OGH 4Ob32/88

OGH4Ob32/8831.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Zeitungsverlag D*** & F*** Gesellschaft mbH & Co, Wien 19., Muthgasse 2, vertreten durch Dr.Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B*** Zeitungs-Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH, Wien 7., Lindengasse 52, vertreten durch Dr.Heinz Barazon und Dr.Brigitte Birnbaum, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 480.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 26. Februar 1988, GZ 3 R 235/87-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 13.Oktober 1987, GZ 37 Cg 265/87-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.307,05 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 1.391,55 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Medieninhaberin und Verlegerin der Tageszeitung "N*** K***"; die Beklagte ist Medieninhaberin und Verlegerin der monatlich erscheinenden Druckschrift "B***", die für jeden der 23 Bezirke Wien eine eigene Ausgabe hat. Beide Medien veröffentlichen Inserate und Werbeeinschaltungen. Die "N*** K***" wird entgeltlich vertrieben, die B*** werden den einzelnen Haushalten unentgeltlich zugestellt.

In der Ausgabe der periodischen Druckschrift "profil" Nr. 34 vom 24. August 1987 (Seite 43) und in der Ausgabe der periodischen Druckschrift "trend" Nr. 9 vom September 1987 (Seite 180) erschien je eine gleichlautende ganzseitige Werbeeinschaltung der Beklagten unter der Überschrift "Der Beweis". Darunter hieß es:

"Die B*** - Wiens reichweitenstärkstes

Printmedium - haben lt. Optima 86/87

1,082.000 Leser ...

... davon 926.000 in Wien.

Nicht nur die Reichweite stimmt bei den B***. Wir haben

auch die Qualität: Kein anderes Printmedium in Wien und Umgebung

kann mit attraktiveren Lesern aufwarten!

Bezirksjournal 555.000 oder 51 % unserer Leser sind in den

(besten) Kaufkraftklassen I und II zu finden.

Bezirksjournal 474.000 oder 44 % unserer Leser gehören der

A u. B-Schicht an.

Bezirksjournal 299.000 unserer Leser sind berufliche

Entscheidungsträger.

Bezirksjournal 290.000 Leser warten in der sehr wichtigen

Sonderzielgruppe ABC1 - 39 Jahre auf ihr Angebot.

B*** - GEZIELTER KÖNNEN SIE NICHT WERBEN!"

In der Mitte dieser Werbeeinschaltung und an deren Ende war auf rotem Untergrund das Wort "B***" hervorgehoben.

Mit der Behauptung, daß diese Werbeaussage irreführend und wettbewerbswidrig sei, weil sie den wesentlichen Unterschied zwischen Kauf- und Gratiszeitungen verschweige, also Unvergleichbares miteinander vergleiche, und auch nicht berücksichtige, daß es keine einheitliche Druckschrift "B***" gebe, begehrt die Klägerin zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu gebieten, ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Werbebehauptung zu unterlassen, die "B***" seien Wiens reichweitenstärkstes Printmedium bzw. kein anderes Printmedium in Wien und Umgebung könnte mit attraktiveren Lesern aufwarten bzw. gezielter als in den B*** könne man nicht werben; außerdem stellt sie das Eventualbegehren, der Beklagten zu gebieten (offenbar gemeint: zu verbieten), ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Leserbzw. Reichweitenzahlen der periodischen Druckschrift "B***" zu veröffentlichen, wenn hiebei nicht mit gleichem Veröffentlichungswert darauf verwiesen wird, daß es sich bei dieser Druckschrift um eine Gratiszeitung handelt, oder wenn bei dieser Veröffentlichung auch auf die Leser- bzw. Reichweitenzahlen von Kaufzeitschriften Bezug genommen wird. Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Ihre Werbebehauptungen entsprächen der Wahrheit und könnten daher nicht wettbewerbswidrig sein. Zwischen den Streitteilen bestehe kein Wettbewerbsverhältnis, weil die Klägerin selbst behaupte, daß Gratiszeitungen mit Tageszeitungen nicht vergleichbar seien. Die von der Klägerin beanstandete Werbeeinschaltung wende sich an präsumptive Insertionskunden. Das angesprochene Publikum wisse, daß es sich beim "B***" um 23 verschiedene, gratis verteilte Bezirksblätter handle; der Mittelteil, das sogenannte "B*** EXTRA", sei allerdings für sämtliche 23 Bezirke gleich.

