OGH 2Ob593/87 (2Ob594/87)

OGH2Ob593/87 (2Ob594/87)17.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Johann R***, Gendarmeriebeamter, 9113 Ruden, Lind 9, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte und widerklagende Partei Waltraud R***, Hausfrau,

9150 Bleiburg, Nelkenweg 4, vertreten durch Dr. Günther Karpf, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Ehescheidung, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 22. Jänner 1987, GZ 1 R 171, 172/86-15, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 4. Juli 1986, GZ 27 Cg 121/86 (27 Cg 159/86)-8, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Keiner der Revisionen wird Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte die Scheidung seiner Ehe mit der Beklagten aus deren Verschulden und machte die im angefochtenen Urteil im einzelnen angeführten Eheverfehlungen geltend.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Scheidungsbegehrens des Klägers und erhob Widerklage mit dem Antrag auf Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Klägers und Widerbeklagten. Sie legte ihm die vom Berufungsgericht im einzelnen dargestellten Eheverfehlungen zur Last.

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem Alleinverschulden der Beklagten und Widerklägerin.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil nach Beweiswiederholung dahin ab, daß es die Ehe der Streitteile aus dem Verschulden beider Ehegatten schied und ein überwiegendes Verschulden des Klägers und Widerbeklagten an der Ehescheidung aussprach. Es legte seinem Urteilsspruch folgenden Sachverhalt zugrunde:

