beschwerdeführer zum Beweis seiner Behauptung, die durch die kriminaltechnische Untersuchung objektivierten Suchtgiftspuren in seinen Jackentaschen seien auf das Hantieren mit dem sichergestellten Suchtgift zurückzuführen. In diesem Zusammenhang wurde vorgebracht, daß dem Angeklagten "Tonbrösel" vorgelegt worden seien, welche "Auflagereste" des Verpackungsmaterials gewesen seien und sich in seinen Jackentaschen befunden hätten (vgl. S 29, 187 dA). Diese Tonerdereste wurden jedoch vom Erstgericht nicht als Indiz für die Täterschaft verwertet (vgl. S 95, 200 dA). Bei Erläuterung dieses Beweisantrages wurde zudem vom Verteidiger nicht behauptet, es hätten sich Suchtgiftspuren auf der Verpackung befunden; das Verbringen von Suchtgiftspuren in die Jackentaschen schrieb der Angeklagte dem Abteilungsinspektor der kriminaltechnischen Untersuchung Oskar B*** zu (vgl. S 187 dA). Anhaltspunkte dafür, daß Peter R***, der nur bei einer (der kriminaltechnischen Untersuchung vorangegangenen) Vernehmung des Angeklagten durch Bezirksinspektor Heinz P*** zeitweilig zugegen war, hiezu Sachdienliches vorbringen könnte, sind aber den Akten (insbes. auch dem Beweisantrag) nicht zu entnehmen. Von der Vernehmung dieses Zeugen war mithin ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung nicht zu erwarten.

Als nicht zielführend erweist sich aber auch der Versuch, durch ein kriminaltechnisches Gutachten zu klären, ob die Suchtgiftspuren in die Jackentaschen des Angeklagten durch unsachgemäße Manipulationen gelangen konnten, für eine Reaktion des von den Fahndungsbeamten verwendeten Suchtgifthundes ausgereicht hätten und eine Identität mit den sichergestellten Proben gegeben sei. Soweit der Antrag nicht überhaupt auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinausläuft, ist der Beschwerdeführer auf die im Urteil nachgeholte Begründung des abweislichen Zwischenerkenntnisses zu verweisen, wonach das Suchtgift verpackt war und erst zu einem Zeitpunkt geöffnet wurde, zu dem keine Suchtgiftspuren in die Jackentaschen des Angeklagten mehr gelangen konnten, sowie auf die Zeugenaussage des sachkundigen Oskar B***, wonach auf der Packung keine Suchtgiftspuren gefunden wurden und die geringen Spurenmengen an dem Messer und in den Jackentaschen keine Aussage über eine Identität mit der untersuchten Suchtgiftprobe zugelassen hätten (vgl. S 177 dA). Zu einer direkten Begegnung zwischen dem Angeklagten und dem Diensthund ist es überhaupt nicht gekommen (vgl. S 200 dA). Unzutreffend ist der Vorwurf, das angefochtene Urteil sei mit Begründungsmängeln im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO behaftet. Es liegt auf der Hand, daß sich der Ort und der Zeitpunkt des Suchtgifterwerbes durch den Angeklagten einer näheren Präzisierung entzogen; genug daran, daß der Angeklagte das verfahrensgegenständliche Cannabisharz während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben konnte und daß auf Grund der Verfahrensergebnisse zwischen dem in einer Toilette des Zuges "Tauern-Expreß" hinterlegten Schmuggelgut und der Person des Angeklagten ein Zusammenhang gegeben war. Bei der Annahme, es sei der Angeklagte gewesen, der das Suchtgift dort versteckt habe, um es von der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich zu schmuggeln, wurde eine Reihe von Tatumständen herangezogen, die dem Schöffengericht - im Zusammenhang betrachtet - die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten verschafften. Hiebei blieb es dem Gericht unbenommen, das Verhalten des Angeklagten während der Bahnfahrt, seine Nähe zum Versteck und die Art seiner Reaktion auf die Konfrontation mit dem gegen ihn vorliegenden Verdacht nach seiner Anhaltung und Festnahme in den Kreis seiner Erwägungen einzubeziehen. In Verbindung mit den in den Jackentaschen und auf dem beim Angeklagten sichergestellten Messer vorgefundenen Suchtgiftspuren konnte das Erstgericht bei Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse zu einer Bejahung der Täterschaft des Angeklagten gelangen. Daß diese Schlußfolgerung nicht zwingend ist, läßt die bekämpften Urteilsfeststellungen nicht unzureichend begründet erscheinen, sofern nur - wie hier - ohne Widerspruch zu den Denkgesetzen aus den vom Erstgericht angenommenen Prämissen auf die als erwiesen angenommenen Tatsachen geschlossen werden konnte. Aus den Akten und der mit Bezug auf die Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO vorgebrachten Kritik des Beschwerdeführers an der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes ergeben sich aber auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen. Zu Unrecht vermißt der Beschwerdeführer die erforderlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite, ist doch den bezüglichen Urteilsfeststellungen hinreichend deutlich zu entnehmen, daß dem Angeklagten in bezug auf die geplante Aus- und Einfuhr einer großen Menge Cannabisharz vorsätzliches Handeln unterstellt wurde. Nicht berechtigt ist die Beschwerde auch insoweit, als darin, der Sache nach aus dem Grund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO, die rechtliche Beurteilung des Tatverhaltens des Angeklagten bloß als Versuch reklamiert wird.

