OGH 14Os81/88

OGH14Os81/8822.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Juni 1988 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hanglberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ronald S*** und andere Angeklagte wegen des Vergehens der NÖtigung nach § 105 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Manfred M*** und Gabriele M*** sowie über die Berufung des Angeklagten Ronald S*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16.November 1987, GZ 4 Vr 2339/86-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Gemäß § 285 i StPO (nF) werden die Akten zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Manfred M*** und Gabriele M*** die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem oben näher bezeichneten Urteil wurden der (nunmehr) 19jährige Ronald S***, der 33jährige Manfred M*** und dessen 26jährige Ehefrau Gabriele M*** (zu Punkt II des Urteilssatzes) des Vergehens der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB und (zu III) des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 StGB sowie Ronald S*** und Manfred M*** (zu I) des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und (zu IV) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben zwischen April 1986 und 10. Juni 1986 - zusammengefaßt wiedergegeben - (I.) Ronald S*** und Manfred M*** in bewußtem gemeinsamen Zusammenwirken als unmittelbare Täter die (21jährige) Gabriela F*** durch im Urteil näher bezeichnete Mißhandlungen und Drohungen zur Ausübung der Prostitution genötigt, (II.) Ronald S*** und die Eheleute M*** durch im einzelnen bezeichnete Handlungen - S*** und Manfred M*** unter anderem durch das zu Punkt I umschriebene Verhalten - und Worte die Gabriela F*** der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt, (III.) S*** und das Ehepaar M*** mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht der Gabriela F*** eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese ausgebeutet, indem ihr Gabriele M*** die Einnahmen aus der Prostitution abnahm und alle drei Angeklagten davon ihren Lebensunterhalt bestritten, sowie (IV.) Ronald S*** und Manfred M*** die Gabriela F*** durch Schläge, Tritte, Zubodenwerfen und Andrücken einer brennenden Zigarette vorsätzlich am Körper verletzt.

Die von den Angeklagten Manfred und Gabriele M*** dagegen aus der Z 5, von Gabriele M*** ferner aus der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden sind teils offenbar unbegründet, zum Teil entbehren sie einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Der Erwiderung auf die Mängelrügen (Z 5) der beiden Angeklagten ist voranzustellen, daß die im Urteil angeführten Beweismittel sowohl einzeln als auch in ihrem inneren Zusammenhange (§ 258 Abs. 2 StPO) denkmögliche Tatsachenschlüsse in Richtung des als erwiesen angenommenen Verhaltens der beiden Beschwerdeführer gestatteten, weshalb von einer unzureichenden Begründung nicht gesprochen werden kann.

Es haften dem Urteil aber auch die behaupteten Unvollständigkeiten der Begründung nicht an. Denn angesichts dessen, daß Gabriela F*** der Sache nach eingeräumt hatte, sich wiederholt allein vom Haus der Familie M*** entfernt zu haben (vgl etwa S 41, 43 und 45) und ihren Bekundungen jedenfalls eine ununterbrochene Beaufsichtigung außer Haus durch die Angeklagten oder einen von ihnen nicht zu entnehmen ist (vgl etwa S 285), konnte eine ausdrückliche Erörterung der Angaben der Zeugen Erika F***, Wolfgang W***, Alexander H***, Manfred T***

und Gisela T*** - die bekundet hatten, Gabriela F*** allein außerhalb des Hauses gesehen zu haben - im Hinblick auf die im § 270 Abs. 2 Z 5 StPO normierte gedrängte Begründungspflicht sanktionslos unterbleiben, wobei in Ansehung der Zeugen W***, H*** und T*** noch hinzutritt, daß diese ihre Beobachtungen zeitlich nicht einzugrenzen vermochten und demnach nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie zu einem Zeitpunkt erfolgten, als sich Gabriela F*** noch freiwillig bei ihrem Freund Ronald S*** aufhielt. Bezüglich des Inhaltes der Aussagen des Gendarmeriebeamten D*** steht letzteres sogar außer Zweifel; ist doch dem von ihm verfertigten Aktenvermerk (vgl S 53 f) zu entnehmen, daß seine (in der Beschwerde des Angeklagten M*** relevierte) Intervention im Hause M*** Ende März 1986, also vor Beginn des Tatzeitraumes, erfolgte.

