OGH 13Os61/88

OGH13Os61/8819.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Mai 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Takacs als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerald W*** wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 11.Februar 1988, GZ 8 c Vr 8892/87-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Der am 6.Mai 1965 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Gerald W*** ist der Verbrechen der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB. (I 2) und der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB. (I 3) sowie der Vergehen der gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht nach § 210 StGB. (I 1) und der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB. (I 4) schuldig erkannt worden. Darnach hat er in Wien von Ende 1982 bis 21.November 1986 mit Personen männlichen Geschlechts gewerbsmäßig gleichgeschlechtliche Unzucht getrieben (I 1); ferner hat er am 21. November 1986 Ryszard G*** durch die Aufforderung, er solle ihm 1.000 Schilling geben, weil er ihm sonst alle Knochen brechen werde, mit Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz durch gefährliche Drohung zur Behebung des genannten Geldbetrags beim nächstgelegenen Bankomaten und Ausfolgung der Barschaft an ihn genötigt (I 2); weiters hat er am 28.September 1987 Anita N*** mit Gewalt und durch gefährliche Drohung dadurch zur Duldung eines Analverkehr genötigt, daß er ihr gegenüber äußerte, wenn sie keinen Afterverkehr durchführen wolle, könne er es auch auf brutale Art machen, sie sodann bäuchlings aufs Bett warf und sagte, daß ihr Schreien nichts nütze, weil sie niemand hören werde, wenn sie wolle, werde er auch einen Kasten durch die Scheibe werfen und man würde das nicht bemerken, ihr Schläge versetzte und sodann mit der völlig eingeschüchterten Frau einen Analverkehr durchführte (I 4); schließlich hat er am 29.September 1987 Isabella B*** mit Gewalt bzw. durch gefährliche Drohung dadurch zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen getrachtet, daß er ihr in einem Park im Prater die Jacke herunterriß, an ihrem Pullover zerrte, ihr nach Hilferufen den Mund zuhielt, sie zu Boden warf, sich auf sie legte und mit ihr geschlechtlich verkehren wollte (I 3). Hingegen ist Gerald W*** von der Anklage, am 28.September 1987 in Wien Anita N*** auf die oben (zu I 4) geschilderte Weise auch zum außerehelichen Beischlaf genötigt zu haben, gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen worden (II).

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte in den Schuldsprüchen wegen der Verbrechen (I 2 und 3) und wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht (I 4) mit einer die Gründe des § 281 Abs 1 Z. 3 und 5 StPO. anrufenden Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Das Vorbringen zur Verfahrensrüge (Z. 3), der Beschwerdeführer sei zum "Vorfall mit Ryszard G***" (I 2) in der Hauptverhandlung nicht vernommen und dadurch seines wichtigsten Verteidigungsrechts, nämlich der zusammenhängenden Verantwortung zu diesem Faktum, beraubt worden, widerspricht der Aktenlage (siehe S. 226). Dazu kommt, daß der Katalog des § 281 Abs 1 Z. 3 StPO. eine Vorschrift, die das vom Beschwerdeführer reklamierte Recht unter Nichtigkeitssanktion stellte, nicht enthält.

Die Mängelrüge (Z. 5) erweist sich insgesamt als eine Bekämpfung der (unbedenklichen) schöffengerichtlichen Beweiswürdigung: So etwa, wenn (zu I 2) die Urteilskonstatierung, der Zeuge G*** sei eingeschüchtert worden und habe nicht einfach wegzugehen gewagt, im Hinblick auf zahlreiche Passanten auf dem Weg zur Geldbehebung aus dem Bankomaten, wie der Beschwerdeführer meint, "ganz unglaubwürdig" (S. 260) sei. Wenn von ihm ferner seine Verantwortung (zu I 3) als "glaubwürdig" und "nicht widerlegt" (S. 261) hingestellt oder die Feststellung, daß Isabella B*** von der Polizeistreife "am Boden liegend" aufgefunden wurde (S. 252), mit deren Angaben vor der Polizei, wonach es ihr gelungen war, wieder vom Boden aufzustehen (S. 93), als unvereinbar angesehen wird (S. 261). Hier wird ein der Tat nachfolgendes, an sich irrelevantes Geschehen aufgegriffen (abgesehen davon, daß die Konstatierung, die Frau sei auf dem Boden gelegen, S. 252, in der "Anzeige", wonach die Streifenbeamten "auf der Wiese eine Frau liegend wahrnehmen" konnten, S. 89, Deckung fände. Daß sich B*** noch vor der Kontaktaufnahme mit den Beamten vom Boden selbst erhob, ist mit der Wahrnehmung der Streifenbeamten durchaus vereinbar).

Schließlich räumt der Nichtigkeitswerber selbst (zu I 4) ein, daß der "angeklagte Tatbestand verwirklicht" wäre, wenn man der Zeugin N*** folgt (S. 261). Die Konklusion der Beschwerde, daß diesfalls auch das Freispruchsfaktum (II) zu einem Schuldspruch hätte führen müssen, verkennt, daß es dem Gericht nicht verwehrt ist, im Rahmen seiner Beweiswürdigung einem Zeugen nur teilweise Glauben zu schenken, Teilen seiner Aussage aber die Beweiskraft abzusprechen. Das ist hier in bezug auf die Zeugin N*** geschehen (S. 250). Die Aussage eines Zeugen entweder voll zur Feststellung zu erheben oder sie gänzlich abzulehnen, wie dies dem Beschwerdeführer vorzuschweben scheint, ist das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht verbunden (SSt. 51/19, EvBl 1957 Nr. 250, 1972 Nr. 36). Entgegen der Beschwerde hat der Senat aber ohnedies differenzierend dargelegt, aus welchen Gründen er bei Beischlaf und Mundverkehr (anders als beim Analverkehr) "- wenn überhaupt - nur zum Schein, also gespielten Widerstand" angenommen hat (S. 251). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z. 2 StPO.). Über die Berufung des Angeklagten wegen Strafe wird das Oberlandesgericht Wien zu befinden haben (§ 285 i StPO.).

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