Aus- und Einfuhr von Suchtgift sind grundsätzlich vollendet, sobald das Suchtgift aus dem Ausfuhrland über die Staatsgrenze in das benachbarte Einfuhrland gelangt, ohne daß sich das Suchtmittel im Zeitpunkt und am Ort des Grenzübertrittes auch in unmittelbarem Gewahrsam des Täters befinden müßte (vgl. EvBl 1975/202). Im vorliegenden Fall wurde das Suchtgiftversteck bei der Kontrolle durch österreichische Zollbeamte auf der Strecke zwischen Rosenheim und Salzburg in einer Toilette des "Tauern-Expreß" durch einen Diensthund angezeigt. Das Suchtgiftpaket wurde jedoch von den Beamten im Versteck belassen, um den Schmuggler auf frischer Tat betreten zu können. Da der Angeklagte aber inzwischen auf die Zollbeamten aufmerksam geworden war, verließ er in Salzburg den Zug, ohne das Suchtgiftpaket aus dem Versteck zu holen. Das Suchtgift wurde somit von der Zollfahndung zwar entdeckt, gelangte aber dennoch auf die vom Angeklagten gewollte Art über die Staatsgrenze. Die Zollbeamten verschafften sich vor der Überschreitung der Grenze - entgegen der Auffassung der Generalprokuratur - mangels Untersuchung des entdeckten Suchtgiftpaketes weder Gewißheit über das Schmuggelgut, noch überwachten sie dessen Aufbewahrungsort derart, daß dem Angeklagten jede Verfügungsmöglichkeit über das Suchtgift (zB während eines Aufenthaltes in der Toilette) genommen worden wäre. Da vom Angeklagten auch keine Handlung gesetzt wurde, welche die Einfuhr und damit den Eintritt des Erfolges hintangehalten hätte, verantwortet er - wie vom Erstgericht zutreffend angenommen - die vollendete Aus- bzw. Einfuhr von ca. 1 kg Cannabisharz nach dem § 12 Abs 1 SGG.

Soweit Richard S*** unter der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO im Zusammenhang mit der vom Erstgericht angewendeten Strafbestimmung des § 12 Abs 5 SGG das Fehlen von Feststellungen bemängelt, ob und in welcher Höhe er durch die strafbare Handlung einen Nutzen erzielen wollte, erweist sich die Beschwerde - unabhängig von der Frage, ob ein solcher Feststellungsmangel überhaupt geeignet sein könnte, eine Urteilsnichtigkeit nach dieser Gesetzesstelle zu begründen (vgl. 11 Os 64/88) - als nicht zu seinen Gunsten ausgeführt. Das Gesetz verlangt - im gegebenen

Zusammenhang - lediglich, daß die kumulativ verhängte Geldstrafe den konkreten, aus der Tat gezogenen oder erwarteten Nutzen übersteigen soll; eine Nichtbeachtung dieser Vorschrift kann somit dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen.

Auch mit dem weiteren Einwand, dem Angeklagten käme - den Annahmen des Erstgerichtes zuwider - die Härteklausel gemäß dem § 12 Abs 5, vierter Satz, SGG zustatten, wird nur ein Ermessensfehler, nicht aber ein dem Strafausspruch anhaftender, materielle Nichtigkeit bewirkender Urteilsmangel behauptet.

Keine Nichtigkeit, sondern gleichfalls nur einen Berufungsgrund (§ 283 Abs 2 StPO nF) releviert der Beschwerdeführer schließlich mit der Behauptung, ihm sei die Vorhaft lediglich auf die (bedingte) Freiheitsstrafe, nicht aber auch auf die (unbedingte) Geldstrafe bzw. auf die Ersatzfreiheitsstrafe angerechnet worden. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Richard S*** nach dem § 12 Abs 1 SGG eine Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten und sah diese gemäß dem § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach. Überdies erkannte es - wie bereits erwähnt - gemäß dem § 12 Abs 5 SGG auf eine Geldstrafe von 30.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit auf eine Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat.

Bei der Strafbemessung wertete es eine einschlägige Vorstrafe als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber die Sicherstellung des Suchtgiftes als mildernd.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheits- und ein Absehen von der gemäß dem § 12 Abs 5 SGG verhängten Geldstrafe.

Die Berufung ist teilweise begründet.

Was zunächst die Freiheitsstrafe anlangt, so ist diese schon in Anbetracht des Gewichtes der Tatschuld und der einschlägigen Vorstrafenbelastung einer weiteren Reduktion nicht zugänglich. Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes bedurfte es allerdings nicht der zusätzlichen Verhängung einer fakultativen Geldstrafe, konnte doch das Suchtgift im vorliegenden Fall sofort nach der Tat sichergestellt werden und hat der Angeklagte durch die zweimonatige Vorhaft bereits einen Teil des Strafübels verspürt. Der Ausspruch einer Geldstrafe nach dem § 12 Abs 5 SGG war daher aus dem Ersturteil auszuschalten und insoweit der Berufung des Angeklagten Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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