OGH 7Ob579/88

OGH7Ob579/8819.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Angst und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hildegard M***, Pensionistin, 2628 N.Racine Avenue, Chicago, Illionois, USA, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Wilhelmine K***, Pensionistin, Maria Rain, Sipperstraße 4, vertreten durch Dr. Hans Paternioner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Anfechtung einer letztwilligen Verfügung (Streitwert S 350.000) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 9. Februar 1988, GZ. 1 R 17/88-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 16. Oktober 1987, GZ. 22 Cg 178/86-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.901,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.081,95 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 22.11.1909 geborene Johann M*** ist am 3.4.1985 verstorben. Er hinterließ als gesetzliche Erben seinen unehelichen Sohn Anton Hans S***, geboren am 22.12.1949, seinen Bruder Anton M***, geboren am 10.6.1914 und seine Schwester Hildegard M***, die Klägerin, geboren am 2.9.1918. In seinen letzten Lebensjahren hatte Johann M*** in Lebensgemeinschaft mit Wilhelmine K***, der Beklagten, gelebt.

Am 20.3.1985 errichtete Johann M*** eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene letztwillige Verfügung folgenden Inhalts:

"Testament

Mein letzter Wille. Nach meinem Tode vermache ich mein Vermögen

wie folgt.

An Frau Wilhelmine K*** dzt. wohnhaft in Klagenfurt, Völkermarkter Straße 67/1.Stg., vermache ich das neu erbaute Haus, Garage und Garten, samt Inventar in Tschedram, Sipperstraße 4, 9161 Maria-Rain,

Den Wald am Kömmel, die Kurnig Hube laut Mappe ca. 24 ha. Die Forstwirtschaft der Kurnig Hube am Kömmel, Gemeinde Bleiburg soll im Sinne der fideikommissarischen Verwaltung weitergeführt werden (Vorbehalt Ertragsgenuß)

Frau Wilhelmine K*** ist verpflichtet, die Grabstätte zu pflegen. Ein bescheidener Grabstein soll aufgestellt werden. Aus dem Sparbuch der K*** S*** Nr.1210-079883

Name-Weihnachten - Losungswort 22.11.09 - Betrag = Sch = 50.000,-- sollten die Auslagen verwendet werden. (Für die Beerdigung und Grabstätte).

An meinen Bruder Anton M*** O*** in Graz, Müntzergasse 3, vermache ich von der Kurnig-Hube 5,5 ha Wald laut Mappe Parzelle Nr.1167, 1170, 1172, 1175 und 1178. Aus der vorhandenen Garderobe kann Passendes zum Teil gewählt werden.

Die Münzensammlung in Silber und Gold laut beiliegender Aufstellung ist zur Hälfte M*** aufzuteilen.

Der a.e. Sohn Anton Hans S***, geboren 22.12.1949 in Klagenfurt, wird enterbt. Begründung = seit 30 Jahre kein Lebenszeichen außer einmal aus Spanien, wo er unter der folgenden Adresse sich meldete. E.D. Cabelia 3. F.Lomas - Colegial Foremolinos Malaga-Spanien, Geld verlangt hat. Nach Einholung einer Auskunft keine Antwort erhalten (siehe Unterlagen in meinen Akten). Erbteile nach meinem verstorbenen Bruder Manfred wurden allen Erbberechtigten zur Gänze ausbezahlt. Siehe Unterlagen in meinen Akten."

Auf Grund dieser letztwilligen Verfügung haben die Beklagte am 31.1.1986 zu dem gesamten Nachlaß aus dem Rechtsgrund der eigenhändig geschriebenen und als Testament bezeichneten letztwilligen Anordnung vom 20.3.1985 und die Klägerin ohne Quotenbenennung am 31.1.1986 aus dem Rechtsgrund des Gesetzes Erbserklärungen abgegeben.

Infolge dieser widerstreitenden Erbserklärungen hat das Bezirksgericht Klagenfurt als Verlassenschaftsgericht mit seinem Beschluß vom 4.3.1986 der Hildegard M*** die Klägerrolle zugewiesen.

Mit der vorliegenden Klage stellt die Klägerin das Begehren, die letztwillige Verfügung vom 20.3.1985 sei als Testament unwirksam; es werde festgestellt, daß der Beklagten nach dem am 3.4.1985 verstorbenen Johann M*** kein Erbrecht zustehe. Die Klägerin behauptet, es handle sich bei der letztwilligen Verfügung vom 20.3.1985 um kein Testament, sondern um ein Kodizill. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende Feststellungen:

