Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem oben näher bezeichneten, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde der 30jährige libysche Staatsangehörige Mohamed E*** des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 20.Mai 1987 in Wien Ezzedin AL G*** durch Abgabe eines Pistolenschusses vorsätzlich zu töten versucht und den Genannten ferner durch Versetzen von Faustschlägen in das Gesicht und von Schlägen mit dem Griff der Pistole auf den Kopf, die zahlreiche Rißquetschwunden an der linken Scheitelbeingegend und eine Rißquetschwunde über dem linken Auge zur Folge hatten, vorsätzlich am Körper verletzt.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten dagegen aus den Z 4, 5, 6 und 10 a des § 345 Abs. 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht begründet. Die unter dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund gerügte Einvernahme eines nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht entbundenen Ministerialbeamten (Dr. S***) hatte nach den Akten ein Gespräch zwischen dem Zeugen Dr. S*** und dem libyschen Staatsangehörigen Gaddaffi E*** zum Gegenstand, dem auch der Verletzte beiwohnte, wobei das Tatsachensubstrat dieses Gesprächs zudem auf Grund der erstatteten Anzeige (vgl ON 2 und ON 12) bereits aktenkundig war und sonach nicht mehr der Geheimhaltung unterliegen konnte (vgl EvBl 1986/135). Soweit sich die Beschwerde aber auf vom Zeugen in der Hauptverhandlung geäußerte "Empfindungen" in Ansehung der gegebenen Indizien, also auf die subjektive Meinung des Dr. S*** hierüber, beruft, handelt es sich hiebei nicht um Tatsachen, die dem Amtsgeheimnis unterliegen können. Fehl geht auch der gleichfalls auf die Z 4 des § 345 Abs. 1 StPO gestützte Vorwurf des Angeklagten, die Aussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen (deutschsprechenden) Zeugen seien ihm nicht in seiner Muttersprache mitgeteilt worden, was als Verletzung der Bestimmungen des § 250 StPO und des Art 6 Abs. 3 lit a MRK zu beurteilen sei.
Abgesehen davon, daß von einem Verstoß gegen § 250 StPO schon deshalb keine Rede sein kann, weil die Hauptverhandlung in keiner Phase in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt wurde, und daß durch die behauptete ungenügende Übersetzung des Prozeßverlaufes keine der in § 345 Abs. 1 Z 4 StPO taxativ angeführten Vorschriften, deren Beobachtung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt, verletzt wurde, bietet das Hauptverhandlungsprotokoll keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der beigezogene Dolmetscher seiner Verpflichtung, dem Angeklagten das mündliche Vorbringen in der Verhandlung, soweit es nicht ohnedies in seiner Muttersprache erfolgte, zugänglich zu machen, nicht nachgekommen wäre. Auch wurden, wie sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt, keine darauf Bezug habenden Anträge des Verteidigers gestellt. Unberechtigt ist auch die Verfahrensrüge (Z 5) des Angeklagten, mit der er die Ablehnung des von ihm in der Hauptverhandlung gestellten Antrages bekämpft, einen Ortsaugenschein unter Beiziehung eines Schießsachverständigen und des Tatopfers zum Beweis dafür vorzunehmen, daß die vom Verletzten gegebene Schilderung des Vorfalles nicht dem tatsächlichen Ablauf des Geschehens entsprechen könne.
Denn abgesehen davon, daß der Antrag mangels Substantiierung des Beweisthemas auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis in Ansehung der Glaubwürdigkeit des Tatopfers hinausläuft - die in der Beschwerde nachgetragenen Erläuterungen sind unbeachtlich, weil es auf den Zeitpunkt der Stellung des Beweisantrages ankommt - ist dem abweislichen Zwischenerkenntnis des Schwurgerichtshofes durchaus beizutreten, wonach die Bewegungen der Kontrahenten im Zuge des Handgemenges wegen des raschen Ablaufes des Geschehens nicht mehr rekonstruierbar seien und sich im übrigen die Richtung des Waffenlaufes bei Abgabe des Schusses aus der Aufschlagstelle des Geschosses ergebe.
