OGH 12Os148/87

OGH12Os148/8726.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Mai 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Doblinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Johann P*** und Elisabeth V***, verehelichte P***, wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 (2. Alternative) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 31.August 1987, GZ 14 Vr 1467/86-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Freispruch des Angeklagten Johann P*** vom Anklagevorwurf des Vergehens nach § 107 Abs. 1 StGB unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Johann P*** und Elisabeth V***, nunmehr verehelichte P***, des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 (2. Alternative) StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie am 22.Mai 1986 in Millstatt im bewußten und gemeinsamen Zusammenwirken als unmittelbare Täter den Stefan S*** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß sie gegenüber dem Gendarmerie-Revier-Inspektor Matthias S*** des Gendarmeriepostenkommandos Millstatt die Anzeige erstatteten, Stefan S*** habe am 21.Mai 1986 in Dellach aus ihrem PKW Mercedes eine Kellnerbrieftasche samt 73.800 S und 670 DM Bargeld sowie eine goldene Kette im Wert von ca. 400 S gestohlen, ihn sohin einer von Amts wegen zu verfolgenden mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB, falsch verdächtigten, wobei sie wußten, daß die Verdächtigung falsch war. Von der weiteren, allein gegen Johann P*** erhobenen Anklage, er habe am 22.Mai 1986 in Dellach den Stefan S*** gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, erging unter einem ein (in Rechtskraft erwachsener) Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO.

Den Schuldspruch bekämpfen die beiden Angeklagten mit (gemeinsam ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden, in welchen sie die Gründe der Z 4 unbd 5 des § 281 Abs. 1 StPO geltend machen; gegen den Strafausspruch haben sie Berufung ergriffen.

Rechtliche Beurteilung

Den Nichtigkeitsbeschwerden kommt, soweit darin Begründungsmängel im Sinne der Z 5 der zitierten Gesetzesstelle in Ansehung des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen reklamiert werden, im Ergebnis Berechtigung zu.

Das Schöffengericht hat die leugnende Verantwortung der Beschwerdeführer, wonach sich in dem ihnen (heimlich und unter den im Urteil näher geschilderten Umständen) vom Zeugen S*** im Auftrag der AVA-Bank wegen ausständiger Darlehensrückzahlung abgenommenen, auf dem Parkplatz vor dem Restaurant "C*** M***" versperrt abgestellt gewesenen PKW Mercedes tatsächlich die im Spruch angeführten Bargeldbeträge sowie die goldene Kette befunden haben, sodaß ihr Verdacht begründet gewesen sei, S*** habe diese Sachen, deren Vorhandensein im PKW er in Abrede stellte, zu ihrem Nachteil entfremdet, als unglaubwürdig erachtet und dies mit einer Reihe von Indizien in ihrer Gesamtheit begründet (S 144 f/Bd. II). Als ein wesentliches Indiz hiefür wertete es insbesondere, daß der Erstangeklagte bei der Erstattung der Anzeige gegenüber Gendarmen des Postens Millstatt erklärt habe, die im PKW verwahrten Geldbeträge seien Kassagelder aus dem Lokal "T***" in Bad Hofgastein, wobei jedoch die Erhebungen ergeben haben, daß die Tageslosung in diesem Lokal damals lediglich rund 15.000 S betragen hat, die von der Zweitangeklagten auf der Rückfahrt nach Dellach einem Rechtsanwalt in Bischofshofen ausgefolgt wurden, woraus sich ergebe, daß zur angegebenen Tatzeit die als entfremdet bezeichneten Geldbeträge nicht im PKW Mercedes verwahrt gewesen sein konnten; die spätere Einlassung der beiden Angeklagten, diese Geldbeträge seien von der Zweitangeklagten aus einem Safe ihrer Wohnung in Bad Hofgastein entnommen worden, sei bloß eine (falsche) Schutzbehauptung, die erst gewählt worden sei, nachdem den Angeklagten bewußt geworden war, daß die Tageslosung der "T***" nur rund 15.000 S betragen hat.