Johann M*** hatte außer der Klägerin und seinem Bruder Anton noch die weiteren Geschwister Manfred und Franz M***. Der Nachlaß des am 26.2.1944 verstorbenen Johann M*** senior (des Vaters der Geschwister) wurde Katharina M*** (der Mutter der Geschwister) eingeantwortet, wobei bezüglich der "Nachlaßliegenschaften" (nicht "Liegenschaft Kömmel") die Einverleibung der Beschränkung des Eigentumsrechts durch die zugunsten der Kinder gemäß einem Erbvertrag angeordneten fideikommissarischen Substitution angeordnet wurde. Der am 4.10.1957 verstorbene Manfred M*** hinterließ insbesondere die mit Kaufvertrag vom 8.5.1951 erworbene Liegenschaft EZ 6 der KG Kömmel ("Kurnig Hube"). Er hatte am 22.7.1957 ein Testament errichtet, nach dem sein Vermögen seiner Mutter gehören und diese es nach ihrem Tod seinen Brüdern und Schwestern vermachen sollte. Nach dem Erbübereinkommen vom 28.7.1958 übernahm jedoch - nach einem Verzicht der Mutter auf ihr Vorerbrecht - Johann ("Hans") M*** (allein) die Liegenschaft am Kömmel und verpflichtete sich, seinen Geschwistern ein Erbteil von je S 15.000 zu bezahlen.

Zum Zeitpunkt seines Todes war Johann M*** Eigentümer der "Kurnig Hube", deren Verkehrswert zum 3.4.1985 S 3,923.805 betrug, des Hauses mit Garten in Tschedram (Verkehrswert S 1,8 Millionen), von Fahrnissen in diesem Haus (Verkehrswert S 78.805), eines PKWs Opel Rekord Baujahr 1970 (Verkehrswert S 2.000) sowie "persönlicher Gegenstände". Der Wert der dem Anton M*** vermachten Grundstücke aus der "Kurnig-Hube" betrug S 972.250.

Johann M*** hatte seit November 1960 in Lebensgemeinschaft mit der Beklagten gelebt und das Wohnhaus in Tschedram in den Jahren 1974 bis 1981 gemeinsam mit ihr aufgebaut. Er äußerte gegenüber der Beklagten, daß sie die Liegenschaft am Kömmel für die jetzige Generation erhalten müsse, daß diese Liegenschaft also nicht verkauft werden dürfe. Die Waldliegenschaft sollte der Erhaltung des Hauses dienen. Diese Äußerungen gab Johann M*** auch gegenüber Nachbarn und Freunden ab. Er äußerte sich auch, daß seine Verwandten alle ausbezahlt worden seien und daß mit seinen Geschwistern alles geregelt sei.

Nicht festzustellen vermochte das Erstgericht, ob Johann M*** in der Nachlaßabhandlung nach Manfred M*** im Jahr 1958 mit seinen Geschwistern und seiner Mutter eine Vereinbarung dahingehend getroffen hat, daß der Wald am Kömmel nicht verkauft und nach seinem Tod den Geschwistern zurückvererbt werde. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die letztwillige Verfügung vom 20.3.1985 stelle ein Testament dar, in dem die Beklagte zur Erbin eingesetzt werde. Im Zusammenhang mit dem ersten und dritten Absatz der letztwilligen Verfügung sowie in Verbindung mit den festgestellten Äußerungen, die Johann M*** seinen Nachbarn und Freunden gegenüber gemacht hat, könne der zweite Absatz nur dahin verstanden werden, daß auch der Wald am Kömmel - ausgenommen jener Teil, der dem Bruder Anton vermacht wurde - der Beklagten zufallen solle und daß eine fideikommissarische Substitution - wohl zugunsten der Geschwister des Verstorbenen - angeordnet werde, die Beklagte die Liegenschaft also nicht verkaufen dürfe. Der Umstand, daß der mit S 2.000 bewertete PKW in der letztwilligen Verfügung nicht erwähnt wird, lasse noch nicht darauf schließen, daß nur ein Kodizill vorliege. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000 übersteigt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte im Ergebnis dessen rechtliche Beurteilung.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin wegen § 503 Abs.1 Z 4 ZPO erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Die Erklärung des letzten Willens unterliegt den für Willenserklärungen bei Rechtsgeschäften überhaupt geltenden Regeln. Es ist also der wahre Wille des Erblassers zu erforschen. Dabei stellt die letztwillige Anordnung nicht die einzige Quelle der Auslegung dar; es sind auch außerhalb dieser Anordnung liegende Umstände aller Art, sonstige mündliche oder schriftliche Äußerungen sowie ausdrückliche oder konkludente Erklärungen des Erblassers zur Auslegung heranzuziehen. Die Auslegung muß allerdings in der letztwilligen Verfügung einen Anhaltspunkt finden; sie darf dem in der Verfügung ausgedrückten Willen des Erblassers nicht geradezu zuwiderlaufen (SZ 38/221). Die nicht bloß aus dem Inhalt der letztwilligen Verfügung, sondern aus sonstigen Beweismitteln gewonnene Auslegung stellt eine Feststellung des Bewußtseinsinhalts des Erblassers zur Zeit, da er die Verfügung getroffen hat, und somit eine Feststellung tatsächlicher Art dar, die im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden kann (SZ 38/221). Gelangten die Tatsacheninstanzen daher, wie im vorliegenden Fall, nicht nur auf Grund der Urkunde zur Feststellung des wahren Willens des Erblassers, liegt eine den Obersten Gerichtshof bindende Tatsachenfeststellung vor. Eine solche aber könnte nur dann mit Revision angefochten werden, wenn sie sich zu den Regeln der Sprache, zu allgemeinen Erkenntnisgrundsätzen oder zu gesetzlichen Auslegungsregeln in Widerspruch setzte (EvBl. 1971/34). Davon kann hier keine Rede sein. Zu dem Ergebnis, daß "den Wald am Kömmel die Kurnig Hube laut Mappe ca. 24 ha" (zweiter Absatz der letztwilligen Verfügung) - mit Ausnahme der dem Bruder des Verstorbenen vermachten, im einzelnen angeführten Grundstücke - ebenso die Beklagte erhalten solle, wie das im ersten Absatz der letztwilligen Verfügung genannte Haus, käme man vielmehr auch ohne weitere Beweisergebnisse allein auf Grund der "gewöhnlichen Bedeutung der Worte" (§ 655 ABGB) auf Grund sprachlicher Auslegung (Bydlinski in Rummel, ABGB, Rz 17 zu § 6); denn der zweite Absatz der Verfügung vom 20.3.1985 stellt - ungeachtet der Trennung durch einen Absatz - nichts anderes dar als eine Fortsetzung des ersten Absatzes ("......vermache ich das neu gebaute Haus.....den Wald am Kömmel.....").

