OGH 1Ob567/88

OGH1Ob567/8818.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Christoph G***, geboren am 20. August 1978, vertreten durch die Mutter Gabriela G***, München, Römerstraße 16, diese vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Kurt B***, Antiquitätenhändler, Innsbruck, Sterzingerstraße 8/IV, vertreten durch Dr. Helmut A.Rainer, Dr. Erwin Köll, Dr. Bernd Schmidinger, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Räumung infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 2. Dezember 1987, GZ 2 a R 593/87-12, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 14. August 1987, GZ 17 C 185/87-7, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Beklagte ist auf Grund eines mit der Rechtsvorgängerin des Klägers Erna V*** mündlich abgeschlossenen Bestandvertrages Mieter der im vierten Obergeschoß des Hauses Innsbruck, Sterzinger Straße 8, gelegenen Wohnung. Der monatliche Mietzins beträgt S 6.461,50 und war auf Grund der mit Erna V*** getroffenen Vereinbarung jeweils bis zum Zehnten eines jeden Monats zu bezahlen. Am 26. September 1986 wurde der Beklagte vom Hausverwalter Franz G*** wegen des für September 1986 rückständigen Mietzinses gemahnt. Mit Schreiben vom 1. Dezember 1986 forderte der Vertreter des Klägers den Beklagten namens "der Eigentümerin" auf, den bis 6. November 1986 aufgelaufenen Mietzinsrückstand von S 23.076,50 bis längstens 14. Dezember 1986 zu bezahlen, widrigenfalls das Bestandverhältnis gemäß § 1118 ABGB als aufgelöst gelte. Der Beklagte bezahlte am 11. Dezember 1986 den Betrag von S 10.000,- mit der Widmung "Miete Teilzahlung 1986", am 7. Jänner 1987 bezahlte er den weiteren Betrag von S 24.000,- und am 8. Jänner 1987 den Betrag von S 1.923,65.

Mit der am 15. April 1987 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Räumung der von ihm gemieteten Wohnung. Da der Beklagte den mit Schreiben vom 1. Dezember 1986 eingemahnten Mietzinsrückstand nicht innerhalb der ihm eingeräumten Nachfrist bis 14. Dezember 1986 bezahlt habe, sei das Bestandverhältnis gemäß § 1118 ABGB aufgelöst.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor: im Schreiben vom 1. Dezember 1986 sei die Auflösung des Bestandverhältnisses in Vertretung der Eigentümerin der Liegenschaft erklärt worden, worunter offenbar die bereits am 28. Mai 1983 verstorbene Erna V*** gemeint gewesen sei. Der Rückstand von S 23.076,50 sei zwar richtig errechnet, doch seien die darin enthaltenen Betriebskostenakontierungen überhöht. Am Zahlungsrückstand treffe ihn kein schweres Verschulden, weil er schwer asthmakrank sei und im Herbst 1986 ständig unter heftigen Asthmaanfällen gelitten habe, so daß es ihm nicht möglich gewesen sei, sich ausreichend um seine persönlichen Belange zu kümmern. Nach Erhalt der schriftlichen Aufforderung vom 1. Dezember 1986 habe er ohnehin unverzüglich eine Teilzahlung von S 10.000,- und am 7. bzw. 8. Jänner 1987 weitere S 25.923,65 bezahlt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Voraussetzungen des zweiten Falles des § 1118 ABGB lägen nicht vor. Die noch vor dem nächsten Zinstermin erfolgte Nachzahlung des Zinsrückstandes, auf den sich die Auflösungserklärung beschränke, stehe der Annahme eines qualifizierten Verzuges des Bestandnehmers entgegen. Der Beklagte habe zwar nicht innerhalb der ihm gesetzten Nachfrist, jedoch noch vor Fälligkeit des nächsten Zinstermines (10. Jänner 1987) den gesamten Zinsrückstand, auf den sich die Auflösungserklärung gestützt habe, beglichen. Demnach sei das Räumungsbegehren nicht gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehalts auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Auch wenn davon ausgegangen werde, daß die Miete jeweils am Zehnten eines jeden Monats zur Zahlung fällig gewesen sei, seien die Voraussetzungen des Auflösungstatbestandes des zweiten Falles des § 1118 ABGB erfüllt. Der Beklagte habe nämlich den Zinsrückstand, auf den sich die Auflösungserklärung beschränkt habe (Mietzinsrückstand bis einschließlich November 1986), weder vor dem nächsten Zinstermin (10. Dezember 1986) noch bis zu der im Mahnschreiben gesetzten Nachfrist (14. Dezember 1986) beglichen. Die Setzung der Nachfrist mit 14. Dezember 1986 habe nichts daran geändert, daß bereits am 10. Dezember 1986 der nächste Zins fällig geworden sei. Um die Auflösung des Bestandverhältnisses gemäß § 1118 ABGB zu verhindern, hätte der Beklagte daher den gesamten offenen Bestandzins innerhalb der gesetzten Nachfrist, somit bis 14. Dezember 1986, bezahlen müssen. Das Bestandverhältnis unterliege jedoch den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes. Der Beklagte habe sich im Sinne der Bestimmung des § 33 Abs.3 MRG darauf berufen, daß ihn am Mietzinsrückstand kein grobes Verschulden treffe und auch ein konkretes Sachvorbringen erstattet. Hiezu werde das Erstgericht, an das die Rechtssache zur Vermeidung höheren Kostenaufwandes zurückzuverweisen sei, Feststellungen zu treffen haben.

