Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat dem Beklagten die mit S 1.812,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 164,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Alleineigentümer des Hauses Wien 12, Tivoligasse 40. Er kündigte dem Beklagten die in diesem Haus gelegene und vom Beklagten gemietete Wohnung Nr. 3 zum 30. April 1983 mit der Begründung auf, der Beklagte verwende die lediglich für Wohnzwecke gewidmete Wohnung durch seinen Untermieter vereinbarungswidrig für Geschäftszwecke, wobei dies offenbar zur Erzielung eines höheren Mietzinses geschehe. Die Hinweise des Klägers auf die vereinbarungs- und widmungswidrige Verwendung seien erfolglos geblieben. Der Beklagte habe auch keinen dringenden Wohnbedarf an der gekündigten Wohnung.
In seinen auf Aufhebung der Kündigung gerichteten Einwendungen führte der Beklagte aus, die gegenständliche Wohnung sei ihm von seinen Eltern im Jahre 1982 durch schriftlichen Bestandvertrag mit dem Rechte der Weitergabe in Untermiete und beliebige Nutzung vermietet worden. Von diesem Recht habe er bereits im Jahre 1982 durch Weitervermietung des Bestandobjektes an Walter S*** Gebrauch gemacht. Dieser übe dort die Tätigkeit eines Buchhalters aus und zwar auch für die Firma, bei der der Beklagte Geschäftsführer sei; S*** nütze die Bestandräumlichkeiten im übrigen zu Wohnzwecken.
Das Erstgericht hob die Kündigung auf und wies das Räumungsbegehren des Klägers ab. In seiner Entscheidungsbegründung ging es von folgendem Sachverhalt aus: Das Haus Wien 12, Tivoligasse 40, stand bis Februar 1983 im Eigentum der geschiedenen Eltern der Streitteile, seither steht es im Alleineigentum des Klägers. Die Eltern hatten im Hause freiwerdende Wohnungen jeweils den Streitteilen zukommen lassen, wobei Mietverhältnisse in Form eines nahezu unbeschränkten Nutzungsrechtes der Söhne begründet wurden. Beabsichtigt war dabei grundsätzlich, den Söhnen einerseits jederzeit verfügbare Wohnmöglichkeiten im Hause zu verschaffen, andererseits, ihnen auch weitestgehende finanzielle Verwertungsmöglichkeiten an den Wohnungen zu gestatten. Im Sinne derartiger Weisungen wurden die schriftlichen Mietverträge von der Hausverwaltung verfaßt und dabei generell folgende Klausel aufgenommen: "Den Bestandnehmern wird ausdrücklich gestattet, das Mietobjekt in Untermiete weiterzugeben ohne vorherige Zustimmung des Hauseigentümers. Ebenso wird den Bestandnehmern ein unbegrenztes Weitergaberecht für das Mietobjekt zugesagt." Da sich die Bestandverhältnisse baukonsensmäßig immer auf Wohnungen bezogen, wurden Mietvertragsformulare jeweils dahingehend ausgefüllt, daß der Mietgegenstand nur zu Wohnzwecken verwendet werden dürfe. Die Frage, ob eine Verwertung auch für Geschäftszwecke erlaubt sei, stand nie zur Diskussion und wurde von keinem Vertragspartner ausdrücklich bedacht. Hätte sich diese Frage ergeben, so wäre von den Eltern den Söhnen auch die Verwendung zu Geschäftszwecken zugestanden worden. Zwischen dem Beklagten und seinen Eltern wurden solcherart in den Jahren 1980 bis 1982 schriftliche Mietverträge über die Wohnungen Nr. 3, 4 und 5 des Hauses Tivoligasse 40 abgeschlossen, mit dem Kläger waren solche schon früher betreffend die Wohnungen Nr. 6 und 7 geschlossen worden. Der Beklagte stellte die Wohnung Nr. 3 im Jahre 1982 dem Walter S*** zur Verfügung, der zweitweise für jene Firma, bei der der Beklagte Geschäftsführer ist, unentgeltlich Buchhaltungsarbeiten verrichtete. Walter S*** übte in den Jahren 1982 bis 1986 in dieser Wohnung seine buchhalterische Tätigkeit aus. Es ist nicht feststellbar, daß er dem Beklagten für diese Benützung der Wohnung ein Entgelt leistete. Bereits vor der Übertragung des Eigentums am Haus an den Kläger war sowohl diesem als auch der Mutter der Streitteile die geschäftliche Benützung der Wohnung Nr. 3 durch Walter S*** bekannt. Im Jahre 1983 begehrte der Kläger vom Beklagten wegen Benützung der Wohnung für Geschäftszwecke die Zahlung eines höheren Mietzinses, doch lehnte der Beklagte diese Forderung ab.
