OGH 1Ob594/88

OGH1Ob594/8815.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Franz Rudolf M***, Privater, Wien 9., Porzellangasse 43/22, vertreten durch Dr. Gerd Hartung und Dr. Hildegard Hartung, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Karl Z***, Pensionist, und

2.) Hedwig Z***, Pensionistin, beide Wien 7.,

Neubaugasse 47/6, beide vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 14. Jänner 1988, GZ 41 R 592/87-15, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 17. Juli 1987, GZ 47 C 249/86-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 2.657,16 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 241,56 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer des Hauses Wien 7., Neubaugasse 47, in dem die Beklagten die Wohnung Nr. 6 gemietet haben. Im Rechtsstreit 47 C 41/86 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, in welchem über eine auf die Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 Z 14 und 15 MRG gestützte Aufkündigung dieser Wohnung durch den Kläger zu befinden ist, wurde bereits mit rechtskräftigem Zwischenurteil ausgesprochen, daß die Kündigungsgründe - vorbehaltlich der Ersatzbeschaffung - gegeben sind.

Der Kläger kündigte den Beklagten die von ihnen gemietete Wohnung zuletzt nur noch aus dem Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 6 MRG, weil sie nunmehr in Wien 7., Neustiftgasse 66/3/4/14, wohnten und die aufgekündigte Wohnung nicht mehr regelmäßig verwendeten.

Die Beklagten erhoben Einwendungen und bestritten darin die Behauptungen des Klägers.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung als wirksam und trug den Beklagten die Räumung der Wohnung auf. Es stellte fest, das Haus des Klägers sei ein "Abbruchhaus", in welchem nur mehr drei Mietobjekte - darunter die aufgekündigte Wohnung - benützt würden. Seit dem Frühjahr 1985 sei in diesem Haus die Gas- und Wasserentnahme in den einzelnen Mietobjekten nicht mehr möglich, weshalb gegen den Kläger Verfahren gemäß § 6 Abs. 1 und 2 MRG anhängig seien. Der Erstbeklagte habe aus gesundheitlichen Rücksichten, weil die Wohnung im Winter - selbst durch Heizradiatoren - nicht ausreichend beheizt werden könne, im Sommer 1985 in Wien 6., Gfrornergasse 3, eine Genossenschaftswohnung erworben und wohne seit Herbst 1985 ständig in dieser. Auch die Zweitbeklagte habe den größten Teil ihrer Fahrnisse in dieser Wohnung untergebracht, einen Teil jedoch in der aufgekündigten Wohnung belassen. Während der kalten Jahreszeit könne sie die aufgekündigte Wohnung, obwohl sie sich lieber dort aufhalte, wegen der mangelnden Beheizbarkeit nicht bewohnen; sie benütze deshalb diese Wohnung nur während der warmen Jahreszeit, koche dann dort gelegentlich, halte sich zum Lesen und zum Nähen in der Wohnung auf und nächtige auch fallweise dort. Während der warmen Jahreszeit halte sich die Zweitbeklagte ungefähr zu gleichen Teilen in dieser Wohnung, in der Wohnung in der Gfrornergasse und in der Wohnung ihrer Tochter in der Neustiftgasse 66 auf. Sie pendle dann ständig zwischen diesen drei Wohnungen. In der Wohnung des Erstbeklagten müsse sich die Zweitbeklagte insbesondere auch deshalb aufhalten, weil jener ihrer Pflege bedürfe. Auch der Erstbeklagte halte sich gelegentlich noch in der aufgekündigten Wohnung auf. Dieser habe jedoch seinen ordentlichen Wohnsitz in seiner Genossenschaftswohnung; auch die Zweitbeklagte habe den Schwerpunkt ihrer Lebenshaltung wegen der Mängel der aufgekündigten Wohnung in die Wohnungen des Erstbeklagten und ihrer Tochter verlegt. Da im Haus des Klägers kein Hausbesorger mehr bestellt sei, teile sich die Zweitbeklagte mit einem anderen Mieter in die einem solchen zufallenden Arbeiten.