Rechtliche Beurteilung

Dem gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurs des Beklagten kommt Berechtigung zu.

Nach § 1118 ABGB kann der Bestandgeber die frühere Aufhebung des Vertrages fordern, wenn der Bestandnehmer nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, daß er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat. Lehre und Rechtsprechung verstehen diese Bestimmung dahin, daß der Aufhebungsgrund gegeben ist, wenn der Bestandnehmer trotz erfolgter Mahnung bis zum nächsten Zinstermin in Rückstand bleibt, so daß eine neuerliche Zinszahlung fällig geworden ist, bevor die vorhergehende vollständig entrichtet wurde (MietSlg. 37.185, 35.226, 30.228, 27.211; SZ 31/115 uva; Würth in Rummel, ABGB, Rz 15 zu § 1118; Ehrenzweig, System2 II/1, 473; Klang in seinem Komm2 V 123 f). Das Aufhebungsbegehren ist auch dann berechtigt, wenn nur Säumnis mit der Bezahlung eines Teilbetrages vorliegt (MietSlg. 37.185, 30.474/12, 28.165, Klang aaO 123). Zweck der in § 1118 ABGB vorgesehenen Einmahnung ist es, den Schuldner nochmals ausdrücklich auf die Fälligkeit seiner Zinsverbindlichkeit hinzuweisen und ihm durch die Setzung oder zumindest Gewährung einer angemessenen Nachfrist Gelegenheit zu geben, durch die Bezahlung der als dringlich erkannten Forderung die Gefahr einer für ihn vielleicht nachteiligen vorzeitigen Vertragsauflösung abzuwenden (MietSlg. 30.228; Anderluh, JBl. 1965, 127 f). Wird der rückständige Bestandzins innerhalb angemessener oder innerhalb der gesetzten Nachfrist bezahlt, wird der Vertragsauflösungserklärung des Bestandgebers die rechtliche Grundlage entzogen (MietSlg. 37.185, 30.228).