Der am 15. November 1975 geschlossenen Ehe der Streitteile entstammen die Kinder Alexandra, geboren am 27. Oktober 1976 und Thomas, geboren am 1. August 1979. Nach der bald nach der Eheschließung erfolgten Dienstversetzung des Klägers zum Gendarmerieposten Bleiburg war der Kläger zunächst darüber erfreut, daß er dort die Möglichkeit hatte, im Hause seiner Schwiegereltern in Bleiburg, Nelkenweg 4, Wohnung nehmen zu können. Nach der Geburt der Kinder stellte sich allerdings eine gewisse Raumknappheit - die Ehewohnung bestand nach dem übereinstimmenden Parteivorbringen aus Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Nebenräumlichkeiten im Gesamtausmaß von ca. 75 m2 - heraus, die dazu führte, daß die Parteien in getrennten Räumen nächtigten, zumal die Kinder auch krankheitsbedingt bei der Beklagten schlafen mußten. Der Kläger interessierte sich daher für eine größere Wohnung, der Beklagten hingegen erschien die Wohnung bei ihren Eltern nicht so klein, daß ein Wohnungswechsel erforderlich sei. Im Sommer 1985 wurde ihr das Alleineigentum am Hause Bleiburg, Nelkenweg 4, übertragen. Im Parterre wohnten weiterhin ihre Eltern und die Ehewohnung der Streitteile befand sich im ersten Stock. Im Laufe der Zeit äußerte der Kläger die Ansicht, eine andere eheliche Wohnung zu beziehen oder das Haus Bleiburg, Nelkenweg 4, zu erweitern. Zu derartigen Maßnahmen ist es jedoch nicht gekommen. Die Gespräche über das Bedürfnis nach einer größeren Wohnung belasteten das eheliche Verhältnis der Parteien nicht wesentlich und die Ehe verlief bis zum Sommer 1985 harmonisch. Die Übertragung des Eigentums am Haus an die Beklagte kam für den Kläger überraschend. Seit diesem Zeitpunkt wies sie ihn darauf hin, daß es sich um ihr Haus handle und sie aus diesem nicht ausziehen würde. Der Kläger, der bis dahin Wohnungsmieter gewesen war, fühlte sich rechtlos. Seit dem Herbst 1985 begannen sich die ehelichen Beziehungen der Streitteile zu verschlechtern. Der Kläger beschimpfte die Beklagte und verbrachte die Freizeit außerhalb der Familie. Nach Auffassung der Beklagten war er bei Anna N***. Jedenfalls hielt er sich, nachdem er schon jahrelang freundschaftliche Kontakte zu den Ehegatten Valentin und Anna N*** hatte, wiederholt in deren Wohnung auf. Es kam allerdings vor, daß auch die Beklagte dort erschien. Am 29. oder 30. Dezember 1985 wollte die Beklagte den Kläger am Gendarmerieposten abholen. Da er dort nicht anzutreffen war, nahm sie an, daß er in der Wohnung der Eheleute N*** sei, was sich als richtig herausstellte. Sie traf ihn und Anna N*** eng nebeneinander sitzend an, worauf sie sich ebenfalls kurz zu den beiden setzte. Der Kläger mahnte jedoch zum baldigen Aufbruch. Schon vor dem Sommer 1985 war der Beklagten durch Gerede zu Ohren gekommen, der Kläger habe Beziehungen zu Anna N***. Diesen Gerüchten hatte sie vorerst keinen Glauben geschenkt. Zu Silvester 1985 waren die Streitteile sowohl von den Ehegatten N*** als auch von einer Halbcousine der Beklagten eingeladen. Sie konnten sich jedoch nicht einigen. Während die Beklagte ihre Halbcousine aufsuchte, begab sich der Kläger in die Wohnung der Ehegatten N***. Dort war er mit Anna N*** zumindest ca. 3 Stunden allein. Die beiden unterhielten sich "sehr familiär". Daß es dabei zu Intimitäten, insbesondere zu einem Ehebruch, gekommen wäre, ist allerdings nicht erwiesen. Die Beklagte, ihr Stiefvater Ferdinand K*** und ihre Halbcousine Silvia P*** beobachteten die Wohnung der Ehegatten N*** währenddessen durch längere Zeit und vermeinten, akustische Wahrnehmungen gemacht zu haben, die auf einen Geschlechtsverkehr hingedeutet hätten. Die Fenster dieser Wohnung schließen jedoch, wie der vom Berufungsgericht durchgeführte Lokalaugenschein ergab, so dicht, daß Worte nur bei erhobener Stimme mit an die Scheibe gelegtem Ohr verstanden werden können. Wohl fragte der Kläger beim Gendarmerieposten telefonisch an, ob die Beklagte ihn schon gesucht habe. Nach Mitternacht kam er nach Hause. Er machte gegenüber der Beklagten und seinen Schwiegereltern einen ängstlichen Eindruck, entschuldigte sich auch für die Unannehmlichkeiten, die er bereitet hätte und versprach der Beklagten, Anna N*** nicht mehr aufzusuchen. Die Beklagte beruhigte sich nur kurzzeitig. Wohl verkehrten die Streitteile nach Neujahr 1986 noch einige Male, jedenfalls bis 19. Februar 1986, geschlechtlich miteinander, ohne daß es jedoch zu einer Versöhnung gekommen wäre. Die Beklagte machte dem Kläger immer wieder Vorhaltungen wegen Anna N*** und beschimpfte ihn. Am 6. Jänner 1986 verlangte sie von ihm eine schriftliche Erklärung, er solle sich zu lebenslanger Unterhaltszahlung verpflichten und, wenn er den Ehebruch nicht zugebe, würde sie die Scheidungsklage einbringen. Sollte er den Forderungen der Beklagten nicht nachkommen, so möge er aus dem Haus verschwinden. Die Beklagte warf ihm auch ehebrecherische Beziehungen zu einer anderen, älteren Frau vor, und wäre nur unter der Voraussetzung bereit gewesen ihm zu verzeihen, wenn er nicht mehr zu Anna N*** gegangen wäre. Am 19. Februar 1986 suchte der Kläger die Familie N*** wieder auf. Er unterhielt sich "im vertrauten Kreis" mit den Ehegatten N***, als die Beklagte erschien. Es kam zu einer Auseinandersetzung, bei welcher die Beklagte die Anna N*** als Hure und den Valentin N*** als Hampelmann bezeichnete. Der Kläger nannte die Beklagte eine "blöde Kuh", sie solle nach Hause verschwinden, er würde am Gendarmerieposten schlafen. Die Beklagte begab sich nach Hause, versperrte die Haustüre und ließ den Schlüssel innen stecken, sodaß der Kläger nicht eintreten konnte. Nachdem er geläutet hatte, meinte sie, sie würde ihn heute nicht hereinlassen, weil er bei der Familie N*** war. In Gegenwart der Beklagten öffnete sodann ihre Mutter die Tür und machte dem Kläger Vorhaltungen und beschimpfte ihn. Jedenfalls kam der Kläger nicht in die Ehewohnung und nächtigte bei seinen Eltern. Kurz darauf rief die Beklagte die Mutter des Klägers an, glaubte, der Kläger ließe sich verleugnen, ärgerte sich darüber und sagte seiner Mutter, sie können den "Hurenbock" behalten. In der Folge nächtigte der Kläger bei seinen Eltern oder auf dem Gendarmerieposten in Globasnitz, aber auch in der ehelichen Wohnung, wohin er selbst nach seinem sodann am 4. März 1986 erfolgten Auszug noch bis zu Ostern 1986 gekommen war. Er hätte nach dem 19. Februar 1986 die Möglichkeit gehabt, in der Ehewohnung Quartier zu beziehen, nahm jedoch davon Abstand, da ihm von der Beklagten, wenn dieser etwas nicht paßte, die Tür gewiesen wurde. Wenn die Beklagte auch schon ab Sommer 1985 das Angebot des Klägers, eine Wohnung im ersten Stock des Hauses seiner Eltern instandzusetzen, abgelehnt hatte, so stellte der Kläger die Beklagte doch erst nach dem 19. Februar 1986 vor die Alternative, in das Haus seiner Eltern nach Lind zu ziehen, widrigenfalls die Ehe nicht aufrecht erhalten werden könne. Während des Scheidungsverfahrens weigerte sich die Beklagte, im Hause der Eltern des Klägers Wohnung zu nehmen. Am 23. Februar 1986 hielt sich der Kläger bis vor Mitternacht in der ehelichen Wohnung auf, erklärte jedoch dann, er werde am Posten schlafen. Am 2. März 1986 besuchte er seine Kinder in der ehelichen Wohnung. Die Beklagte machte ihm Vorwürfe und es kam zu einer Streitigkeit mit gegenseitigen Beschimpfungen, in welche sich auch die Eltern der Beklagten einmischten. Der Kläger erklärte, unter solchen Verhältnissen nicht leben zu können. Am 2. März 1986 fuhr er mit dem Kind Thomas zu einem Augenarzt, am 4. März 1986 holte er seine gesamte persönliche Habe von der ehelichen Wohnung ab. Nachdem er zu Ostern 1986 in der Ehewohnung mit dem Kind Thomas gespielt hatte, fehlten der Beklagten aus ihrer Geldtasche 3.000 S. Sie rief hierauf den Kläger an und erklärte ihm, er hätte ihr dieses Geld gestohlen. Der Kläger erstattete Selbstanzeige. Die Beklagte erinnerte sich jedoch sodann daran, daß sie das Geld ihrer Mutter zur Aufbewahrung gegeben hatte und klärte die Situation gegenüber dem Kläger und der Gendarmerie auf.

