OGH 12Os60/88

OGH12Os60/8822.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Juni 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hanglberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerhard H*** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und 2, 161 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 24.Februar 1988, GZ 26 Vr 1353/82-87, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt I 1 b des Urteilssatzes und in der Beurteilung der Tat nach § 156 Abs 2 StGB aF sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückverwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Gerhard H*** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2, 161 Abs 1 StGB (Punkt 1 a und b des Urteilssatzes), des Vergehens der versuchten Anstiftung zur falschen Beweisaussage vor Gericht nach §§ 15 Abs 2, 12 zweiter Fall StGB (Punkt 2) und des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (Punkt 3) schuldig erkannt.

Darnach hat er als Geschäftsführer der Firma Gerhard H*** Autohandels- und VerwertungsgesmbH, sohin als leitender Angestellter (§ 309) einer juristischen Person, durch nachangeführte Handlungen einen Bestandteil des Vermögens der Firma Gerhard H*** Autohandels- und VerwertungsgesmbH verheimlicht und dadurch die Gläubiger der Firma Gerhard H*** Autohandels- und VerwertungsgesmbH oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, wobei durch die Tat ein 100.000 S übersteigender Schade herbeigeführt wurde, und zwar:

a) am 16.September 1981 in Walding dadurch, daß er einen PKW Mercedes 450 SEL um insgesamt 145.000 S im Namen der Firma T*** HandelsgesmbH mit Vermögenswerten der Firma Gerhard H*** Autohandels- und VerwertungsgesmbH in Höhe von 88.000 S von Renate S*** zurückkaufte, wobei der PKW dann im Vermögen der Firma T*** HandelsgesmbH verblieb,

b) in der Zeit vom 16.September bis 13.Oktober 1981 in Linz oder Eschlberg dadurch, daß er Schmuck der Firma Gerhard H*** Autohandels- und VerwertungsgesmbH im Wert von ca. 680.000 S an sich brachte (zu 1 a und b);

Mitte November 1984 in Eschlberg versucht, Renate S*** dadurch, daß er sie anrief und erklärte, sie solle bei Gericht als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache am 30.November 1984 zu 26 Vr 1553/82, Hv 32/82, Landesgericht Linz angeben, sie hätte einen Betrag von 145.000 S von ihm bar erhalten, zu einer falschen Aussage zu verleiten (zu 2);

am 16.September 1981 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Renate S*** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich seiner Zahlungsfähigkeit, durch Übergabe eines ungedeckten Schecks der Firma Gerhard H*** Autohandels- und VerwertungsgesmbH in der Höhe von 62.000 S zur Übergabe eines PKW Mercedes 450 SEL, somit zu einer Handlung verleitet, wodurch Renate S*** an ihrem Vermögen mit einem Betrag von 62.000 S geschädigt wurde (zu 3).

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 3, 4, 5, 5 a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

1. Unter dem Grund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO rügt der Angeklagte die Nichtverlesung der Anklageausdehnung in der Hauptverhandlung vom 30.November 1984, II S 616 f, die dem Schuldspruch Punkt 2 und 3 zugrunde liegt, in der gemäß § 276 a StPO am 23.Februar 1988 neu durchgeführten Hauptverhandlung. Die Verlesung einer früher protokollierten Anklageausdehnung ist jedoch nicht zwingend vorgeschrieben (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO2, § 244 ENr. 8), sodaß aus dem Umstand, daß anläßlich der (wegen Zeitablaufs und Richterwechsel gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten) Hauptverhandlung am 23.Februar 1988 das Protokoll über diese Ausdehnung der Anklage nicht verlesen wurde, eine Nichtigkeit iS der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO nicht abgeleitet werden kann.

