OGH 10ObS129/88

OGH10ObS129/8814.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Trabauer (AG) und Dr. Rudolf Pokorny (AG) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hermine O***, Gumpendorferstraße 47/5, 1060 Wien, vertreten durch Dr. Manfred Lampelmayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** DER G***

W***, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1050 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Erwerbsunfähigkeitspenison, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. Dezember 1987, GZ 31 Rs 234/87-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 29. Juli 1987, GZ 9 Cgs 596/86-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 15. Oktober 1986 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension ab.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Es stellte fest, daß die am 26. September 1933 geborene Klägerin noch leichte und mittelschwere Arbeiten in der normalen Arbeitszeit mit den üblichen Pausen verrichten kann. Sie ist unterweisbar und kann eingeordnet werden. Die Fingerfertigkeit ist erhalten, das Zurücklegen der Arbeitswege gewährleistet. Durch die Beschwerden in den Kniekehlen und in der rechten Hüfte ist ein dauerndes Arbeiten im Stehen und an ausgesetzten Arbeitsstellen nicht möglich. Die Klägerin hat in der Zeit vom 1. April 1967 bis 28. Februar 1978 selbständig einen Gastgewerbebetrieb geführt, wobei sie lediglich in der Saison drei bis vier Dienstkräfte aufgenommen hat.

Die Klägerin sei auf Grund ihres eingeschränkten Gesundheitszustandes zwar nicht mehr in der Lage, ein Gasthaus im Alleinbetrieb zu führen, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien jedoch noch genügend Verweisungsberufe gegeben, wie Etikettiererin, Tankwartin, Ausfertigerin in der Bekleidungsindustrie oder Lagerarbeiterin in der Leichtindustrie. Die Klägerin sei daher nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 133 Abs 1 GSVG.

Das Berufungsgericht gab der wegen mangelhafter Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin keine Folge.

Bei der Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit nach § 133 Abs 1 GSVG sei zu prüfen, ob der Anspruchswerber trotz Krankheit, Gebrechen oder sonstiger Schwäche noch fähig sei, sich auf dem Gebiet des wirtschaftlichen Lebens einen Erwerb zu verschaffen. Dabei sei ausgehend von den Kenntnissen und körperlichen Fähigkeiten jede regelmäßige Erwerbstätigkeit auf dem gesamten Arbeitsmarkt einzubeziehen und nicht auf die spezielle bisher ausgeübte Tätigkeit abzustellen. Da es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine ganze Reihe von Verweisungstätigkeiten gebe, sei die Klägerin nicht erwerbsunfähig.

In ihrer wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision bekämpft die Klägerin die Rechtsansicht der Vorinstanzen, sie könne auf dem gesamten Arbeitsmarkt und nicht nur auf Tätigkeiten, die eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten erforderten, verwiesen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin übersieht, daß der Begriff der dauernden Erwerbsunfähigkeit im Bereich der Selbständigenpensionsversicherung (§ 133 GSVG) in sich, ähnlich wie die Invalidität, zwei verschiedene Begriffsinhalte vereinigt, deren Anwendbarkeit jeweils an das Lebensalter des Versicherten und an den Umfang seines Betriebes geknüpft ist. Nur ein Versicherter, der das 55. Lebensjahr vollendet hat und dessen persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war, gilt nach § 133 Abs 2 GSVG als erwerbsunfähig, wenn er infolge von Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen Kräfte dauernd außer Stande ist, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeiten erfordert, die der Versicherte zuletzt durch mehr als 60 Kalendermonate ausgeübt hat. Ein Versicherter, der diese besonderen Voraussetzungen nicht erfüllt - und dies trifft für die Klägerin, die das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hat zu - gilt im Sinne des Abs 1 leg. cit. als erwerbsunfähig, wenn er infolge Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außer Stande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen. Im allgemeinen sind die Voraussetzungen also strenger als im ASVG, da es keinen Berufsschutz gibt und nur die gänzliche Unfähigkeit, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, zur Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension führen kann. Die Verweisbarkeit erstreckt sich auf den gesamten Arbeitsmarkt, auf alle selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeiten. Maßgeblich ist nur, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Berufe gibt, die der Versicherte auf Grund seiner noch vorhandenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten zumutbar ausüben kann (Teschner in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes, 370; Tomandl Grundriß3 Rz 69). Soweit die Revisionswerberin aus § 133 Abs 3 GSVG einen Berufsschutz für alle nach dem GSVG versicherten Selbständigen ableiten will, ist ihr entgegenzuhalten, daß diese Bestimmung ausdrücklich auf Absatz 2 des § 133 GSVG und nicht, wie in der Revision behauptet, auf dessen Absatz 1 Bezug nimmt, also nur in Fällen einer Rehabilitation, die dem behinderten Versicherten die Ausbildung für eine neue Berufstätigkeit eröffnet, weil dieser nicht mehr in der Lage ist, seine ursprüngliche Tätigkeit auszuüben, den Berufsschutz des Absatz 2 unter Festlegung einer kürzeren Ausübungsfrist auf jene Berufe überträgt, zu denen die Rehabilitation befähigt hat (vgl. Linseder-Teschner GSVG, 341). Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Kosten wurden in der Revision ziffernmäßig nicht verzeichnet.

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