Der Erstrichter erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Auf Grund des eingangs wiedergegebenen Sachverhaltes folgerte er rechtlich, daß die Streitteile miteinander in einem Wettbewerbsverhältnis stünden. Anzeigenblätter, die unentgeltlich an Haushalte abgegeben würden, seien mit Zeitungen oder Zeitschriften, die dem Leser eine aktuelle Berichterstattung auf den Gebieten der Politik, des Weltgeschehens, der lokalen Nachrichten, des Sports, der Kultur udgl. vermittelten, nicht vergleichbar. Auch wenn solche Anzeigenblätter einen redaktionellen Teil enthielten, trete dieser doch in der Regel hinter den Inseraten zurück; der redaktionelle Teil präge nicht das Bild des Blattes, sondern erscheine nur als Beiwerk zu den im Vordergrund stehenden Anzeigen. Diese Blätter erzielten ihre Einnahmen ausschließlich aus der Insertion. Die Beklagte stelle in der beanstandeten Werbung Reichweitenvergleiche an, bei denen sie in sich nicht vergleichbare Medien insoweit gegenüberstelle, als sie in Anspruch nehme, Wiens reichweitenstärkstes Printmedium zu sein. Dabei unterscheide sie in keiner Weise zwischen Tageszeitungen und Anzeigenblättern, weshalb die beanstandeten Werbeaussagen irreführende Tatsachenbehauptungen seien.

Das Rekursgericht wies den Sicherungs-Hauptantrag ab - ohne das Eventualbegehren der Klägerin auch nur zu erwähnen - und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Mangels gegenteiliger Behauptung sei davon auszugehen, daß die Angaben der Beklagten über die Leserzahlen den Media-Analysen entsprächen. Das in den Druckschriften "profil" und "trend" eingeschaltete Inserat der Beklagten wende sich seinem gesamten Inhalt nach nur an Insertionskunden. Wenn es auch zutreffen möge, daß die Leser im Sinne der Media-Analyse im Durchschnitt dem redaktionellen Teil der Zeitung, die sie gekauft haben, mehr Aufmerksamkeit zuwenden als dem einer ihnen gratis zugestellten Druckschrift, so könne dies keinesfalls für den Inseratenteil gelten. Inserate würden in aller Regel nur von jenen Personen näher ins Auge gefaßt, die sich gerade für bestimmte Angebote interessierten. Für einen solchen Interessenten könne es aber keinen Unterschied machen, ob er die Inserate in einer gekauften oder in einer ihm gratis zugekommenen Zeitung finde. Fehle es aber am entsprechenden Interesse, dann würden die Anzeigenseiten auch der gekauften Zeitungen ungelesen bleiben. Die Behauptung der Beklagten, sie erreiche eine Zahl von 1,082.000 Lesern, sei unter diesem Gesichtspunkt nicht zur Irreführung geeignet.

Zu prüfen sei weiters die Frage, ob die Angaben der Beklagten, kein anderes Printmedium in Wien und Umgebung könne mit attraktiveren Lesern aufwarten bzw. gezielter könne man nicht werben, als unzulässige Alleinstellungswerbung im Sinne des § 1 UWG anzusehen sei. Eine Alleinstellungswerbung sei dann unzulässig, wenn sich der Werbende nicht mit einer Anpreisung der eigenen Spitzenstellung begnüge, sondern damit einen Hinweis auf die Minderwertigkeit der Waren oder Leistungen eines oder mehrerer bestimmter, namentlich genannter oder doch deutlich erkennbarer Mitbewerber verbinde. Die Behauptung, kein anderes Printmedium in Wien und Umgebung könne mit attraktiveren Lesern aufwarten, werde durch offensichtlich der Optima-Analyse entnommene Angaben über die Kaufkraftklassen der Leser sowie über weitere Eigenschaften gestützt; die Aussage über die "Attraktivität" von Lesern sei daher nicht zu beanstanden. Mit der Behauptung: "Gezielter können Sie nicht werben" würden schließlich nur die - für wahr zu haltenden - Behauptungen der Beklagten über die sich aus der Optima-Analyse ergebende Reichweitenuntersuchung sowie über die Kaufkraftklassen der Leser zusammengefaßt. Damit sei jedenfalls kein Hinweis auf die Minderwertigkeit der Leistungen von Mitbewerbern verbunden, habe doch die Beklagte nur die sie betreffenden Daten der Optima-Analyse, nicht aber jene anderer Printmedien veröffentlicht. Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die einstweilige Verfügung des Erstrichters wiederhergestellt werde.

Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, daß der Vergleich zwischen gekauften und gratis zugestellten Zeitungen unzulässig und daher irreführend sei. Nur ein ganz verschwindender Teil des Publikums studiere ganz gezielt Inserate; vom überwiegenden Teil des Publikums werde der Inseratenteil nur durchgeblättert und flüchtig gelesen. Daß diese Flüchtigkeit bei Gratiszeitungen größer sei als bei Kaufzeitungen, liege auf der Hand. Dem kann nicht gefolgt werden.

