OGH 14Os73/88

OGH14Os73/8825.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Mai 1988 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hanglberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rudolf Franz C*** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24.November 1987, GZ 9 b Vr 6471/86-75, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gemäß § 285 i StPO (nF) werden die Akten zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem oben näher bezeichneten Urteil wurde der 32jährige Rudolf Franz C*** der Vergehen (zu I. 1. und 2.) des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB, (zu II. 1.) der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie (zu II 2) des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er - zusammengefaßt wiedergegeben - am 5. März 1985 in Wien den Taxilenker Manfred B*** durch Vortäuschung von Zahlungswilligkeit und -fähigkeit zu einer Beförderung (Punkt I. 1. des Urteilssatzes) und am 11.November 1986 Bedienstete des Arbeitsamtes Radetzkystraße durch Vortäuschung der Einkommenslosigkeit zur Auszahlung des Notstandsgeldes für den Zeitraum vom 11.November 1986 bis 11.Mai 1987 (I 2) betrügerisch veranlaßt, am 15.Juli 1987 Helmut K*** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihn mit einem dolchartigen Messer in den linken Oberschenkel stach, wodurch dieser dort eine Stichwunde erlitt (II 1) und es sodann vorsätzlich unterlassen, Helmut K*** nach dessen Verletzung die erforderliche Hilfe zu leisten (II 2). Die vom Angeklagten dagegen aus den Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist teils offenbar unbegründet, teils entbehrt sie einer prozeßordnungsmäßigen Darstellung.

Der Verfahrensrüge (Z 4) genügt es zu erwidern, daß die in der Hauptverhandlung am 26.Mai 1987 vom Beschwerdeführer begehrte Einvernahme des Zeugen W*** in der (neu durchgeführten) Verhandlung am 24.November 1987 nicht wiederholt wurde und es damit an der grundlegenden Voraussetzung zur wirksamen Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes mangelt (vgl Mayerhofer-Rieder StPO2 § 281 Abs. 1 Z 4 ENr 30 ff).

Der Mängelrüge (Z 5) zum Faktum I 1 zuwider konnte aus den von den Tatrichtern angeführten Prämissen (vgl US 5 und 9) - zielgerichtetes Aufsuchen des angestrebten Lokals;

Aufforderung an den Taxilenker, zu warten; Versperren der Tür des Lokals von innen; Nichtöffnen trotz lauten Klopfens;

Zahlungsunfähigkeit zur Tatzeit; Nichtbezahlung des Fuhrlohnes bis zum Tag der Hauptverhandlung - der durchaus denkrichtige und lebensnahe Schluß darauf gezogen werden, daß der Beschwerdeführer von Anfang an nicht gewillt bzw nicht fähig war, den Fuhrlohn zu entrichten.

Von einer unzureichenden Begründung kann aber auch in Ansehung der vom Schöffengericht verneinten Volltrunkenheit des Angeklagten in den Fakten I/1 sowie II nicht gesprochen werden. Vielmehr ist in beiden Fällen der Beweisführung des Erstgerichtes (vgl US 9 und 12), wonach im ersten Fall (Fuhrlohn) die insgesamt zielgerichtete Vorgangsweise des Beschwerdeführers und im Faktum K*** die Erinnerung des Angeklagten an den Vorfall und die von ihm abgegebenen sachbezogenen Äußerungen eine volle Berauschung auszuschließen gestatten, durchaus Schlüssigkeit zuzuerkennen. Wenn die Beschwerde im letztangeführten Punkt meint, die vom Angeklagten seinerzeit abgegebene Erklärung, der von ihm Gestochene sei bereis im Spital, spreche für und nicht gegen eine Volltrunkenheit, weil sich K*** ja nicht im Krankenhaus sondern vor dem Lokal liegend befunden habe, übersieht sie, daß die Tatrichter mit denkrichtiger und lebensnaher und somit unbekämpfbarer Begründung davon ausgegangen waren, daß der Angeklagte mit der fraglichen Bemerkung bezweckt hatte, eine Hilfeleistung für K*** zu verhindern (vgl US 13).

Rechtliche Beurteilung

Es haften dem Urteil aber auch die vom Angeklagten behaupteten Unvollständigkeiten der Begründung nicht an.