In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Erstgericht auf die ausdrückliche vertragliche Einräumung eines Weitergaberechtes hinsichtlich des Bestandobjektes und damit den Verzicht des Vermieters auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes der Nichtbenützung zu eigenen Wohnzwecken. Mit der Geltendmachung einer vertragswidrigen Ausübung geschäftlicher Tätigkeit werde ein nicht im § 30 Abs 2 MRG genannter Kündigungsgrund und damit ein Tatbestand geltend gemacht, der allenfalls der Generalklausel des § 30 Abs 1 MRG zu unterstellen sei. Die widmungswidrige Verwendung einer Wohnung für Geschäftszwecke könne jedoch nur dann als Kündigungsgrund gewertet werden, wenn hiedurch so wichtige Interessen des Vermieters verletzt würden, daß eine Existenzgefährdung vorliege. Von einem solchen Fall könne hier nicht die Rede sein. Davon abgesehen sei hier durch die seinerzeitigen Vermieter die Verwendung des Bestandobjektes ohnehin auch für geschäftliche Zwecke gestattet worden; eine vereinbarungswidrige Untervermietung käme daher nicht in Betracht.
Das Berufungsgericht erklärte, die erstgerichtliche Feststellung, eine Nutzung der Bestandräumlichkeiten auch zu geschäftlichen Zwecken wäre von den Eltern der Streitteile im Falle der Erörterung dieser Frage gestattet worden, nicht zu übernehmen und hielt diese Feststellung im übrigen für unerheblich. Rechtlich trat es der - vom Berufungswerber nicht bekämpften - Ansicht des Erstgerichtes bei, daß auf Grund der getroffenen Vereinbarungen jedenfalls ein Verzicht auf den Kündigungsgrund der Nichtbenützung der Wohnung für eigene Wohnzwecke vorliege. Weiters, daß die Verwendung einer Wohnung zu Geschäftszwecken von einem Spezialtatbestand des § 30 Abs 2 MRG nicht erfaßt sei. Eine derartige vertragswidrige Benützung könne daher nur dem Generaltatbestand des § 30 Abs 1 MRG unterstellt werden. Zwar sei in der Entscheidung ImmZtg 1956, 326 unter den dort gegebenen Verhältnissen ein Kündigungsgrund nach § 19 Abs 1 MG angenommen worden. Auch nach dieser Entscheidung stelle jedoch nicht jeder Verstoß des Mieters gegen eine mietvertragliche Verpflichtung schon den Kündigungsgrund nach § 19 Abs 1 MG bzw. nunmehr des § 30 Abs 1 MRG her. Die Vertragsverletzung müsse vielmehr an Gewicht einem der Spezialtatbestände des § 30 Abs 2 MRG gleichkommen und daher wichtige Interessen des Vermieters beeinträchtigen. Diese Beeinträchtigung müsse in ihrem Gewicht einer Existenzgefährdung entsprechen. Vorliegendenfalls habe der Kläger selbst bei seiner Einvernahme (ON 12, AS 95) eine derart gravierende Beeinträchtigung seiner Interessen durch die geschäftliche Tätigkeit des Untermieters verneint. Davon abgesehen fehle es in der Aufkündigung an der nach der Rechtsprechung diesbezüglich erforderlichen Individualisierung. Damit erweise sich die Berufung des Klägers als nicht gerechtfertigt. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, den Betrag von S 60.000,-, nicht aber von S 300.000,- übersteigt und daß die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.
Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt der Kläger eine auf die Anfechtungsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne des Ausspruches, daß die Aufkündigung rechtswirksam und der Beklagte zur Räumung des Bestandobjektes verpflichtet sei. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Zum Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens trifft der Revisionswerber keinerlei Ausführungen. Soweit er in der Revision Feststellungsmängel behauptet, ist hierauf bei Behandlung der Rechtsrüge einzugehen. Der Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO liegt somit nicht vor. In den der Rechtsrüge zuzuzählenden Ausführungen bemängelt der Revisionswerber die Unterlassung der auf die Einwendungen des Prozeßgegners zu stützenden Feststellung der Höhe des von Walter S*** bezahlten Mietzinses bzw. der von diesem getätigten Investitionen. Er verweist dabei darauf, daß er als Vermieter zur Aufkündigung berechtigt sei, wenn der Mieter das Mietobjekt einem Dritten gegen eine im Vergleich zum Mietzins unverhältnismäßig hohe Gegenleistung überlasse. Die von den Vorinstanzen zitierte Entscheidung MietSlg. 36.386, wonach eine widmungswidrige Verwendung einer Wohnung für Geschäftszwecke nur bei Verletzung wichtiger Interessen des Vermieters einen Kündigungsgrund darstelle, könne auf den vorliegenden Sachverhalt nicht angewendet werden, weil dort die widmungswidrige Verwendung durch den Hauptmieter im eigenen wirtschaftlichen Interesse erfolgt sei, während diese hier durch einen Untermieter geschehe, sodaß der Beklagte nicht schutzwürdig sei. Die Frage, ob der Beklagte dies zwecks Erzielung eines höheren wirtschaftlichen Nutzens mache, könne außer Betracht bleiben. Jedenfalls habe er es abgelehnt, eine Änderung des Vertragsverhältnisses in Richtung einer Geschäftsmiete vorzunehmen und es solcherart bei dem für die Wohnung berechneten Hauptmietzins belassen. Außer Betracht lasse der Revisionswerber, daß eine Umwidmung von Wohnräumen in Geschäftsräume nach der Wiener Bauordnung genehmigungspflichtig sei.