Rechtlich meinte das Erstgericht, der Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 6 MRG sei gegeben, weil der Erstbeklagte in eine andere Wohnung übersiedelt sei und auch die Zweitbeklagte sich nur mehr unregelmäßig in der aufgekündigten Wohnung aufhalte. Deren dringendes Wohnbedürfnis sei zu verneinen, weil sie der Erstbeklagte in seine Wohnung aufzunehmen verpflichtet sei. Sie sei auf das in einem Abbruchhaus gelegene Bestandobjekt, das seit 1985 über keine Gas- und Wasserentnahmemöglichkeit verfüge, nicht angewiesen, sondern wolle bloß den Erhalt einer Ablösesumme im Sinne des § 32 Abs. 3 MRG abwarten.

Das Berufungsgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zwar S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und die Revision zulässig sei. Wenn auch nicht stets die Unbrauchbarkeit des Mietobjektes den geltend gemachten Kündigungsgrund ausschließe, weil es dem Mieter sonst freistünde, durch Inangriffnahme, aber zögernde Weiterführung von Instandhaltungsarbeiten den Zustand der Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes beliebig lang aufrechtzuerhalten, ohne der Gefahr einer Aufkündigung ausgesetzt zu sein, so treffe dies doch dann zu, wenn die Unbrauchbarkeit vom Vermieter zu vertreten sei. Da das Haus ein Abbruchobjekt sei, seit dem Frühjahr 1985 im Haus kein Gas mehr entnommen werden könne, Wasser aus dem Keller geholt werden müsse, gegen den Kläger deshalb ein Verfahren nach § 6 Abs. 1 und 2 MRG anhängig und die aufgekündigte Wohnung nicht beheizbar sei, müsse sie zumindest in den Wintermonaten als objektiv gesundheitsschädlich und damit als unbrauchbar beurteilt werden. Solange der Vermieter der ihm obliegenden Instandsetzung der Wohnung oder des Hauses nicht nachkomme und die durch die objektive Gesundheitsschädlichkeit bewirkte Unbenützbarkeit der Wohnung andauere, könne er die infolge dieser Mängel unterlassene Benützung der Wohnung durch den Mieter nicht zum Anlaß einer Aufkündigung nach § 30 Abs. 2 Z 6 MRG nehmen. Solange der Mieter die aufgekündigte Wohnung nur wegen der von ihm nicht zu vertretenden Unbenützbarkeit nicht regelmäßig benütze, könne ihm ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses nicht abgesprochen werden, weil nicht nur die im § 30 Abs. 2 Z 6 MRG angeführten Abwesenheitsgründe, sondern auch die Abwesenheit aus anderen zwingenden Gründen den Kündigungstatbestand aufhebe. Wenn auch die vom Erstgericht angenommene Art der Benützung der Wohnung durch die Zweitbeklagte während der warmen Jahreszeit das Mietobjekt nicht zum wirtschaftlichen und familiären Mittelpunkt werden lasse und eine "regelmäßige Benützung zu Wohnzwecken" daher zu verneinen sei, so müsse dem Mieter angesichts der vom Vermieter zu vertretenden, offenbar wegen seiner Abbruchsabsicht bewußt nicht beseitigten, jahrelang erschwerten Benützbarkeit des Bestandobjektes selbst bei mangelnder Gesundheitsschädlichkeit ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses zugebilligt werden. Die Aufkündigung sei daher aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen dieses Urteil erhobene Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Beklagten berufen sich zur Rechtfertigung ihrer weitgehenden Abwesenheit von der aufgekündigten Wohnung auf deren mangelnde Benützbarkeit, vor allem während der kalten Jahreszeit. Die Vorinstanzen haben auch festgestellt, daß das Haus abgebrochen werden soll, schon seit dem Frühjahr 1985 kein Gas mehr und auch Wasser nur im Keller entnommen werden kann, gegen den Kläger deshalb ein Verfahren zur Erwirkung von Erhaltungsarbeiten gemäß § 6 Abs. 1 und 2 MRG anhängig ist und die aufgekündigte Wohnung im Winter auch mittels Heizradiatoren nicht erwärmt werden kann. Es kann daher nicht zweifelhaft sein, daß die Wohnung - gerade während der kalten Jahreszeit - auch objektiv unbrauchbar ist, so daß die Beklagten als ältere Leute schon aus gesundheitlichen Rücksichten genötigt waren, sich um eine anderweitige Unterkunft umzusehen.