Daß der Beklagte das Schreiben des Vertreters des Klägers vom 1. Dezember 1986, mit dem die Einmahnung des rückständigen Bestandzinses unter Setzung einer Nachfrist erfolgte, nicht erhalten hätte, wurde im Verfahren nicht geltend gemacht. Das Vorbringen des Beklagten insbesondere in seinem Schriftsatz vom 26. Mai 1987 (ON 3) kann vielmehr nur dahin verstanden werden, daß ihm dieses Schreiben zeitgerecht zugekommen ist. Es konnte für den Beklagten auch nicht zweifelhaft sein, daß die Erklärung der Auflösung des Bestandverhältnisses von Rechtsanwalt Dr. Axel Fuith namens des Hauseigentümers erklärt wurde; dessen unrichtige Bezeichnung im Schreiben vom 1. Dezember 1986 ist daher unschädlich. Mit dem Schreiben vom 1. Dezember 1986 wurde der bis 6. November 1986 aufgelaufene Mietzinsrückstand im Betrag von S 23.076,50 eingemahnt, dem Beklagten eine Nachfrist zur Bezahlung dieses Betrages bis 14. Dezember 1986 gewährt und zugleich für den Fall der Nichtzahlung des rückständigen Bestandzinses die Auflösung des Bestandverhältnisses gemäß § 1118 ABGB erklärt. Der auf die Einmahnung folgende nächste Zinstermin im Sinne des § 1118 ABGB war der 10. Dezember 1986. Im Hinblick auf die ihm gewährte Zahlungsfrist mußte der Beklagte den Zinsrückstand nur nicht bis zum nächsten Zinstermin, also bis zum 10. Dezember 1986, sondern erst bis 14. Dezember 1986 entrichten. Der Einmahnung unter Setzung einer Zahlungsfrist kann aber nicht die Bedeutung beigemessen werden, daß als nächster Zinstermin nicht der 10. Dezember 1986, sondern erst der 10. Jänner 1987 zu gelten hatte. Bis zum 14. Dezember 1986 hatte der Beklagte aber nur eine Teilzahlung von S 10.000,- geleistet, was dem Aufhebungsbegehren nicht die Grundlage entzog. Der Kläger hat sich des Rechts zur Aufhebung des Bestandvertrages aber auch nicht verschwiegen, da der bis 6. November 1986 aufgelaufene Mietzinsrückstand bereits mit Schreiben vom 1. Dezember 1986 eingemahnt und für den Fall der Nichtzahlung des Bestandzinses bis zum 14. Dezember 1986 die Vertragsaufhebung ausgesprochen wurde (vgl. Würth aaO Rz 6 zu § 1118 ABGB). Die Einbringung der Räumungsklage am 15. April 1987 rechtfertigt nicht die Annahme, der Kläger hätte sich des Rechts, die Räumung zu begehren, verschwiegen. Die Voraussetzungen für die Auflösung des Bestandverhältnisses gemäß § 1118 ABGB sind daher gegeben.

Der Beklagte hat sich gemäß § 33 Abs.3 MRG darauf berufen (ON 3, S 2), daß ihn am Zinsrückstand kein grobes Verschulden treffe. Er hat geltend gemacht, daß er schwer asthmakrank sei und im Herbst 1986 ständig unter heftigen Asthmaanfällen gelitten habe, so daß es ihm längere Zeit nicht möglich gewesen sei, sich um seine persönlichen Belange zu kümmern. Das weitere in diesem Zusammenhang erstattete Vorbringen, es seien ihm in den Jahren 1983 bis 1985 überhöhte Betriebskosten vorgeschrieben worden, die er im Jahre 1986 im Aufrechnungswege getilgt habe, ist für die Frage, ob den Beklagten am Zinsrückstand ein grobes Verschulden trifft nicht von Belang. Die Höhe des (vom Beklagten in der Folge berichtigten) Zinsrückstandes von S 23.076,50 wird im Rekurs nicht in Zweifel gezogen. Die ergänzende Beweisaufnahme zur Klärung der Frage, ob den Beklagten am Zinsrückstand ein grobes Verschulden trifft, wird voraussichtlich ohne größeren Verfahrensaufwand möglich sein, so daß diese Ergänzung, wie der Kläger in der Rekursbeantwortung zutreffend geltend macht, gemäß § 496 Abs.3 ZPO vom Berufungsgericht vorzunehmen sein wird.

Demzufolge ist spruchgemäß zu entschieden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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