Eine Verletzung der Vorschrift über die Fragestellung (Z 6) vermeint der Beschwerdeführer darin erblicken zu können, daß Zusatzfragen nach Notwehrüberschreitung und Putativnotwehr nicht gestellt worden seien, obgleich der Angeklagte in der Hauptverhandlung einen tätlichen Angriff des AL G*** durch Einschlagen mit einem Stock und Erfassen seines Halses behauptet und durch diese Gewalttätigkeiten sogar seinen Tod befürchtet habe. Auch insoweit kann der Beschwerde nicht gefolgt werden. Sind doch - dem Rechtsmittel zuwider - in der Hauptverhandlung keine konkreten Umstände vorgebracht worden, die eine Zusatzfrage nach Notwehrüberschreitung indiziert hätten und wurde all dem, was der Angeklagte im Zusammenhang mit dem angeblich gegen ihn gerichteten Angriff seitens des Verletzten behauptet hatte, durch Stellung der Zusatzfrage nach Notwehr Rechnung getragen. Die vom Beschwerdeführer reklamierte Frage nach Putativnotwehr hinwieder entbehrte vorliegend schon deshalb der Grundlage, weil sich der Angeklagte niemals auf einen Irrtum über das Vorliegen einer Notwehrsituation, sondern stets darauf berufen hatte, daß tatsächlich ein gerechte Notwehr begründender Angriff des AL G*** auf seine Person stattgefunden habe, wogegen Putativnotwehr ja nur dann in Betracht kommt, wenn der Täter irrtümlich einen rechtswidrigen Angriff seines Gegners angenommen hat, obwohl in Wahrheit ein solcher nicht vorlag.
Die in diesem Zusammenhang unter sinngemäßer Geltendmachung der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO erhobene Rüge der Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung ist darauf zu verweisen, daß eine solche Belehrung nur mit Bezug auf tatsächlich gestellte Fragen zu erfolgen hat (Mayerhofer-Rieder StPO2 § 345 Abs. 1 Z 8 ENr 20 ff). Der auf die Z 10 a des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Tatsachenrüge des Angeklagten genügt es zusammenfassend zu erwidern, daß sein diesbezügliches Vorbringen nicht geeignet ist, erhebliche Bedenken gegen die inhaltliche Richtigkeit der im Verdikt der Geschwornen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Im einzelnen hervorzuheben ist lediglich, daß die Akten (vgl insbesondere ON 12, 15, 30 und 53, ferner Band I S 285 ff und 301 sowie Band II S 9 ff und 33 ff) hinreichende Anhaltspunkte für die - von den Geschwornen geteilte; vgl deren
Niederschrift - Annahme bieten, daß der Beschwerdeführer den Tatort bereits mit Mordvorsatz aufsuchte, was wiederum völlig unbedenkliche Schlußfolgerungen auf die im Wahrspruch konstatierten Tatsachen ermöglicht.
Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28, 75 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Jahren, wobei es als erschwerend das Zusammentreffen zweier Straftaten, als mildernd dagegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, den Umstand, daß es beim Versuch geblieben war, das reumütige Teilgeständnis und die nicht auszuschließende Anstiftung in Betracht zog.
Die Berufung des Angeklagten, mit der er Strafherabsetzung anstrebt, ist nicht begründet.
Da der Angeklagte keine zusätzlichen Milderungsgründe ins Treffen zu führen vermag und derartige Momente sich auch aus den Akten nicht ergeben, bedürfen die tatrichterlichen Strafzumessungsgründe keiner Korrektur. Geht man aber davon aus, dann kann von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsumstände nach Ansicht des Senates nicht gesprochen werden, zumal in Ansehung des Hauptfaktums kein Geständnis vorliegt. Damit und weil der in Rede stehende Mordversuch nach den gegebenen Umständen gewiß nicht als atypisch leichter Fall zu qualifizieren ist
(vgl Leukauf-Steininger2, § 41 StGB RN 4) verbietet sich aber eine außerordentliche Strafmilderung nach § 41 StGB und - als Konsequenz dessen - eine Ermäßigung der vom Erstgericht ohnehin nur in der Höhe der gesetzlichen Mindeststrafe geschöpften Unrechtsfolge. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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