Zunächst ist es notorisch und mithin keiner Erörterung bedürftig, daß vorübergehendes Einnicken während einer Autofahrt Volltrunkenheit nicht zu indizieren vermag und es ist auch evident, daß aus der Bemerkung eines Menschen, er sei "ziemlich betrunken" kein vernünftiger Schluß in die Richtung totaler Berauschung gezogen werden kann. Eine Erörterung dieser Aussageteile des Zeugen B*** konnte sonach unterbleiben. Analoges gilt für den Umstand, daß sich der Angeklagte anläßlich eines späteren Zusammentreffens mit dem Taxilenker mit einem Personaldokument auswies, in welchem Zusammenhang auch nicht übersehen werden darf, daß der Beschwerdeführer dieses Zusammentreffen nicht gesucht hatte, von B*** erkannt worden war und unter den von diesem geschilderten Umständen ersichtlich damit rechnen mußte, im Falle der Nichtlegitimation der Polizei übergeben zu werden (vgl S 17, 283). Der Sache nach gleichfalls als die Relevierung einer Unvollständigkeit der Begründung erweist sich die im Rahmen der Rechtsrüge aufgestellte Beschwerdebehauptung, im Urteil fänden sich keine Ausführungen über den Vorgang des Ausfüllens des Antrages auf Gewährung der Notstandshilfe und die dem Angeklagten dabei erteilten Auskünfte (Faktum I 2). Auch diese Rüge geht fehl. Denn sie setzt sich darüber hinweg, daß das Erstgericht der Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe einem Beamten des Arbeitsamtes mitgeteilt, Bilder zu malen und davon ein gelegentliches Einkommen zu beziehen, ersichtlich insgesamt den Glauben versagte (vgl US 10 f) und namentlich mit durchaus schlüssiger, der ursprünglichen Verantwortung des Angeklagten zu einem anderen Faktum folgenden Begründung konstatierte, er habe, als er den Antrag auf Gewährung der Notstandshilfe stellte, durch den Verkauf von ihm gemalter Bilder und auf Grund sonstiger Gelegenheitsarbeiten ein Jahreseinkommen von 60.000 S erzielt (vgl US 6), dennoch aber auf dem Antragsformular die Frage nach seinem Einkommen mit "Nein" angekreuzt (vgl US 10).

Schließlich stellt es nach den gegebenen Umständen keine Unvollständigkeit bewirkende Nichtigkeit dar, daß sich das Urteil mit der Aussage des Zeugen K***, er sei nach dem Stich "auf und hinaus aus der Wohnung" nicht speziell auseinandersetzte; genug daran, daß das Schöffengericht im Sinne der im § 270 Abs. 2 Z 5 StPO normierten gedrängten Begründungspflicht konstatierte, unmittelbar nach dem Stich hätten sowohl der Angeklagte als auch K*** die Wohnung verlassen (vgl US 7).

Zur Gänze nicht gesetzmäßig ausgeführt ist die Rechtsrüge (Z 9 lit a) des Angeklagten. Denn soweit darin nicht Begründungsmängel behauptet werden - auf diese wurde bereits oben

eingegangen - mißachtet sie den Grundsatz, daß eine Kritik an der rechtlichen Beurteilung eines Verhaltens nur auf der Basis der tatrichterlichen Feststellungen erfolgen kann. Wenn sie daher - eine erstgerichtliche Feststellung aus dem Zusammenhang lösend und an sich zutreffend - behauptet, für die Strafbarkeit des Betruges wäre erforderlich gewesen, daß der Angeklagte bereits bei Fahrtantritt vorgehabt hätte, den Fuhrlohn nicht zu bezahlen und daß es nicht ausreiche, daß er erst beim Betreten der Lokalität nicht mehr die Absicht hatte, wieder hinauszugehen und den Fahrpreis zu entrichten, wird dabei in prozeßordnungswidriger Weise übergangen, daß der Angeklagte nach den Annahmen der Tatrichter bei Antritt der Fahrt kein Geld bei sich hatte und demnach bereits bei Anmietung des Taxis vom Vorsatz erfüllt war, den Fuhrlohn nicht zu bezahlen (vgl US 5 f). Nicht auf der Tatsachenbasis des Ersturteils bewegt sich auch der weitere Beschwerdeeinwand, ein durch den Verkauf selbstgemalter Bilder erzieltes Einkommen könne nicht mit dem regelmäßigen Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit verglichen werden und der Angeklagte wäre demnach gar nicht in der Lage gewesen, sein (zukünftiges) Einkommen anzugeben; denn dabei wird übergangen, daß der Beschwerdeführer nach den erstgerichtlichen Konstatierungen ersichtlich schon vor dem Betrugszeitpunkt (11.11.1986) - also in der Vergangenheit - ein Jahreseinkommen von 60.000 S erzielt hatte und daß dieses Einkommen nicht nur aus dem Bilderverkauf, sondern auch aus sonstigen Gelegenheitsarbeiten stammte (vgl US 6).

Weshalb es schließlich von Relevanz sein soll, ob K*** bereits vor dem Lokal lag als der Angeklagte dieses betrat, oder ob dies erst später erfolgte, wird in der Beschwerde nicht weiter substantiiert und entzieht sich damit einer sachbezogenen Erörterung, die davon auszugehen hätte, daß sich der Angeklagte nach den erstgerichtlichen Konstatierungen überhaupt nicht um den von ihm in den Oberschenkel gestochenen K*** kümmerte, obwohl ihm bewußt war, daß er den Genannten verletzt hatte (vgl US 7 und 13). Nach dem Gesagten war mithin die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet nach § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die übrigen Entscheidungen fußen auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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