OGH 14Os180/87

OGH14Os180/871.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Juni 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hanglberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Antonia S*** und einen anderen wegen der Finanzvergehen der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1, Abs. 2 lit. a, Abs. 3 lit. a bzw. b, § 13 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Karl G*** gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 9.September 1987, GZ 18 Vr 311/85-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, des Vertreters des Finanzamtes St. Pölten als Finanzstrafbehörde erster Instanz, Oberrat Dr. Kraushofer, des Angeklagten Karl G*** und seines Verteidigers Dr. Nesvadba zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil, das in Ansehung der Angeklagten Antonia S*** sowie im Teilfreispruch des Angeklagten Karl G*** unberührt bleibt, in den übrigen den Angeklagten Karl G*** betreffenden Aussprüchen aufgehoben und die Sache gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wird der Angeklagte Karl G*** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden (zu A) Antonia S*** und (zu B) Karl G*** - dieser jeweils als Beitragstäter nach § 11 dritter Fall FinStrG - der Finanzvergehen der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a (hier verfehlt: "und b"), 13 FinStrG (A/I bzw. B/I) sowie der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a (hier zu ergänzen: und Abs. 3 lit. b) FinStrG (A/II bzw. B/II) schuldig erkannt. Darnach hat Antonia S*** vorsätzlich eine Verkürzung (zu A/I/1) von Umsatz-, Einkommens- und Gewerbesteuer sowie von Alkoholabgabe durch Unterlassung von Steuererklärungen für die Jahre 1973 und 1976 bis 1980 sowie durch unrichtige Steuererklärungen für die Jahre 1974 und 1975 bewirkt, (zu A/I/2) von Umsatz-, Einkommens- und Gewerbesteuer sowie von Alkoholabgabe durch Unterlassung der Steuererklärungen für das Jahr 1981 zu bewirken versucht, sowie

(zu A/II) von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für Jänner bis Dezember 1982 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden (richtigen) Voranmeldungen bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten. Dem Karl G*** liegt dabei zur Last, daß er durch Verfertigung unrichtiger Abrechnungsbelege über die Nettoerlöse aus den im Espresso der Antonia S*** betriebenen Spielautomaten zu einem Teil der eben beschriebenen Finanzvergehen der genannten vorsätzlich beigetragen hat, und zwar

(zu B/I/1) zur Verkürzung von Umsatz-, Einkommens- und Gewerbesteuer für die Jahre 1979 und 1980 im Ausmaß von 147.616,02 S bzw. 408.374 S bzw. 117.235 S,

(zu B/I/2) zur versuchten Verkürzung von Umsatz-,

Einkommens- und Gewerbesteuer für das Jahr 1981 im Ausmaß von

137.991,42 S, bzw. 388.368 S bzw. 112.643 S sowie

(zu B/II) zur Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für das Jahr 1982 im Ausmaß von 199.246,32 S, wobei auch er diesfalls die Verkürzung nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten hat. Dieses Urteil wird lediglich von Karl G*** mit einer auf die Gründe der Z 4, 5, 9 lit. a und b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.

Aus deren Anlaß hat sich der Oberste Gerichtshof zunächst davon überzeugt, daß das angefochtene Urteil an einem vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten Feststellungsmangel (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO) leidet, der ihm zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs. 1 StPO). Nach den Urteilskonstatierungen bezog sich der Tatbeitrag (§ 11 dritter Fall FinStrG) des Angeklagten G*** auf solche Finanzvergehen der Antonia S***, die diese entweder durch Unterlassung von Steuererklärungen für 1979 bis 1981 (A/I/1 und 2) oder durch Verletzung ihrer Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen für Jänner bis Dezember 1982 (A/II) begangen hat. Eine Feststellung darüber, daß die vom Angeklagten G*** verfertigten unrichtigen Abrechnungsbelege von Antonia S*** zur Bewirkung der Abgabenverkürzung vor dem dafür jeweils in Betracht kommenden Zeitpunkt (§ 33 Abs. 3 lit. a bzw. lit. b FinStrG) dem Finanzamt überhaupt vorgelegt, also von der unmittelbaren Täterin tatsächlich zur Ausführung der Tat benützt worden sind oder (in Ansehung der versuchten Abgabenhinterziehung für 1981) nach ihrem Vorsatz dazu benützt werden sollten, ist im Urteil nicht enthalten. Demnach reichen aber die Feststellungen zur Annahme eines physischen Tatbeitrages des Angeklagten G*** zu den Finanzvergehen der Antonia S*** nicht aus.

