Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 1.415,-- an Revisionskosten binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 15. Oktober 1934 geborene Kläger ist seit 30 Jahren beim Landring Weiz als Kraftfahrer beschäftigt. Hiebei hatte er gemeinsam mit einem Beifahrer einen LKW mit Milchprodukten zu beladen, diese zuzustellen und Leergut zurückzutransportieren. Am Fahrzeug selbst nahm der Kläger kleine Wartungsarbeiten wie Ölwechsel, Fahrzeugwaschen und Schmieren, Glühlampen-, Keilriemen- und Reifenwechsel vor. Reparaturarbeiten oder Arbeiten an Hydraulik und Bremsen hat der Kläger nicht durchgeführt. Er erwarb sich Kenntnisse über den Betrieb des Fahrzeuges und dessen Zubehör. Es war ihm bekannt, welcher Treibstoff und welche Schmierstoffe zu verwenden sind. Der Kläger hat Kenntnisse über die Aufbauteile der Karosserie und die Funktion des Bremssystems, er konnte auch Ursachen von Betriebsausfällen feststellen. Das vom Kläger verwendete Fahrzeug wies eine Hydraulikladebordwand auf, ein Hupstapler und sonstige Ladehilfen wurden nicht verwendet. Da der Kläger nur im Binnenverkehr tätig war, war für ihn die Handhabung der für den Frachtverkehr erforderlichen Papiere ebensowenig notwendig, wie das Lesen von Straßenkarten. Er hatte ein Fahrtenbuch zu führen, sowie eine Aufstellung über die Anzahl der von ihm besuchten Kunden und über die Tonnage der geladenen Ware. Er wurde mit den entsprechenden arbeitsrechtlichen Vorschriften vertraut gemacht.
Der Kläger ist noch in der Lage, leichte und mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen, im Freien sowie in geschlossenen Räumen durchzuführen. Arbeiten an exponierten Stellen sind zumutbar, Bück- und Hebearbeiten erfahren keine Einschränkung. Nur Arbeiten unter besonderem Zeitdruck und solche, die wegen ihrer physischen und psychischen Belastung Akkord- und Fließbandarbeiten entsprechen, können ihm nicht zugemutet werden.
Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm ab 1. Oktober 1986 eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, ab. Der Kläger sei zwar nicht mehr in der Lage, seinen bisherigen Beruf als Kraftfahrer auszuüben, die erworbenen Kenntnisse seien aber einem Lehrberuf nicht gleichzuhalten. Da ein angelernter Beruf im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG nicht vorliege, könne er auf die (näher beschriebenen) Tätigkeiten eines Staplerfahrers oder Platzarbeiters verwiesen werden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Da es bis zur Einrichtung eines Ausbildungsversuches für den Lehrberuf Berufskraftfahrer (BGBl. 1987/396) keinen Lehrberuf eines Kraftfahrers gegeben habe, sei der Beruf eines Kraftfahrers nur dann ein angelernter Beruf, wenn die erworbenen Kenntnisse über die für jeden Kraftfahrer notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse hinaus jenen entsprächen, wie sie etwa ein Motorenschlosser, Kraftfahrzeugmechaniker, Elektriker oder Kraftfahrzeugschlosser haben müsse. Die erworbenen Kenntnisse des Klägers entsprächen auch nicht jenen des neu eingerichteten Lehrberufes Berufskraftfahrer, welcher ein wesentlich umfangreicheres Ausbildungsziel vorsehe. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichtes sind zutreffend. Nach § 255 Abs 2 ASVG liegt ein angelernter Beruf im Sinne des Abs 1 nur dann vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Diese in der Praxis erworbenen Kenntnisse müssen zwar nicht jene eines bestimmten gesetzlich geregelten Lehrberufes sein, sondern den in einem Lehrberuf erworbenen besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten an Qualität und Umfang nur entsprechen, es reicht aber nicht aus, wenn die Kenntnisse und Fähigkeiten nur ein Teilgebiet eines Tätigkeitsbereiches umfassen, der von gelernten Arbeitern in viel weiterem Umfang beherrscht wird (SSV-NF 1/70; SSV-NF 1/48). Die festgestellten Kenntnisse des Klägers gehen nur unwesentlich über jene hinaus, die von jedem Lenker eines Schwerkraftfahrzeuges anläßlich der Führerscheinprüfung verlangt werden. Richtig hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß von einem angelernten Beruf nur gesprochen werden könnte, wenn der Kläger darüber hinaus weitere Kenntnisse, wie sie etwa ein Kraftfahrzeugelektriker, Kraftfahrzeugmechaniker, Landmaschinenmechaniker oder Motorenschlosser besitzt. Dies zeigt sich ganz deutlich in den Ausbildungsvorschriften des neu geschaffenen Lehrberufes Berufskraftfahrer, welcher auf die genannten Lehrberufe sowie jenen eines Spediteurs als verwandte Lehrberufe mit Anrechnungsmöglichkeit verweist und insbesondere neben den vom Kläger beherrschten Teilbereichen nicht nur weitere handwerkliche Kenntnisse, wie Metallbearbeitung, Weich- und Hartlöten, Gasschmelzschweißen und Elektroschweißen, sondern auch umfangreiche theoretische Kenntnisse in Warenkunde, europäische Verkehrswege, Transportwesen, Strecken- und Terminplanung, kaufmännisch Rechnen, Schriftverkehr, Grundkenntnisse in der Transportversicherung sowie in bürgerlichem Recht, in Handels-Straf- und Verwaltungsrecht und der Zollvorschriften verlangt.
Da die Frage, ob der Kläger invalide ist, daher nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen ist, war eine Klärung, ob der Kläger auf Grund seines Gesundheitszustandes noch in der Lage sei, die nur für den Fall der Annahme eines angelernten Berufes genannten Verweisungstätigkeiten eines Lenkers landwirtschaftlicher Fahrzeuge auszuüben, entbehrlich. Zutreffend hat das Berufungsgericht daher auch diese als Verfahrensmangel in der Berufung gerügte Unterlassung des Erstgerichtes als für die rechtliche Beurteilung unerheblich gebilligt.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG (SSV-NF 1/66).
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