OGH 7Ob581/88 (7Ob582/88)

OGH7Ob581/88 (7Ob582/88)19.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Egermann, Dr. Angst und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Waltraud L***, Hausfrau, Wien 19., Sommergasse 1/9, geboren am 31. Mai 1945, vertreten durch Dr. Gerhard Kornek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei Günter Harald L***, Bundesbeamter, Wien 10., Columbusgasse 106/4/13, geboren am 25. April 1941, vertreten durch Dr. Helmut Hoppel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. Februar 1988, GZ 4 R 226/87-31, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 2. Juli 1987, GZ 22 Cg 357/84-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind seit dem 20. Juni 1977 miteinander verheiratet. Der Ehe entstammen keine Kinder.

Die Vorinstanzen haben die Ehe aus beiderseitigem Verschulden geschieden und den Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens unterlassen. Hiebei gingen sie von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Bis etwa 1980 verlief die Ehe der Streitteile im wesentlichen harmonisch. Zu dieser Zeit stellte der Beklagte und Widerkläger (kurz Beklagter) fest, daß die Klägerin und Widerbeklagte (kurz Klägerin), die nach einer Vereinbarung der Streitteile keiner Berufstätigkeit nachging, die Haushaltsführung vernachlässigt. Der Beklagte machte daher der Klägerin zunehmend Vorhaltungen, wobei er ihr auch verstärkten Alkoholkonsum vorwarf. Die Klägerin trank täglich etwa eine Flasche Bier oder zwei Achteln Wein, meist zu den Mahlzeiten. An Sommertagen konsumierte sie auch zwischendurch manchmal ein Achtel Wein gespritzt. In Gesellschaft trank sie fallweise etwas mehr.

Auf die Vorhaltungen des Beklagten reagierte die Klägerin kaum. Es änderte sich auch in der Folge nichts Wesentliches. Auf Vorschlag des Beklagten nahm die Klägerin kurzfristig eine Tätigkeit an. Ab etwa November 1983 beteiligte sie sich auf Vorschlag des Beklagten an einer Damenrunde, die allein ausging. Als die Klägerin einmal am 31. August 1984 nach Ansicht des Beklagten zu spät nach Hause kam, machte ihr der Beklagte Vorhalte, worauf eine weitere Beteiligung der Klägerin an Damentagen nicht mehr stattfand.

Die Vernachlässigung der Haushaltsführung durch die Klägerin führte dazu, daß der Beklagte im September 1984 die Scheidungsabsicht faßte, was er der Klägerin mitteilte. Die Klägerin lehnte jedoch ihre Zustimmung zu einer Scheidung ab. In der Folge kam es öfter zu verbalen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf gegenseitige Beschimpfungen stattfanden. Außerdem wurden im Zuge der nunmehrigen Auseinandersetzungen beide Teile tätlich. Schließlich verließ der Beklagte die eheliche Wohnung (bezüglich der Details sei auf die erstrichterlichen Feststellungen auf den Seiten 159 bis 167 des Aktes verwiesen).

Die Vorinstanzen gingen von einer unheilbaren Zerrüttung der Ehe aus. Beide Streitteile hätten schwere Eheverfehlungen gesetzt. Der Ausspruch überwiegenden Verschuldens eines der Streitteile nach § 60 EheG sei jedoch nur gerechtfertigt, wenn das Verschulden eines Ehegatten völlig in den Hintergrund trete, wobei der sehr erhebliche graduelle Unterschied offenkundig hervortreten müsse. Bei der Verschuldensabwägung komme es auf das gesamte Verhalten der Ehegatten im Zusammenhang, nicht so sehr auf eine Gegenüberstellung ihrer einzelnen Verfehlungen an, wobei besonders wichtig sei, wer die schuldhafte Zerrüttung eingeleitet oder wer zur unheilbaren Zerrüttung entscheidend beigetragen habe.

Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, daß die Klägerin die Ehekrise durch ihr Verhalten (Vernachlässigung des Haushaltes und Alkoholkonsum) eingeleitet habe. In der Folge habe jedoch auch der Beklagte durch Mißhandlung der Klägerin und Beschimpfungen schwere Eheverfehlungen gesetzt. Bei dieser Sachlage könne keine Rede davon sein, daß die Verfehlungen des einen Teiles gegenüber den Verfehlungen des andern Teiles derart offenkundig hervortreten, daß ein Ausspruch nach § 60 Abs 2 EheG gerechtfertigt wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die Revision richtet sich lediglich dagegen, daß die Vorinstanzen der Klägerin überhaupt ein Verschulden an der Ehezerrüttung angelastet haben und, falls dies mit Recht geschehen sein sollte, daß nicht das überwiegende Verschulden des Beklagten ausgesprochen worden ist.

Richtig hat das Berufungsgericht erkannt, daß der Ausspruch nach § 60 Abs 2 EheG nur dann zulässig ist, wenn das Verschulden eines Ehegatten erheblich schwerer ist als das des anderen, wobei der sehr erhebliche graduelle Unterschied offenkundig hervortreten muß (siehe die vom Berufungsgericht zitierte Literatur und Judikatur). Maßgebend ist das Gesamtverhalten der Ehegatten

(EFSlg 51.642 u.a.). Zu berücksichtigen ist, wer mit der schuldhaften Zerstörung der Ehe begonnen und wer einen entscheidenden Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung geleistet hat (EFSlg 51.643 u.a.). Erforderlich ist dagegen nicht, daß das Verhalten eines Ehegatten allein die Zerrüttung bewirkt hat. Auch dann, wenn ein lang dauerndes Verhalten eines Ehegatten für sich allein vielleicht noch nicht geeignet wäre, die Ehe endgültig zu zerrütten, wird es bei der Verschuldensbemessung entsprechend zu beachten sein, wenn es den Beginn einer Krise bewirkt hat, die schließlich durch das nachfolgende beiderseitige Verhalten zu einer unheilbaren Zerstörung der Basis für eine Ehe geführt hat. Der Klägerin sei zugegeben, daß nach den getroffenen Feststellungen von Alkoholexzessen oder Mißbräuchen ihrerseits keine Rede sein kann. Ihr festgestellter Alkoholkonsum überstieg nicht das allgemein als erträglich angesehene Ausmaß. Eindeutig festgestellt wurde jedoch die jahrelange Vernachlässigung der Haushaltsführung durch die Klägerin. Ihr nunmehriger Versuch, dies zu verneinen, ist in Wahrheit eine Bekämpfung der vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen, die für den Obersten Gerichtshof bindend sind. Nach diesen Feststellungen hat die Vernachlässigung der Haushaltsführung durch die Klägerin beim Beklagten zu einer Beeinträchtigung der Ehegesinnung geführt. Richtig gehen daher die Vorinstanzen davon aus, daß dieses Verhalten der Beklagten der ursächliche Beginn für die unheilbare Ehekrise war. Daß eine ständige Vernachlässigung der Haushaltsführung eine schwere Eheverfehlung darstellt, muß die Klägerin in der Revision selbst zugestehen.

Natürlich berechtigte das ehewidrige Verhalten der Klägerin den Beklagten nicht zu eigenen Eheverfehlungen. Daß der Beklagte solche gesetzt hat (Beschimpfungen und Mißhandlungen der Klägerin), steht fest und wird von ihm im Revisionsverfahren nicht mehr bestritten. Berücksichtigt man allerdings, daß auch die Klägerin nunmehr zusätzliche Eheverfehlungen begangen hat (auch sie hat nach den getroffenen Feststellungen den Beklagten immer wieder beschimpft und auch mißhandelt), so erweist sich, daß das nunmehr an den Tag gelegte Verhalten des Beklagten nicht derart ist, daß demgegenüber die klägerischen Eheverfehlungen gänzlich in den Hintergrund treten. Allenfalls mag man das Verhalten des Beklagten ab September 1984 etwas strenger beurteilen als das nunmehrige Verhalten der Klägerin, doch wird dies durch den Umstand ausgeglichen, daß im September 1984 durch das vorangegangene schuldhafte Verhalten der Klägerin die Ehe bereits in eine (wenn auch vielleicht noch nicht unheilbare) Krise geraten war.

Zusammenfassend ergibt sich also daß, wie die Vorinstanzen richtig erkennen, die Voraussetzungen des § 60 Abs 2 EheG für den Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe fehlen. Davon, daß die Klägerin überhaupt keine Eheverfehlungen gesetzt hat, kann natürlich schon gar keine Rede sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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