2. Der Angeklagte war geschäftsführender Gesellschafter der im Jahre 1979 gegründeten Firma Gerhard H*** Autohandels- und Verwertungsgesellschaft mbH mit dem Sitz in Walding. Diese Firma geriet am 10.April 1981 in Zahlungsschwierigkeiten (vgl. dazu Urteil S 489-491), was dazu führte, daß mit Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 25.Mai 1981, Sa 9/81, das Ausgleichs- und am 13. Oktober 1981 vom gleichen Gericht zu S 66/81 das Konkursverfahren eröffnet wurde.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen zum Schuldspruch zu Punkt I 1 a des Urteilssatzes (S 495 ff) hat der Angeklagte den PKW Mercedes 450 SEL, der im Eigentum der Firma Gerhard H*** GesmbH stand, mit Kaufvertrag vom 22.Mai 1981 an seine Lebensgefährtin Renate S*** verkauft. Als diese Lebensgemeinschaft im September 1981 in Brüche ging, wollte der Beschwerdeführer das Fahrzeug zurückkaufen, wobei als Käufer die Firma T*** HandelsgesmbH auftrat, an welcher der Angeklagte beteiligt war. S*** hatte damals Schmuck, der im Eigentum der Firma Gerhard H*** GesmbH stand, verkauft und dafür einen Betrag von 88.000 S eingenommen. Dieser Betrag wurde nach einer Vereinbarung mit dem Angeklagten von S*** als Anzahlung genommen, obwohl nach dem am 16. September 1981 abgeschlossenen Kaufvertrag die Firma T*** als Käufer auftrat. Mit der Anrechnung dieses Betrages von 88.000 S aus den Schmuckverkäufen für die Firma Gerhard H*** GesmbH beabsichtigte der Angeklagte zum Nachteil der andrängenden Gläubiger eine Vermögensverschiebung zu seinen Gunsten. Es war ihm auch bewußt, daß er damit als leitender Angestellter der Firma Gerhard H*** GesmbH die Befriedigung der Gläubiger der genannten Firma oder wenigstens eines von ihnen vereitelte oder schmälerte. Diese Feststellungen stützte das Gericht auf die Aussage der Zeugin Renate S*** (S 505/506). Der Angeklagte hatte zwar bestätigt, daß durch den Verkauf von Schmuck ein solcher Betrag eingenommen worden war, jedoch behauptet, es habe sich dabei um den in seinem Eigentum stehenden Schmuck gehandelt, den er "schwarz" erworben habe. Letztere Darstellung hielt das Gericht im Hinblick auf die Aussage der genannten Zeugin für widerlegt. Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt der Angeklagte die Abweisung seines in der Hauptverhandlung am 23.Februar 1988 gestellten Antrages (III S 453 f) auf Einvernahme des Zeugen N. B*** darüber, daß der Beschwerdeführer am 9.April 1981) ein Sparbuch mit einem Betrag von etwa 400.000 S auflöste und den Betrag bar behoben hat.

Rechtliche Beurteilung

Verfahrensrechte des Angeklagten wurden durch die Abweisung dieses Beweisantrages nicht beeinträchtigt.

Der Zeuge Alfred P*** hat angegeben, daß er sich an eine derartige Geldbehebung nicht erinnern könne und daß umfangreiche Erhebungen darüber im Kreditinstitut durchgeführt worden sind, aber keine Anhaltspunkte für die Abhebung des behaupteten Geldbetrages gefunden wurden (vgl. III S 457). Damit mußte vom Beschwerdeführer aber, damit sein Begehren relevant ist, die Anführung jener besonderen Umstände gefordert werden, kraft derer im konkreten Fall das Gegenteil erwartet werden konnte. Abgesehen davon war dieser Antrag schon vom Beweisthema her nicht geeignet, die Aussage der Renate S*** zu widerlegen; denn der Umstand, daß der Beschwerdeführer einen Geldbetrag behoben hat, besagt nicht, daß er - wie er behauptet hat - diesen Schmuck mit "Schwarzgeld" erworben hat.

Die Einwände der Beschwerde unter dem Grund der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO, die sich dagegen richten, daß das Erstgericht der Zeugin Renate S*** Glauben schenkte, zeigen keine aktenkundigen konkreten Umstände auf, aus welchen sich für den Obersten Gerichtshof - nach eingehender Prüfung der vorgebrachten Einwände und des (sonstigen) Akteninhalts - erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergäben.

