OGH 3Ob503/88

OGH3Ob503/8822.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach der am 20. Juli 1985 verstorbenen Maria F***, Pensionistin, zuletzt wohnhaft in Aflenz, Dörflach 24, vertreten durch den Erben Erich F***, Automechaniker, Aflenz, Draiach 88, dieser vertreten durch Dr. Heinrich Berger, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach dem am 14.Dezember 1985 verstorbenen Peter R***, Pensionist, zuletzt wohnhaft in Aflenz, Graßnitz 1, vertreten durch die Erbin Elisabeth K***, Hausfrau, Afrenz, Graßnitz 1, diese vertreten durch Dr. Franz M. Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wegen Herausgabe eines Sparbuchs, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 22. September 1987, GZ 6 R 116/87-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 10. März 1987, GZ 7 Cg 317/85-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 (darin S 308,85 Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Maria F*** und Peter R***, die durch Jahre in Lebensgemeinschaft lebten, starben 1985 nacheinander. Die Verlassenschaft nach Maria F*** begehrt von der Verlassenschaft nach Peter R*** die Herausgabe eines Sparbuchs der R*** D***- (richtig wohl: T***-) A*** mit der Bezeichnung "1920" und brachte dazu vor, daß dieses Sparbuch, das sich nunmehr im Besitz der beklagten Verlassenschaft befinde, im Eigentum der Erblasserin gestanden sei.

Die beklagte Verlassenschaft bestritt das von der klagenden Partei behauptete Eigentumsrecht und den Anspruch der klagenden Partei auf Herausgabe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Maria F*** ließ ihre Pensionsbezüge auf ein Konto bei der R*** T***-A*** überweisen. Von diesem Konto wurden

laufend Beträge auf ein Sparkonto überwiesen. Das für die Spareinlage ausgestellte Sparbuch lautete auf den Namen "Maria F***". Die Spareinlage erreichte zum 22.Jänner 1980 einen Stand von S 320.534,91. Mit Ausnahme eines Betrages von S 100.000,--, den Maria F*** von Peter R*** "offensichtlich" als Anerkennung für ihre Arbeitsleistung geschenkt erhalten hatte, stammte die Spareinlage aus Überweisungen vom Pensionskonto der Maria F***. Im Jänner 1980 riet eine Angestellte der Sparkasse, bei der die Spareinlage bestand, Maria F***, einen Teil der Spareinlage auf ein gesperrtes Sparkonto einzuzahlen, um eine höhere Verzinsung zu erzielen. Auf Grund dieses Rates zahlte Maria Fritz am 22. Jänner 1980 vom vorhandenen Sparkonto S 300.000,-- auf ein neu eröffnetes Sparkonto ein. Das hierüber ausgegebene Sparbuch lautete auf die Bezeichnung "1920", das ist das Geburtsjahr der Maria F***. Außerdem wurde die Verfügung über die Spareinlage von der Angabe eines Losungswortes abhängig gemacht. Auf das neu eröffnete Sparkonto wurde nichts mehr eingezahlt. Auf Grund der Verzinsung erhöhte sich der Kontostand bis 8.März 1984 auf S 399.019,--. Die angeführten beiden Sparbücher befanden sich in einer schwarzen Tasche, die Maria F*** als Werbegeschenk erhalten hatte. Diese Tasche bewahrte sie - getrennt von den Sparbüchern des Peter R*** - in ihrem Kleiderkasten auf. Am 11.Juni 1985 mußte sie wegen eines Schlaganfalls in ein Krankenhaus zur Behandlung aufgenommen werden. Peter R*** zog hierauf zu seiner Tochter. Die schwarze Tasche, in der Maria F*** die Sparbücher aufbewahrte, blieb zunächst in der Wohnung. Etwa zwei Tage, nachdem Maria F*** in das Krankenhaus aufgenommen worden war, zeigte Peter R*** das Sparbuch mit der Bezeichnung "1920", das "offensichtlich" ohne Wissen und Zustimmung der Maria F*** aus der Tasche entnommen worden war, ohne nähere Erklärung seiner Tochter und verwahrte es in der Folge in seinem Nachtkästchen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt dahin, daß Maria F*** Eigentümerin des Sparbuchs gewesen sei, weshalb es in ihren Nachlaß falle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Maria F*** habe dadurch, daß sie mit der Sparkasse den Sparvertrag abgeschlossen und hierüber das Sparbuch ausgefolgt erhalten habe, Besitz und Eigentum daran erworben. Die klagende Partei habe daher zumindest im Sinn des § 372 ABGB einen gültigen Titel und eine echte Art des Erwerbes des Besitzes an dem Sparbuch dargetan, während die beklagte Partei nicht habe nachweisen können, daß ihr Besitzrecht auf einem zumindestens gleichstarken Titel und einer ebensolchen Erwerbsart beruhe. Das Klagebegehren sei daher berechtigt.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und (die Rechtssache) zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs- oder das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die klagende Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 4 Z 2 ZPO zulässig. Das Berufungsgericht erkannte richtig, daß sich bei einem auf Herausgabe eines Sparbuchs gerichteten Klagebegehren der Wert des Streitgegenstandes im allgemeinen nach der Höhe der Spareinlage (einschließlich der Verzinsung) richtet (Fasching, Komm. I 353; ZBl. 1936/486; EvBl 1968/96; 1 Ob 521/82; aM 8 Ob 575/84; dieser Entscheidung ist jedoch aus den schon von Petrasch in ÖJZ 1985, 294 dargelegten Gründen nicht zu folgen). Es unterließ daher zutreffend Aussprüche gemäß § 500 Abs 2 ZPO über den Wert des Streitgegenstandes und gemäß § 500 Abs 3 ZPO über die Zulässigkeit der Revision.

Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Die Spareinlage begründet ein Forderungsrecht gegenüber der Kreditunternehmung. Sieht man vom Fall ab, daß der Einzahler im Namen eines anderen handelt, so wird derjenige Eigentümer der Spareinlage und der hierüber ausgegebenen Sparurkunde (vgl. § 18 KWG), der die Spareinlage leistet. Er erwirbt dieses Eigentum, wenn ihm die Sparurkunde übergeben wird.

Geht man von den Feststellungen des Erstgerichtes aus, so erwarb Maria F*** das Eigentum an dem strittigen Sparbuch. Es ist nicht hervorgekommen, daß sie bei der Leistung der Spareinlage im Namen Peter R*** handelte, und dies wurde von der beklagten Partei auch nicht behauptet. Die beklagte Partei will Rechte Peter R*** aus dem - vom Erstgericht nicht festgestellten - Umstand ableiten, daß diesem das für das strittige Sparbuch vereinbarte Losungswort bekannt gewesen sei. Die Kenntnis des Losungswortes würde es aber bloß ermöglichen, Verfügungen über die Spareinlage zu treffen (vgl. § 18 Abs 6 KWG), die auch für Rechnung des Eigentümers der Spareinlage geschehen könnten. Teilt der Eigentümer der Sparurkunde einem anderen das Losungswort mit, so bedeutet dies also, wenn nicht andere Umstände hinzukommen, noch nicht, daß der andere dadurch ein Recht oder auch nur einen Titel für ein Recht an der Spareinlage oder der Sparurkunde erwirbt.

Soweit die beklagte Partei in der Revision für ihren Standpunkt daraus etwas abzuleiten versucht, daß Peter R*** ebenfalls Besitzer des Sparbuchs gewesen sei, geht sie nicht von den Feststellungen des Erstgerichtes aus. Aus ihnen ergibt sich nämlich, daß Maria F*** das Sparbuch getrennt von den Sparbüchern Peter R*** an einem Ort verwahrte, der zur Aufbewahrung von in ihrem Eigentum stehenden Sachen bestimmt war, und daß daher nur sie den Besitz an dem Sparbuch ausübte. Ein Titel für den Erwerb des (Mit-)Besitzes durch Peter R*** ist im Verfahren nicht hervorgekommen und wurde von der beklagten Partei auch nicht behauptet.

Der klagenden Partei ist somit der Beweis gelungen, daß die Erblasserin, deren Rechte auf sie übergingen, Eigentümerin des strittigen Sparbuchs war. Die beklagte Partei konnte hingegen einen gültigen Grund dafür, daß sie das Sparbuch zu behalten berechtigt sei, nicht dartun, weshalb die Vorinstanzen dem Klagebegehren zu Recht stattgegeben haben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 41 und § 50 ZPO.

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