OGH 3Ob522/88

OGH3Ob522/8818.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl A***, Arbeiter, Wien 22., Schiffmühlenstraße 44/25/20, vertreten durch Dr. Robert Krepp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Alfred H***, Rechtsanwalt, Wien 3., Weißgerberlände 40, vertreten durch Dr. Otto Philp und Dr. Gottfried Zandl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 67.889,82 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 29. Februar 1988, GZ 12 R 181/87-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 29. Mai 1987, GZ 39 Cg 264/86-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 308,85 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt die Feststellung, der Beklagte sei ihm für jeden Schaden ersatzpflichtig, der ihm daraus erwachse, daß der Beklagte ihn von der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der K*** Transport- und Handelsgesellschaft mbH mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 15. April 1986 und seiner Bestellung zum Masseverwalter nicht so rechtzeitig informiert habe, daß der Kläger von seinem Austrittsrecht gemäß § 25 KO rechtzeitig Gebrauch hätte machen können. Der Kläger bringt vor, er sei vom 31. März 1980 bis 30. September 1985 bei der K***

Transport- und Handelsgesellschaft mbH als Kraftfahrer beschäftigt gewesen. Am 15. April 1985 sei vom Handelsgericht Wien der Anschlußkonkurs über das Unternehmen eröffnet worden. Der Beklagte als Masseverwalter habe dem Kläger davon keine Mitteilung gemacht, so daß dieser sein Austrittsrecht nach § 25 KO nicht habe ausüben und die viermonatige Frist zur Antragstellung auf Insolvenzausfallgeld nicht habe wahren können. Den Beklagten träfen die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers, weshalb er das Unterbleiben der Mitteilung zu vertreten habe. Es sei wahrscheinlich, daß der Kläger mit seinen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis nicht zum Zuge kommen werde. Er habe daher ein Interesse an der Feststellung der Haftung des Beklagten für diesen Ausfall.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, es sei weder in der Konkursordnung, noch auch in der Ausgleichsordnung oder im Insolvenzentgeltsicherungsgesetz eine Verständigungspflicht des Masseverwalters gegenüber den Arbeitnehmern normiert. Es sei Sache der Arbeitnehmer, sich um ihre Forderungen zu kümmern. Überdies sei dem Kläger die Konkurseröffnung durch den Gemeinschuldner mitgeteilt worden.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Kläger war vom 31. März 1980 bis 30. September 1985 bei der K*** Transportgesellschaft mbH als Kraftfahrer beschäftigt. Am 18. September 1984 wurde das Ausgleichsverfahren über seinen Dienstgeber eröffnet. Der Kläger wurde hiefür noch am selben Tag durch Rudolf K*** mit dem Beifügen verständigt, er möge sich keine Sorgen machen, er, Rudolf K***, werde den Betrieb schon weiterführen.

Am 15. April 1985 wurde über das Vermögen der K*** Transportgesellschaft mbH der Konkurs als Anschlußkonkurs eröffnet. Zum Masseverwalter wurde der Beklagte bestellt. Im Juli 1985 wurden fünf Dienstnehmer der Gesellschaft entlassen. Am 1. August 1985 wurde das Lager des Gemeinschuldners in Wien 10., Grundeckergasse 11, aus Einsparungsgründen aufgelassen. Am 30. September 1985 endete das Dienstverhältnis des Klägers durch eine vom Geschäftsführer zwei Wochen vorher mündlich ausgesprochene Kündigung. Der Beklagte genehmigte diese Kündigung und anerkannte, daß dem Kläger an Abfertigung und Sonderzahlungen ein Betrag von 67.889,62 S als Masseforderung zusteht.

Das Konkursverfahren ist (zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung dieses Verfahrens) noch nicht abgeschlossen, die Begleichung der Masseforderung ist nicht gesichert. Der Beklagte hat die Dienstnehmer der K*** Transportgesellschaft mbH weder von der Ausgleichseröffnung, noch auch vom Anschlußkonkurs verständigt.

Am 14. Oktober 1985 stellte der Kläger beim Arbeitsamt einen Antrag auf Insolvenzausfallsgeld gemäß dem Insolvenzentgeltsicherungsgesetz. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 17. Jänner 1986 gemäß § 6 Abs 1 iVm § 3 Abs 1 des ISG zurückgewiesen. Der Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Nicht festgestellt werden konnte, ob der Kläger von der Eröffnung des Anschlußkonkurses "unmittelbar nach dieser" Kenntnis hatte.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die Zustellung einer Ediktsausfertigung an die Arbeitnehmer des Gemeinschuldners sei in § 75 Abs 3 KO nicht vorgesehen. Eine Zustellung des Edikts an die Arbeitnehmer durch den Masseverwalter werde vom Gesetzgeber offensichtlich nicht für erforderlich gehalten, weil die Dienstnehmer in einer engen Verbindung mit dem Unternehmen stünden und die Feststellung einer Konkurseröffnung für sie deshalb leicht möglich sei. Ziel des Insolvenzverfahrens sei vornehmlich die Sanierung des Unternehmens. Würde man vom Masseverwalter verlangen, die Dienstnehmer des Gemeinschuldners gesondert zu verständigen, könnte dies als Signal für die Dienstnehmer aufgefaßt werden, unverzüglich ihren Austritt aus dem Dienstverhältnis nach der Konkursordnung zu erklären. Das Unternehmen könnte jedoch ohne Dienstnehmer nicht mehr fortgeführt werden. Eine Verständigungspflicht des Masseverwalters ergebe sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstgebers. Die vom Kläger angenommene Fürsorgepflicht des Masseverwalters für die Arbeitnehmer des Gemeinschuldners widerspreche auch den Funktionen des Masseverwalters im Sinne der Konkursordnung. Aufgabe des Masseverwalters sei es, entweder ein vorhandenes Unternehmen vorteilhaft weiterzuführen oder es unter Rücksichtnahme auf den Vorteil der Konkursgläubiger zu liquidieren. Es könne ihn daher nicht die Fürsorgepflicht eines "normalen" Unternehmers treffen. Das Berufungsgericht - es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 60.000 S, aber nicht 300.000 S übersteige und daß die Revision zulässig sei - teilte diese Rechtsansicht. Eine aus der allgemeinen Fürsorgepflicht abzuleitende Informationspflicht könne sich nur auf Rechte aus dem Dienstverhältnis beziehen, nicht aber auf solche, die es dem Arbeitnehmer ermöglichen sollen, gerade dieses Dienstverhältnis früher zur Auflösung zu bringen. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil über die entscheidende Rechtsfrage keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege,

