OGH 7Ob593/88

OGH7Ob593/8816.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Vormundschaftssache der mj. Christine M***, geboren am 13.November 1980, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller 1.) Dr. Heinz Hans M***, Vorstandsdirektor, und 2.) Mag. Dr. Bibiane M***, Hausfrau, beide Klagenfurt Sterneckstraße 105, vertreten durch Dr. Julius Jeannee u. a., Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 8.April 1988, GZ 1 R 64/88-88, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 7. Dezember 1987, GZ 2 P 7/87-82, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die am 13.11.1980 geborene Christine M*** ist die außereheliche Tochter der Dr. Bibiane M*** und des Dr. Hubertus H***. Die Eltern hatten eine jahrelange Verbindung zueinander, wobei insbesondere zwischen dem Vater und dem Kind ein intensiver Kontakt bestand. Dieser Kontakt wurde nach der Eheschließung des Dr. Hubertus H*** am 10.8.1985 schwächer. Die Mutter heiratete am 30.7.1983 Dr. Heinz Hans M***, der dem Kind seinen Familiennamen gegeben hat. Seit 15.5.1986 ist die Mutter Vormund des Kindes.

Die Vorinstanzen haben übereinstimmend den Antrag des Dr. Heinz Hans M*** und der Dr. Bibiane M*** auf Bewilligung der Adoption des Kindes durch Dr. Heinz Hans M*** abgewiesen. Sie haben hiebei eingehende Feststellungen getroffen, die im wesentlichen darauf hinausliefen, daß das Kind derzeit in der Familie seiner Mutter heranwächst und zwischen ihm und Dr. Heinz Hans M*** Beziehungen wie zwischen Vater und Kind bestehen. Sowohl in finanzieller als auch in persönlicher Hinsicht entspricht die Integration in die Familie des Stiefvaters dem Wohl des Kindes. Allerdings muß im Hinblick auf die seinerzeitigen sehr engen Beziehungen zwischen dem Kind und seinem leiblichen Vater in Zukunft damit gerechnet werden, daß die mit einer Adoption verbundene Unterbrechung dieses Kontaktes sowie eine Verdrängung des Bewußtseins der leiblichen Abstammung durch das Kind dessen Wohl abträglich sein werde.

In rechtlicher Hinsicht führten die Vorinstanzen aus, die erste Voraussetzung des § 180 a Abs 1 ABGB, nämlich das Bestehen entsprechender Beziehungen zwischen dem Annehmenden und dem Kind, sei erfüllt. Die Adoption sei jedoch nur unter der weiteren Voraussetzung, daß sie dem Wohl des Kindes diene, zu bewilligen. Dies müsse hier im Hinblick auf die zu erwartenden Folgen einer allfälligen Verdrängung des Bewußtseins betreffend den leiblichen Vater durch das Kind verneint werden.

Rechtliche Beurteilung

Da im vorliegenden Fall übereinstimmende Entscheidungen der Vorinstanzen vorliegen, wäre gemäß § 16 AußStrG ein weiteres Rechtsmittel nur wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit oder offenbaren Gesetzwidrigkeit zulässig. Eine Aktenwidrigkeit oder eine Nichtigkeit macht der Revisionsrekurs des Dr. Heinz Hans M*** und der Dr. Bibiane M*** nicht geltend.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird (JBl 1975, 547, NZ 1973, 77 u.a.). Eine offenbare Gesetzwidrigkeit kann schon begrifflich nicht vorliegen, wenn es sich um eine Ermessensentscheidung handelt (NZ 1982, 142, SZ 49/76 u.a.). Zwar begründet ein Verstoß gegen die Grundprinzipien des Rechtes, zu denen auch die Beachtung des Wohles des Kindes im Vormundschaftsverfahren gehört, eine offenbare Gesetzwidrigkeit. Hat sich jedoch das Gericht mit dem Wohl des Kindes entsprechend auseinandergesetzt, so kann das Ergebnis dieser Auseinandersetzung keine offenbare Gesetzwidrigkeit begründen, weil es sich bei dem Ergebnis dieser Überprüfung lediglich um einen Akt des pflichtgemäßen richterlichen Ermessens handelt.

Die Rekurswerber erblicken eine offenbare Gesetzwidrigkeit darin, daß die Vorinstanzen nicht die Rechtsansicht vertreten haben, bei einem außerehelichen Kind sei die Annahme an Kindesstatt auch gegen den Einspruch des Vaters schon dann zu bewilligen, wenn die vom Gesetz geforderte entsprechende Beziehung zwischen dem Annehmenden und dem Kind besteht oder hergestellt werden soll. Hiebei übersehen die Rekurswerber jedoch den zweiten Satz des § 180 a Abs 1 ABGB, demzufolge die Adoption dem Wohl des nicht eigenberechtigten Wahlkindes dienen muß. "Dem Wohle dienen" muß in dieser Bestimmung dahin verstanden werden, daß durch die Adoption eine merklich bessere Entwicklung des Kindes zu erwarten ist. Bei gleichbleibenden Entwicklungschancen ist der bisherige Zustand beizubehalten (EFSlg. 48.468). Etwas Gegenteiliges hat auch die Entscheidung JBl 1987, 39 nicht gesagt. Der in ihrem Leitsatz enthaltene Satz "Die Adoption ist daher gegen seinen (außerehelicher Vater) Willen zu bewilligen, wenn das Kind im Familienverband der Mutter und des Wahlvaters gedeihlich heranwächst", kommt in dieser Form in der Entscheidung selbst nicht vor. Seine absolute Aussage widerspricht sogar dem Inhalt der Entscheidung, die eindeutig auf die Umstände des konkreten Falles abstellt. Der Unterschied des dortigen Falles zu dem hier vorliegenden besteht darin, daß dort das Kind seit seiner Geburt lediglich im Familienverband des Wahlvaters herangewachsen ist, während hier Jahre hindurch enge Beziehungen zum leiblichen Vater bestanden, die weit älter sind als die Beziehungen zum Stiefvater. Während man also in dem der erwähnten Entscheidung zugrunde gelegenen Fall davon ausgehen konnte, daß das Kind keinerlei Erinnerung an seinen leiblichen Vater hatte, muß dies hier ausgeschlossen werden. Es ist aber nicht absurd, anzunehmen, daß diese Erinnerungen bei der Beurteilung des Wohles des Kindes von wesentlicher Bedeutung sind. Es zeigt sich also, daß die von den Rekurswerbern vertretene Rechtsansicht nicht nur nicht eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes abzuleiten ist, sondern daß sie auch nicht der Judikatur entspricht. In der Entscheidung des Rekursgerichtes, das sich eingehend mit dem Wohl des Kindes auseinandergesetzt hat, kann demnach eine offenbare Gesetzwidrigkeit nicht erblickt werden. Der Revisionsrekurs war also zurückzuweisen.

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