3. Unter dem Grund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO behauptet die Beschwerde, daß das Erstgericht "durch seine drakonische Strafe ohne Anwendung des § 43 StGB gegen einen Unbescholtenen" gegen die Bestimmungen über die Strafbemessung in unvertretbarer Weise verstoße. Der materielle Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO stellt aber nur darauf ab, ob gegen die Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen wurde, dh ob das Gericht in seiner Urteilsbegründung für die ausgesprochene Strafsanktion Kriterien heranzog, die den im Gesetz normierten Strafbemessungsvorschriften (§§ 32 ff, 43 bis 56 StGB) widersprechen (vgl. 11 Os 44/88), sodaß diese Ausführungen nur als Berufungsvorbringen zu werten sind. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in diesem Umfange teils nach der Z 2, teils nach der Z 1 (in Verbindung mit § 285 a Z 2) des § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

4. Berechtigung kommt der Verfahrensrüge (Z 4) insoferne zu, als der Angeklagte hinsichtlich des Schuldspruchs zu Punkt I 1 b des Urteilssatzes die Abweisung seines Antrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Bewertung des im Rahmen des Konkursverfahrens in der Auktionshalle Linz verkauften Schmucks bekämpft.

Nach den Feststellungen des Urteils (S 498 ff) hatte die Zeugin Renate S*** nach Aufgabe der Lebensgemeinschaft mit dem Angeklagten diesem am 16.September 1981 den im Eigentum der Firma Gerhard H*** stehenden Schmuckgeschäftes in Linz und hatte der genannten Firma am 7.April 1981 ua auch den gesamten Schmuck verkauft (vgl. S 494). Das Erstgericht nahm als erwiesen an, daß der vorhandene und dem Beschwerdeführer übergebene Schmuck einen Nettowert von zumindest 850.000 S hatte (vgl. S 499). Nach der Konkurseröffnung am 13.Oktober 1981 wurden vom Angeklagten noch am gleichen Tag dem Masseverwalter Dr. E*** Pretiosen der Firma Gerhard H*** übergeben, die vom Masseverwalter am 6.Dezember 1982 in die Auktionshalle Linz gebracht und dort von einem Sachverständigen mit dem Betrag von 174.661 S netto geschätzt. Daraus erschloß das Gericht, daß der Angeklagte in der Zeit vom 16. September bis 13.Oktober 1981 Schmuck der Firma Gerhard H*** in einem Betrag von mindestens 680.000 S verheimlicht hat, wodurch die Befriedigung der Gläubiger dieser Firma vereitelt oder geschmälert wurde.

Die Relevanz des Beweisanerbietens kann aber bei der gegebenen Sachlage nicht unzweifelhaft verneint werden (§ 281 Abs 3 StPO), weil das Erstgericht nur auf den Schätzwert der in der Auktionshalle versteigerten Pretiosen abgestellt hat, nicht aber auf die einzelnen Wertgegenstände. Entscheidungswesentlich wäre hier aber die Feststellung jener Gegenstände gewesen, die in der Auktionshalle tatsächlich bewertet (und verkauft) worden sind. Denn dann hätte sich das Gericht mit der Frage auseinandersetzen müssen, welche Schmuckstücke im Hinblick auf die Angaben der Renate S*** über die von ihr übergebenen Pretiosen (vgl. S 429 ff, 445 f, auch Beilage 10 in Band III) vom Angeklagten an den Masseverwalter Dr. E*** tatsächlich nicht ausgefolgt worden sind und ob hinsichtlich der in der Auktionshalle verkauften Gegenstände eine unterschiedliche Bewertung vorgenommen worden ist und welche Ursache diese hatte. In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, daß der Masseverwalter die ihm vom Angeklagten am 13.Oktober 1981 übergebenen Wertsachen offensichtlich inventarisiert hat (nach den Urteilskonstatierungen "besah" er sich diese lediglich, vgl. III S 510; vgl jedoch die Aussage dieses Zeugen III S 416, 422, wonach eine "Liste" erstellt wurde). So gesehen betrifft das beantragte Beweismittel somit eine entscheidende Tatsache und ist ein verwertbares Ergebnis nicht von vornherein auszuschließen. Die sohin dem Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit (§ 3 StPO) - dessen Beachtung durch das Wesen eines auch die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist - zu widerlaufende Abweisung des in Rede stehenden Beweisantrages hat eine Urteilsnichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 4 StPO zur Folge. Das Urteil war daher in diesem Umfange ohne Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens aufzuheben (§ 285 e StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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