In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Berufungsgericht auf die Rechtsprechung, wonach jeder Ehegatte verpflichtet sei, alles zu unterlassen, was geeignet erscheint, auch nur den objektiv begründeten Anschein ehewidriger Beziehungen zu erwecken, und wonach in der Aufrechterhaltung auch nur freundschaftlicher Beziehungen zu einer Person des anderen Geschlechtes eine schwere Eheverfehlung zu erblicken sei, wenn sie gegen den ausdrücklichen und erkennbaren Willen des anderen Ehegatten erfolgt und geeignet erscheine, eine Entfremdung zwischen den Ehegatten herbeizuführen. In diesem Sinne habe der Kläger aber die Beklagte zu Gunsten der Anna N*** vernachlässigt, insbesondere habe er den Silvesterabend, den üblicherweise Ehegatten gemeinsam zu verbringen pflegten, mit Anna N*** in deren Wohnung allein zugebracht und entgegen seiner Versprechung diese am 19. Februar 1986 neuerlich besucht. Dieses Verhalten sei subjektiv und objektiv geeignet gewesen, die Ehe der Streitteile zu zerrütten. Dem Kläger sei aber auch vorzuwerfen, daß er die eheliche Gemeinschaft verlassen habe, obwohl er zugegebenermaßen die Möglichkeit gehabt hätte, dort zu verbleiben und es in seiner Hand gelegen wäre, die dieses eheliche Verhältnis bis zur vollkommenen Zerrüttung belastenden Auseinandersetzungen durch endgültigen Abbruch seiner Beziehungen zu Anna N*** hintanzuhalten. Nur besonders schwere Eheverfehlungen rechtfertigten die eigenmächtige Aufgabe der ehelichen Gemeinschaft durch den anderen Teil. Solche besonders schwere Verfehlungen habe die Beklagte durch die Wiederholung von Vorwürfen gegenüber dem Kläger, durch Beschimpfungen gegen ihn und durch seine einmalige Aussperrung am 19. Februar 1986 nicht begangen. Der ihr gegenüber vom Kläger erhobene Vorwurf, sie sei unbegründet eifersüchtig gewesen, erscheine im Hinblick auf seinen Umgang mit Anna N*** nicht zutreffend. Eine Übersiedlung in eine größere Wohnung habe der Kläger ernstlich erst nach den Ereignissen vom 19. Februar 1986 verlangt, doch sei die Ehe der Parteien damals, insbesondere durch das Verhalten des Klägers, weitgehend zerrüttet und das Verhältnis der Beklagten zu ihren Schwiegereltern bereits schwer beeinträchtigt gewesen. Die Weigerung der Beklagten, eine Wohnung im Hause der Eltern des Klägers zu beziehen, in der bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz ein Badezimmer und ein WC noch nicht fertiggestellt gewesen seien, könne somit ebenfalls nicht als schwere Eheverfehlung angesehen werden. Wohl habe die Beklagte dadurch, daß sie gegenüber dem Kläger ihre Rechte als Eigentümerin des Hauses, in welchem sich die Ehewohnung befand, hervorkehrte, insbesondere aber durch den unbegründeten Vorwurf eines Gelddiebstahles, ein Verhalten gezeigt, das geeignet gewesen sei, die Zerrüttung der Ehe der Parteien zu verstärken.