Rechtliche Beurteilung

Freilich kommt nach den Verfahrensergebnissen auch ein Tatbeitrag durch psychische Förderung der Haupttat in Betracht, wozu allerdings die - gleichfalls fehlende - Feststellung notwendig wäre, daß der Vorsatz der Angeklagten S*** - und nicht bloß des Beschwerdeführers (US 10) - darauf gerichtet gewesen ist, die unrichtigen Abrechnungsbelege erforderlichenfalls nachträglich zum Nachweis der (angeblichen) Richtigkeit ihrer (falschen) Eintragungen in dem "für das Finanzamt bestimmten" Journalbuch (US 9) bereitzuhalten, und daß sie solcherart durch die vom Angeklagten G*** zur Verfügung gestellten Abrechnungsbelege im Hinblick auf eine damit verbundene Absicherung in ihrem auf Abgabenhinterziehung gerichteten Tatentschluß bestärkt worden ist. Nur dann wäre nämlich in tatsächlicher Hinsicht die Urteilsannahme (US 12) gedeckt, daß der Beschwerdeführer die Finanzvergehen der Antonia S*** (intellektuell) gefördert, demnach zwischen seinem Tatbeitrag und der geförderten Tat in ihrer individuellen Erscheinungsform ein ursächlicher Zusammenhang bestanden hat (vgl. Leukauf-Steininger Komm.2 § 12 RN 39).

Da derartige Feststellungen dem Urteil nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnommen werden können, zumal eine vorherige Absprache einvernehmlicher Vorgangsweise nicht als erwiesen angenommen worden ist (US 10), war das angefochtene Urteil in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und ein zweiter Rechtsgang anzuordnen, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte.

Ausdrücklich sei zur Vermeidung von Mißverständnissen bloß vermerkt, daß die Bestimmung des § 55 FinStrG der strafgerichtlichen Verfolgung des Angeklagten G*** nicht entgegenstand. Im Strafverfahren wegen Hinterziehung oder wegen fahrlässiger Verkürzung von veranlagten Abgaben vom Einkommen oder Vermögen, von Gewerbesteuer (mit Ausnahme der Lohnsummensteuer), von Umsatzsteuer oder von Abgabe von alkoholischen Getränken (nicht auch wegen Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen, wie sie den Angeklagten in den Schuldsprüchen A/II bzw. B/II angelastet wird: vgl. Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch E 31 zu § 55 FinStrG) darf zwar die Hauptverhandlung erst durchgeführt werden, wenn das Ergebnis der rechtskräftigen endgültigen Abgabenfestsetzung für den Zeitraum vorliegt, den die strafbare Tat betrifft. Diese prozessuale Vorschrift bezieht sich aber nur auf den unmittelbaren Täter (§ 11 erster Fall FinStrG), der selbst Abgabenschuldner ist und im Abgabenverfahren Parteistellung genießt, nicht aber auf andere Tatbeteiligte (§ 11 zweiter und dritter Fall FinStrG). Deren Abgabenschuldigkeit kann mittels Haftungsbescheid (§§ 11, 77 Abs. 2, 224 Abs. 1 BAO) eben erst nach Feststellung ihrer Tatbeteiligung (§ 11 FinStrG) festgesetzt werden. Diese hat das Gericht also nach jeder Richtung hin - somit auch in Ansehung des Umfanges der Abgabenverkürzung - selbständig zu prüfen (SSt. 51/32; idS auch 10 Os 54/84, 10 Os 138/84).

Gleichfalls verfehlt ist übrigens auch der Einwand, mit welchem der Beschwerdeführer unter Hinweis auf den subsidiären Charakter eines sonstigen Tatbeitrages gegenüber unmittelbarer Täterschaft (Leukauf-Steininger Komm.2 § 28 RN 68) die "rein theoretische" Möglichkeit seiner Doppelbestrafung in einem gegen ihn als unmittelbaren Täter wegen Abgabenhinterziehung beim Landesgericht für Strafsachen Wien (AZ 26 b Vr 13.957/85) anhängigen Strafverfahren aufzuzeigen sucht, weil dem Angeklagten G*** im gegenständlichen Verfahren Beitragstäterschaft nur in Ansehung der Hinterziehung von Abgaben der Angeklagten S*** für deren Anteile an den Spielerlösen zur Last liegt, die vom Beschwerdeführer aber keinesfalls zu versteuern waren, weshalb er insoweit als unmittelbarer Täter gar nicht in Betracht kommt.

Gleichwohl könnte sich für die im zweiten Rechtsgang zu entscheidenden Tatfragen die Einsichtnahme in die das erwähnte Parallelverfahren betreffenden Straf- und Finanzakten als zweckmäßig erweisen, wobei auch eine Prüfung gemäß § 56 StPO vorzunehmen wäre.

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