Soweit sich Leser gerade für bestimmte Angebote interessieren,

werden sie den Inseratenteil einer Zeitung unabhängig davon näher

ansehen, ob sie diese Zeitung gekauft oder unentgeltlich erhalten

haben (MuR 1987, 181 mit Anerkennung von Korn). Daß aber ein Leser,

der mangels eines entsprechenden Interesses den Inseratenteil einer

Zeitung nur durchblättert, dies bei einer gekauften Zeitung mit mehr

Aufmerksamkeit tun sollte als bei einer Gratiszeitung, und daß er

daher bei gekauften Zeitungen ins Auge springende Inserate eher

bemerken könnte, ist nicht einzusehen. Wird der Entschluß, eine

Zeitung zu kaufen, nur im Hinblick auf den Inhalt ihres

redaktionellen Teils gefaßt, dann wird eben den Inseraten die

gleiche geringe Aufmerksamkeit zugewendet wie einer Zeitung, die

einem ohne eigenes Zutun ins Haus geschickt wurde. Die vom

Erstrichter und der Klägerin herangezogene Entscheidung MuR 1987,

144 steht nicht im Widerspruch zu dieser Auffassung, hatte doch dort

die Beklagte die Behauptung aufgestellt, ihre Zeitung sei die

Lieblingszeitung der Wiener, weil sie auch im redaktionellen Teil

("Seite für Seite, Artikel für Artikel ...") am meisten und am

intensivsten gelesen werde.

Da die Klägerin die Unrichtigkeit der von der Beklagten der

Media-Analyse entnommenen Zahlen nicht einmal behauptet, sind

demnach die Werbeaussagen der Beklagten keine zur Irreführung geeigneten Angaben. Dem in der Klage erwähnten Umstand, daß in jedem Wiener Bezirk eine andere Ausgabe des B*** erscheint, kommt keine Bedeutung zu, weil wie die Klägerin selbst einräumt - die Möglichkeit besteht, ein Inserat in sämtlichen Ausgaben dieser Druckschrift "durchschalten" zu lassen (S. 9). Selbst wenn der durch die Werbung der Beklagten angesprochene Personenkreis zu der irrigen Auffassung gelangen könnte, es gäbe eine einheitliche Ausgabe dieser Zeitung für ganz Wien, würde damit doch kein relevanter Irrtum herbeigeführt (MuR 1987, 181).

Der Klägerin kann auch darin nicht gefolgt werden, daß die beanstandete Werbebehauptung gegen § 1 UWG verstoße, weil sie einen Hinweis auf die Minderwertigkeit der Leistungen namentlich genannter oder doch deutlich erkennbarer Mitbewerber enthalte. Abgesehen davon, daß sich die Klägerin - entgegen ihren Rechtsmittelausführungen hierauf in erster Instanz gar nicht gestützt hat, ist in den beanstandeten Werbebehauptungen - insbesondere auch nicht darin, daß kein anderes Printmedium mit attraktiveren Lesern aufwarte und daß man nirgends gezielter als im "B***" werben könne - keine Herabsetzung irgendeines Mitbewerbers zu sehen. Soweit die Beklagte in ihrer Werbung bloß ihre Spitzenstellung behauptet, ist das nicht zu beanstanden, weil diese Spitzenstellung nach dem oben Gesagten den Tatsachen entspricht (ÖBl. 1986, 42 u.v.a.). Wer für sich eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch nimmt, bringt zugleich die Überlegenheit seines Unternehmens oder seiner Erzeugnisse gegenüber allen anderen Branchenangehörigen zum Ausdruck. Als notwendige Nebenwirkung jeder Alleinstellungswerbung ist eine solche mittelbare Bezugnahme auf die Konkurrenz so lange nicht zulässig, als der Werbende konkret mit den Vorzügen seines Angebotes vergleicht, sondern ohne derartige Bezugnahme nur die eigene Spitzenstellung anpreist (JBl 1987, 729). Ein Verstoß gegen § 1 UWG kommt daher nur dann in Betracht, wenn die beanstandete Ankündigung zugleich einen Hinweis auf die Minderwertigkeit der Waren oder Leistungen namentlich genannter oder doch deutlich erkennbarer Mitbewerber enthält (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15 Rz 320, 323 zu § 1, Rz 81 zu § 3 dUWG; ÖBl. 1986, 42; JBl 1987, 729 u.v.a.).

Die Beklagte hat nicht behauptet, ihre Leser wären "attraktiver" - d.h. im gegebenen Zusammenhang kauflustiger und -kräftiger - als die Leser anderer Druckschriften; sie sagt nur, daß die anderen Zeitungen keine attraktiveren Leser als sie selbst hätten. Damit wird die Möglichkeit offengelassen, daß die Leser einer anderen Zeitung ebenso attraktiv seien wie diejenigen der Beklagten. Das gleiche gilt für die Werbeaussage, man könne nirgends gezielter werben als in dem Medium der Beklagten.

Da die Werbebehauptungen der Beklagten sohin weder zur Irreführung geeignet noch sittenwidrig sind, hat das Rekursgericht den Sicherungsantrag mit Recht abgewiesen. Auf das Eventualbegehren war nicht mehr einzugehen, weil die Klägerin seine mangelnde Erledigung nicht gerügt hat (vgl. § 496 Abs 1 Z 1 ZPO). Der Revisionsrekurs mußte mithin erfolglos bleiben. Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 41, 50, 52 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 2 EO.

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