Es ist im übrigen keineswegs von der Hand zu weisen, daß Johann M***, wie es dem Standpunkt der Klägerin entspricht, im zweiten Teil des zweiten Absatzes seiner letztwilligen Verfügung eine fideikommissarische Substitution anordnen wollte, wenngleich die Frage, zu wessen Gunsten diese Substitution erfolgen sollte, nach der Verfügung selbst kaum beantwortet werden kann. Rückschlüsse darauf, wem Johann M*** die Liegenschaft zunächst vermachen wollte, können daraus allerdings umso weniger gezogen werden, als die Revisionsausführungen über eine schon zuvor bestehende fideikommissarische Substitution verfehlt sind. Der Vater der Geschwister hat hinsichtlich des Waldgrundstückes eine solche Substitution nicht angeordnet; Manfred M*** hat dieses Grundstück vielmehr erst 1951 erworben. Die von Manfred M*** angeordnete fideikommissarische Substitution aber wurde durch das Erbteilungsübereinkommen vom 28.7.1958 vorweggenommen. Auszugehen ist daher, entgegen der Ansicht der Klägerin, davon, daß Johann M*** der Beklagten das Haus und von dem "Wald am Kömmel" ca. 24 ha und seinem Bruder von eben diesem Wald 5,5 ha vermacht und in seiner letztwilligen Verfügung nur einen alten PKW mit einem Verkehrswert von S 2.000 und einen Ring mit einem Verkehrswert von S 825,-- nicht erwähnt hat, Gegenstände also, die im Vergleich zum Liegenschaftsbesitz überhaupt nicht ins Gewicht fallen. Er hat daher Verfügungen über alle wesentlichen Stücke seines Vermögens getroffen. Die letztwillige Verfügung vom 20.3.1985 wurde daher von den Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum als Testament (mit Erbeinsetzung) und nicht als Kodizill (mit der Anordnung von Vermächtnissen) angesehen (vgl. Welser in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 535; Ehrenzweig2, Familien- und Erbrecht, 536). Dabei kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben, ob allein die Beklagte als Erbin und Anton M*** als Vermächtnisnehmer, oder aber beide Personen als Erben im Verhältnis der ihnen vermachten Nachlaßteile anzusehen sind; denn in beiden Fällen enthielte die Anordnung eine Erbeinsetzung und wäre daher als Testament zu qualifizieren. Gewiß können Zuwendungen auch dann, wenn das Zugedachte den größten Teil der Verlassenschaft ausmacht oder sogar den Nachlaß ganz aufzehrt, Vermächtnisse sein (Welser a.a.O.). Doch wäre in einem solchen Fall das Erbrecht vollkommen inhaltsleer. Dies träfe auch auf den vorliegenden Fall zu. Im Zweifel ist daher anzunehmen, daß Johann M*** nicht ein inhaltsleeres Erbrecht verfügen, sondern zumindest die Beklagte (vielleicht auch seinen Bruder) zum Erben einsetzen wollte (vgl. 7 Ob 154/64).

Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung erfolgt nach den §§ 41, 50 ZPO.

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