Rechtliche Beurteilung

Einer argumentativen Einlassung unzugänglich ist die Behauptung des Angeklagten M***, zwischen dem Gutachten des Schriftsachverständigen und den Urteilsgründen bestehe ein Widerspruch, weil darin dieses Gutachten zur Bekräftigung des Schuldspruches zitiert werde; wird doch im Urteil keineswegs als erwiesen angenommen, daß Gabriela F*** die Eintragungen in ihrem Notizbuch unter Zwang verfaßt habe, sondern ausdrücklich festgestellt, daß sie ab April 1986 mit ihren Eintragungen Ronald S*** gegenüber zum Ausdruck bringen wollte, daß es ihr im Hause M*** gefalle, um ihn solcherart in Sicherheit zu wiegen und nicht an ihre (in Wahrheit beabsichtigte) Flucht denken zu lassen (vgl US 8). Wenn der Angeklagte M*** eine weitere "Widersprüchlichkeit" darin zu erblicken vermeint, daß das Schöffengericht der Zeugin F*** teils Glauben schenkte, ihr in anderen Punkten aber Glaubwürdigkeit absprach, genügt es ihm zu erwidern, daß das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung keineswegs verbunden ist, die Aussage einer Person entweder voll und gänzlich zur Feststellung zu erheben oder sie gänzlich abzulehnen (vgl Mayerhofer-Rieder, StPO2, § 258 Nr 89).

Dem weiteren Einwand des Manfred M*** schließlich, die gegebenen Beweismittel ließen keine zwingenden Schlüsse auf seine Täterschaft zu und der Behauptung der Gabriele M***, im vorliegenden Verfahren sei das grundlegende Prinzip "in dubio pro reo" mißachtet worden, weil die Angaben der Zeugin F*** höchst zweifelhaft seien, ist zu antworten, daß einerseits die Tatsacheninstanz keineswegs gehalten ist, sich bei mehreren Würdigungsvarianten für die dem Angeklagten günstigere zu entscheiden und daß die behauptete Verletzung des Zweifelsgrundsatzes dann eine unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung darstellt, wenn - wie hier - die gegebenen Indizien einen logischen Schluß auf die Täterschaft des Angeklagten zulassen (vgl Mayerhofer-Rieder aaO Nr 42 und 43).

Zur Gänze nicht gesetzmäßig ausgeführt ist die Rechtsrüge (Z 10) der Angeklagten Gabriele M***. Indem sie nämlich darin behauptet, Gabriela F*** sei "offenbar selbst bereit" gewesen, dem Gewerbe einer Prostituierten nachzugehen, weshalb von einem Zuführen nicht gesprochen werden könne, sie - die Angeklagte - habe ferner nicht mit dem Vorsatz gehandelt, die gesamte Lebensführung der Gabriela F*** in die einer Prostituierten umzugestalten, weil das bloße Herstellen von Kontakten potentieller Kunden hiefür nicht ausreiche, und es seien schließlich keine Anhaltspunkte dafür zu finden, daß es der Beschwerdeführerin um die vorsätzliche Schaffung einer fortlaufenden Einnahmequelle gegangen wäre, setzt sie sich über die konträren tatrichterlichen Konstatierungen hinweg, wonach Gabriela F*** von sich aus nicht gewillt war, der Prostitution nachzugehen (vgl US 5 und 6), sondern erst durch die im Urteil im einzelnen angeführten Handlungen der Angeklagten dazu gebracht wurde, die gewerbsmäßige Unzucht auszuüben (vgl abermals US 5, 6 sowie US 9), in welchem Zusammenhang die Beschwerde übrigens ihre Behauptung, die Angeklagte M*** habe nicht den Vorsatz gehabt, die gesamte Lebensführung der Gabriele F*** in die einer Prostituierten umzugestalten, in keiner Weise substantiiert und sich damit einer sachbezogenen Erörterung entzieht. Nur der Vollständigkeit halber sei hiezu darauf verwiesen, daß Gabriela F*** nach ihrer "Einschulung" von den Angeklagten faktisch außerstandgesetzt worden war, einem anderen Erwerb nachzugehen (US 5 f.). Ähnliches gilt für die Beschwerdebehauptung, Gabriela F*** sei nicht ausgenützt worden, weil ihr Unterkunft und Nahrung gewährt worden seien. Mangelt es doch auch insoweit an der für eine argumentative Erwiderung unumgänglichen Konkretisierung des Vorbringens und wird der Sache nach übergangen, daß Gabriela F*** nach den Urteilsannahmen ihre gesamten Einkünfte sogleich an die Beschwerdeführerin abliefern mußte und daß der Schandlohn von sämtlichen Angeklagten zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes verwendet wurde (US 9).

Nach dem Gesagten waren mithin die Nichtigkeitsbeschwerden teils als offenbar unbegründet nach § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die übrigen Entscheidungen fußen auf den bezogenen Gesetzesstellen.

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