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Gegen die Zulässigkeit des Rechtsweges bestehen keine Bedenken, weil der Masseverwalter nicht gerichtliches Organ iS des § 1 Abs 1 AHG ist (Schragel, AHG2 50 f mwN).

Eine Verpflichtung des Masseverwalters, die Dienstnehmer des Gemeinschuldners von der Konkurseröffnung zu verständigen, ist nach der Konkursordnung nicht gegeben. Ausfertigungen des Ediktes sind unter anderem nach § 75 Abs 3 Z 2 KO jedem im Unternehmen errichteten Organ der Belegschaft und nach § 75 Abs 4 KO, wenn der Gemeinschuldner Unternehmer ist, der für ihn und der für seine Arbeitnehmer zuständigen gesetzlichen Interessenvertretung zuzustellen. Diese Zustellungen hat allerdings das Konkursgericht und nicht der Masseverwalter zu veranlassen (dessen Bestellung, Verantwortlichkeit, Befugnisse und Pflichten in den §§ 80 bis 87 KO festgelegt werden). Daß, falls in dem Unternehmen ein Organ der Belegschaft (Betriebsrat) nicht errichtet ist, die einzelnen Dienstnehmer zu verständigen seien, geht aus § 75 KO nicht hervor, zumal in Abs 4 der genannten Gesetzesstelle (Zustellung des Edikts an die für die Arbeitnehmer zuständige gesetzliche Interessenvertretung) hiefür eine gewisse andere Vorsorge getroffen wurde.

Eine Verständigung der Dienstnehmer des Gemeinschuldners kann auch dem § 81 KO nicht entnommen werden. Danach umfaßt die Tätigkeit des Masseverwalters in der Hauptsache die Untersuchung der wirtschaftlichen Lage des Gemeinschuldners, seiner Geschäftsführung und der Ursachen des Vermögensverfalls, der Aussichten, den Geschäftsbetrieb des Unternehmens aufrecht zu erhalten und fortzuführen; die Ermittlung des Standes der Masse, die Feststellung der Aktiven, die Einbringung und Sicherung der Aktiven sowie die Verwaltung und Verwertung der Masse, besonders des Unternehmens, das nicht fortgeführt werden kann (Bartsch-Heil, Grundriß des Insolvenzrechtes4 Rz 273). Bei der Fortführung des Unternehmens des Schuldners, der Erfüllung der von diesem abgeschlossenen Geschäfte, dem Abschluß neuer Rechtsgeschäfte und ähnlichem handelt der Masseverwalter im Namen des Gemeinschuldners, als dessen gesetzlicher Vertreter (Bartsch-Pollak, KO3 Anm. 7 zu den §§ 81 bis 83). Der Masseverwalter hat deshalb, worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, auch die Funktionen des Arbeitgebers auszuüben (Holzer, Insolvenz und Arbeitsverhältnis, DRdA 1984, 310; Kropf, Zur Notwendigkeit der Sicherung von Arbeitnehmeransprüchen bei Insolvenz des Arbeitgebers, DRdA 1975, 255), und es obliegt ihm auch dessen Fürsorgepflicht iS des § 1157 ABGB (Kryda, Konkurs und Arbeitsverhältnis, SozSi 1977, 137).

Der Beklagte hat aber diese Fürsorgepflicht nicht verletzt. Wie der Revisionswerber selbst ausführt, hat das Fehlen einer gesetzlichen Bestimmung, wonach den Dienstnehmern von der Konkurseröffnung Mitteilung zu machen wäre, seinen Grund offensichtlich darin, daß in einem kleinen Betrieb, der nicht einmal einen Betriebsrat hat, die Tatsache der Konkurseröffnung im allgemeinen keinem Dienstnehmer verborgen bleiben kann. Daß diese Annahme beim Kläger aus bestimmten Gründen nicht zutreffe und daß aus einem solchen besonderen Grund bei ihm eine Verständigung doch durchzuführen gewesen wäre, hat der Kläger im Verfahren vor dem Erstgericht nicht einmal behauptet.

Mit Recht haben daher die Vorinstanzen das Klagebegehren abgewiesen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41 und 50 ZPO.

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