Verständlicherweise sei die Beklagte über die Beziehungen des Klägers zu Anna N***, insbesondere seinem Verhalten am Silvesterabend 1985, aufgebracht gewesen. Die Beklagte habe jedoch dem Kläger, obwohl er versprochen gehabt habe, nicht mehr zu Anna N*** zu gehen und dieses Versprechen bis zum 19. Februar 1986 eingehalten habe, wochenlang weitere Vorwürfe gemacht und auch versucht, ihn damit unter Druck zu setzen, um ihn zur Abgabe einer Erklärung über eine Unterhaltsverpflichtung sowie zum Geständnis eines Ehebruches zu veranlassen. Hiebei könne von einer entschuldbaren Reaktionshandlung nicht mehr gesprochen werden, denn eine solche nur gegeben, wenn sich ein Ehepartner in unmittelbarer Folge eines grob ehewidrigen Verhaltens des andern Teils dazu hinreißen lasse, in einer verständlichen Gemütsbewegung seinerseits Eheverfehlungen zu setzen. Auch mit den festgestellten Beschimpfungen, insbesondere der Aussperrung des Klägers am 19. Februar 1986, sei die Beklagte über das Maß einer derartigen entschuldbaren Reaktion hinausgegangen, wenngleich ihr diesbezügliches Verhalten auch als Folge des Versprechensbruches des Klägers weniger schwerwiegend zu betrachten sei. Insgesamt erschienen jedoch die ehewidrigen Beziehungen des Klägers zu Anna N*** auslösendes Moment für das ehewidrige Verhalten der Beklagten. Somit stehe dieses Verhalten im Zusammenhang mit den Eheverfehlungen des Klägers, es komme ihm aber die Bedeutung eigener schwerer Eheverfehlungen zu, sodaß von einer mangelnden sittlichen Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens des Klägers nicht gesprochen werden könne. Bei Berücksichtigung des Gesamtverhaltens der Parteien in seinem Zusammenhang ergebe sich, daß der Kläger den entscheidenden Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe durch seine ehewidrige Beziehung zu Anna N*** geleistet habe, sodaß der augenscheinlich hervortretende Unterschied zwischen den von beiden Parteien begangenen Eheverfehlungen die Scheidung der Ehe aus dem übrigen Verschulden des Klägers und Widerbeklagten rechtfertige. In seiner auf die Anfechtungsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO gestützten Revision beantragt der Kläger die Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, daß die Ehe der Streitteile aus dem Alleinverschulden der Beklagten, in eventu, daß sie aus dem beiderseitigen gleichteiligen Verschulden der Ehegatten geschieden werde.

Die Beklagte und Widerklägerin macht die Revisionsgründe des § 503 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO geltend und beantragt die Abänderung der berufungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne des Ausspruches des Alleinverschuldens des Klägers an der Scheidung der Ehe. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

In ihrer Revisionsbeantwortung beantragen die Streitteile jeweils, der gegnerischen Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Keine der Revisionen ist gerechtfertigt.

Als Verfahrensmangel rügt der Kläger die vom Berufungsgericht unterlassene Vornahme eines beantragten Ortsaugenscheines, durch welchen festgestellt hätte werden können, daß im ersten Stock des Hauses der Eltern des Klägers für Zwecke einer Ehewohnung geeignete Räumlichkeiten vorhanden seien, wobei zunächst die Sanitärräumlichkeiten der Eltern des Klägers mitbenützt hätte werden können.

In der Unterlassung dieser Beweisaufnahme kann indes kein Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens erblickt werden, weil die Frage der Eignung der dort gelegenen Räumlichkeiten als Ehewohnung aus rechtlichen Gründen unerheblich erscheint.

Der Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO ist somit nicht gegeben.