Diesen Ausführungen ist folgendes zu erwidern:
Der Kläger hat seine Aufkündigung nicht auf den Kündigungsgrund der Weitergabe des Bestandgegenstandes gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung im Sinne des § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG gestützt und keinerlei Tatsachenvorbringen in dieser Richtung erstattet. Eine diesbezügliche Überprüfung erscheint daher auch nicht im Hinblick auf § 30 Abs 1 MRG möglich. Schon deswegen kann somit der in der Revision behauptete Feststellungsmangel nicht vorliegen. Hinsichtlich der Beurteilung des Kündigungsgrundes der widmungswidrigen Verwendung der Bestandräumlichkeiten verweist der Revisionswerber selbst darauf, daß dabei die Frage, ob der Beklagte diese widmungswidrige Verwendung zwecks Erzielung eines höheren wirtschaftlichen Nutzens vornehme, außer Betracht bleiben könne und ebenso, ob eine Umwidmung von Wohnräumen in Geschäftsräume nach der Wiener Bauordnung genehmigungspflichtig sei. Der Kläger wendet sich somit lediglich noch gegen die Ansicht der Vorinstanzen, in der vertragswidrigen Verwendung liege keine Verletzung wichtiger Interessen des Vermieters und daher auch kein KÜndigungsgrund. Auch hierin kann ihm nicht gefolgt werden.
Nach den vom Berufungsgericht übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen war dem Beklagten im Mietvertrag ein unbegrenztes Weitergaberecht eingeräumt worden und er sollte, wie überhaupt beide Streitteile hinsichtlich aller ihnen seinerzeit von ihren Eltern vermieteten Wohnungen, eine weitgehende finanzielle Verwertungsmöglichkeit betreffend die Wohnung Nr. 3 haben. Im Rahmen dieses umfassenden vertraglichen Verwertungsrechtes ist demnach aber auch grundsätzlich die Schutzbedürftigkeit des Beklagten gegeben. Selbst wenn die Weitergabe des Bestandobjektes zur Ausübung einer buchhalterischen Tätigkeit durch eine Einzelperson im Hinblick auf die vereinbarte Verwendungsart der Bestandräumlichkeiten zu Wohnzwecken bereits als wesentliche Widmungsänderung und als Vertragswidrigkeit gewertet wird, kann nach diesem Inhalt der Gesamtvereinbarung hierin allein noch keinesfalls die Verletzung eines wichtigen Interesses des Vermieters vom Gewichte eines Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 1 MRG gesehen werden. Das Argument, schon der Ausübung einer derartigen buchhalterischen Tätigkeit stehe auch die baukonsensmäßige Widmung des Hauses zu Wohnzwecken entgegen, hält der Revisionswerber nicht mehr aufrecht. Es widerspräche auch seiner eigenen, vom Beklagten abgelehnten Forderung, den Bestandvertrag in einen solchen auf Geschäftsmiete abzuändern. Die Erzielung eines wirtschaftlichen Nutzens aus der Weitergabe des Bestandgegenstandes war gerade erklärte Absicht der seinerzeitigen Vertragspartner und kann somit dem Beklagten grundsätzlich nicht zum Vorwurf gemacht werden. Sonstige Umstände, welche einen Tatbestand im Sinne der Generalklausel des § 30 Abs 1 MRG herstellen könnten, wurden vom Kläger in der Aufkündigung nicht geltend gemacht. Ob ihm nach den Umständen des Falles ein Unterlassungsanspruch zusteht (Würth in Rummel ABGB, Rz 11 zu § 30 MRG; MietSlg. 18.178, 18.365, 20.151, 27.332, 31.347, 31.349 u. a.) ist hier nicht zu beurteilen.
Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers kann somit in der angefochtenen Entscheidung kein Rechtsirrtum des Berufungsgerichtes erkannt werden.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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