Soweit der Mieter durch vertragswidriges Verhalten des Vermieters, der nach § 3 MRG dafür zu sorgen hat, daß das Haus, die Mietgegenstände und die der gemeinsamen Benützung des Hauses dienenden Anlagen in jeweils ortsüblichem Standard erhalten werden, und darüber hinaus gemäß § 1096 ABGB ganz allgemein verpflichtet ist, den Bestandgegenstand auf eigene Kosten in brauchbarem Zustand zu erhalten, gezwungen wird, eine andere Unterkunft anzuschaffen, kann ihm das dringende Wohnbedürfnis nicht abgesprochen werden (vgl. Würth in Rummel, ABGB § 30 MRG Rz 31). Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof auch zum Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z 13 MG, der wörtlich als § 30 Abs. 2 Z 6 in das MRG übernommen wurde, ausgesprochen, daß der Vermieter nicht zur Aufkündigung berechtigt ist, wenn der Mieter die Wohnung nur wegen des außerordentlich schlechten Bauzustandes und damit unfreiwillig verlassen hat (MietSlg. 31.424 u.a.) bzw. während Reparaturarbeiten, die ihm das Wohnen verleiden, eine Ausweichwohnung bezieht

(MietSlg. 16.464 u.a.).

Aber auch wenn dem Vermieter - was der Kläger in der Revision ins Treffen führt - weitere Erhaltungsarbeiten angesichts der Abbruchreife des Miethauses nicht mehr zugemutet werden könnten, bliebe ihm der Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 6 MRG verwehrt. Auch wenn das Miethaus abbruchreif sein sollte, wofür immerhin die Ergebnisse des Rechtsstreits 47 C 41/86 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien sprechen, so war doch die unterlassene regelmäße Verwendung der aufgekündigten Wohnung durch die Beklagten - auf die der Kläger letztlich allein seine Aufkündigung stützt - nach den vorinstanzlichen Feststellungen ausschließlich auf die nicht von ihnen zu vertretende Unbrauchbarkeit des Bestandgegenstandes zurückzuführen. In solchen Fällen stehen dem Vermieter - wovon der Kläger ohnehin Gebrauch gemacht hat - zwar die Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 Z 14 bzw. 15 MRG zu Gebote, die aber Ersatzbeschaffung einschließen, nicht hingegen auch der ohne Ersatzbeschaffung durchsetzbare Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 6 MRG. Dies folgt schon aus der Erwägung, daß der Vermieter andernfalls durch Unterlassung der erforderlichen Erhaltungsarbeiten und gegebenenfalls durch Hinauszögerung von Verfahren nach § 6 MRG die gerade für den Fall der Abbruchreife vorgesehene Verpflichtung zur Ersatzbeschaffung (bzw. gemäß § 32 Abs. 3 MRG zur angemessenen Entschädigung) zum Nachteil des Mieters, der die Wohnung zwar nur unfreiwillig verläßt, umgehen könnte; er würde dann um seine Ansprüche bei Aufkündigung wegen Abbruchreife gebracht weden. Da ein solches Verfahrensergebnis mit den Zielsetzungen des Mietrechtsgesetzes nicht im Einklang stünde, muß der Kläger mit Rücksicht auf die wegen Abbruchreife unterlassenen Erhaltungsarbeiten im vorliegenden Fall auf die von ihm ohnehin bereits im Verfahren 47 C 41/86 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien geltend gemachten Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 Z 14 und 15 MRG verwiesen werden.

Da das Gericht zweiter Instanz die Aufkündigung im Ergebnis zu Recht aufgehoben hat, ist der Revision des Klägers ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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