Bei dieser Argumentation wird jedoch zum einen mit Stillschweigen übergangen, daß der Gendarmeriebeamte S*** weder bei seiner ausführlichen niederschriftlichen Einvernahme durch die Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Kärnten am 23. Mai 1986 (S 159, 161/Bd. I) noch in der von ihm verfaßten "Dienstvorschreibung" über die Vorkommnisse in der Nacht zum 22. Mai 1986 im Rayon des Gendarmeriepostens Millstatt (S 171/Bd. I) etwas davon erwähnt hat, daß der Erstangeklagte bei seinen Telefonanrufen auf dem Posten Angaben über die Herkunft des im PKW verwahrten Geldes (dessen Höhe er damals mit rund 34.000 S beziffert hatte) gemacht habe; erst in der Hauptverhandlung vom 12.August 1987 bekundete S*** (erstmals), der Erstangeklagte habe (zwar) keine Einzelheiten gesagt, aber erklärt, daß es sich "um die Tageslosung aus Gastein" handle (S 114/Bd. II). Obwohl somit in einem entscheidenden Punkt eine auffallende Diskrepanz zwischen den Angaben des Genannten vor der Kriminalabteilung und in der "Dienstvorschreibung" einerseits und seiner Zeugenaussage vor Gericht andererseits besteht, blieb dies im Urteil unerörtert. Zum anderen hat der Erstangeklagte bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 22.Mai 1986 vor der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Kärnten (S 135 f/Bd. I) nur davon gesprochen, daß beide von ihm genannten Geldbeträge "Kassagelder" aus der "T***" in Bad Hofgastein seien (S 137/Bd. I), woraus keineswegs ohne weiteres der Schluß gezogen werden kann, es habe sich dabei um die Tageslosung des 21.Mai 1986 gehandelt. So gesehen entbehrt aber die Annahme des Schöffengerichts, die Darstellung der Angeklagten, es habe sich um Gelder aus dem Safe gehandelt, sei bloß eine nachträglich gewählte falsche Schutzbehauptung, einer formell mängelfreien Begründung. Da, wie die Gendarmerieerhebungen ergaben, die Angeklagten über erhebliche Schwarzgelder verfügten und nach ihren sichergestellten Privataufzeichnungen in der Zeit von Anfang April 1986 bis 21. Mai 1986 rund 150.000 S aus den Erträgnissen der "T***" entnahmen (S 77/Bd. I), konnten im Safe tatsächlich jene Geldbeträge enthalten gewesen sein, die ihrer Verantwortung nach im Zeitpunkt der Abnahme des PKW in diesem verwahrt gewesen sein sollen. Hat das Gericht, wie vorliegend, seine Überzeugung von der Unrichtigkeit der Verantwortung der Angeklagten mit mehreren Indizien in ihrem Zusammenhang begründet, so folgt aus einem Begründungsmangel in Ansehung eines dieser Indizien regelmäßig auch sogleich ein Mangel der hieraus als Ergebnis resultierenden Tatsachenfeststellung (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 102 zu § 270 und ENr. 34 zu § 281 Z 5); dies umso mehr, wenn der Begründungsmangel ein sehr wesentliches Indiz der Indizienkette betrifft, wie dies nach dem eben Gesagten hier der Fall ist.

Dazu kommt: Wie die Beschwerde im Ergebnis zutreffend einwendet, steht die Argumentation des Erstgerichts, wonach die Zweitangeklagte deshalb unglaubwürdig sei, weil sie in der Hauptverhandlung nicht mehr genau wußte, welcher Betrag sich im Fahrzeug befunden habe, während sie bei Erstattung der Anzeige die verschiedenen Geldscheine anführte (S 145/Bd. II), insoweit mit der forensischen Erfahrung nicht ohne weiters im Einklang, als darnach im Regelfall das Erinnerungsvermögen eines Beteiligten bei seiner ersten Einvernahme größer ist als bei späteren Vernehmungen. Daher hätte im Urteil einleuchtend begründet werden müssen, aus welchen konkreten Erwägungen dies in bezug auf die Zweitangeklagte im vorliegenden Fall nicht zutrifft. Weiters hat sich das Gericht mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen S*** im Urteil nicht näher befaßt; es unterstellt ersichtlich, daß seine Aussage, im Fahrzeug weder eine Brieftasche noch Geldbeträge vorgefunden und kein Geld noch sonstige Sachen an sich genommen zu haben (vgl. S 262/Bd. I, S 95 ff/Bd. II), richtig ist, ohne dabei zu erörtern, daß S*** - was er als Zeuge in Abrede stellte (S 97/Bd. II) - nach den Angaben des Gendarmeriebeamten G*** diesem gegenüber den Verdacht geäußert hatte, der Erstangeklagte habe nach seinen Informationen vermutlich Suchtgift in dem PKW versteckt (vgl. S 109, 141, 143/Bd. I), wobei die in dieser Richtung gepflogenen Erhebungen negativ verliefen (S 103/Bd. I). Ebenso unerörtert geblieben ist, daß S*** immerhin, wenn auch vor längerer Zeit, mehrmals wegen Diebstahls abgestraft wurde (vgl. S 127, 129/Bd. I). Unter diesen Umständen wäre es geboten gewesen, näher zu begründen, warum ihm dennoch geglaubt wird, die im Spruch angeführten Sachen nicht zum Nachteil der Angeklagten entfremdet zu haben, zumal er sich immerhin einige Zeit allein im PKW Mercedes befunden hatte.

Den Nichtigkeitsbeschwerden war demnach im Hinblick auf die dem Ausspruch über entscheidende Tatsachen anhaftenden und von den Beschwerdeführern im Ergebnis zutreffend gerügten formellen Begründungsmängel sofort Folge zu geben und dem Erstgericht die Erneuerung des Verfahrens im Umfang der Urteilsaufhebung aufzutragen (§ 285 e StPO), ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden muß.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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