Die Beklagte rügt als Aktenwidrigkeit, das Berufungsgericht habe im Zusammenhang mit den Unterhaltszahlungen des Klägers mehrfach statt des Jahres "1986" unrichtig das Jahr "1985" angegeben, sodaß insoweit "offensichtlich ein Übertragungsirrtum" vorliege, den man aus den Akten unmittelbar erkennen könne.

Damit bringt die Beklagte aber selbst zum Ausdruck, daß es sich bei den angeführten Daten um bloße, zu berichtigende Schreibfehler handelt, denen auch keinerlei rechtliche Erheblichkeit für die Entscheidung zukommt.

Der behauptete Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 3 ZPO, der eine wesentliche Aktenwidrigkeit voraussetzt, ist demnach nicht gegeben.

Zu den beiderseitigen Rechtsrügen:

Der Kläger verweist in der Rechtsrüge im einzelnen auf die vom Berufungsgericht festgestellten Verhaltensweisen der Beklagten und erklärt, die berufungsgerichtliche Wertung, daß ihn an der Zerrüttung der Ehe das überwiegende Verschulden treffe, sei demgemäß unrichtig. Die Streitteile seien zu Silvester 1985 bei den Ehegatten N*** eingeladen gewesen, doch habe die Beklagte dieser Einladung, ohne sie abgeschlagen zu haben, schließlich nicht Folge geleistet. Der Kläger habe nicht vorhersehen können, daß er mit der Gastgeberin dort einige Stunden allein sein würde. Die Beklagte habe ihrerseits eine Einladung bei ihrer Halbcousine angenommen und solcherart den Silvesterabend auch nicht mit ihm verbracht. Zufolge der bereits gespannten Stimmung habe man sich eben nicht auf einen gemeinsamen Besuch einigen können. Am 19. Februar 1986 sei der Kläger lediglich deswegen zu den Ehegatten N*** gekommen, weil dort für ihn ein Autoschlüssel deponiert gewesen sei. Der "familiäre" Umgang des Klägers mit den eine harmonische Ehe führenden Ehegatten N*** ergebe sich aus einer jahrelangen guten Bekanntschaft aller Beteiligten. Die auch nach dem 19. Februar 1986 erfolgten Versuche des Klägers, die Beklagte zu einer Übersiedlung in das Haus der Eltern des Klägers zu bewegen, seien an deren Weigerung gescheitert. Auf Grund des vom Berufungsgericht festgestellten ehewidrigen Verhaltens der Beklagten habe der Kläger die eheliche Gemeinschaft zu Recht aufgehoben.

In der Rechtsrüge der Beklagten wird zunächst unter Hinweis auf die Beweisergebnisse die Unterlassung der Feststellung bemängelt, die Beklagte habe den Vorwurf des Diebstahls von 3.000 S sowohl gegenüber dem Kläger als auch gegenüber der Gendarmerie "noch am selben Tage" als auf einem Irrtum beruhend aufgeklärt. Bei Berücksichtigung dieses Umstandes könne dieser unberechtigte, für den Kläger auch völlig ohne Konsequenzen gebliebene Vorwurf nicht als schwere Eheverfehlung gewertet werden. Die sofortige Erstattung einer Selbstanzeige durch den Kläger sei vielmehr als liebloses Verhalten seinerseits anzusehen. Auch müsse bedacht werden, daß einem Ehegatten während einer mehr als zehnjährigen Ehedauer auch einmal irrtümlich eine ungerechtfertigte Unterstellung unterlaufen könne. Im weiteren wendet sich die Beklagte gegen die "pauschale" Beurteilung ihres Verhaltens als selbständige schwere Eheverfehlung. Tatsächlich stünden ihre angeblichen Eheverfehlungen jedenfalls stets in ursächlichem Zusammenhang mit jenen des Klägers und seien durch diese beeinflußt bzw. träten gegenüber diesen in ihrem Gewicht völlig zurück. Somit erscheine das Scheidungsbegehren des Klägers sittlich nicht gerechtfertigt. Darin, daß die Beklagte nach dem Hauserwerb den Kläger darauf hingewiesen habe, es handle sich um ihr Haus, aus welchem sie nicht ausziehen werde, liege keine schwere Eheverfehlung, zumal sie der Kläger erst nach dem 19. Februar 1986 "vor die Alternative" gestellt habe, in das Haus seiner Eltern zu ziehen, in welchem damals jedoch keine eigenen Sanitäranlagen vorhanden gewesen seien. Ihre Weigerung sei auch deswegen stichhältig gewesen, weil die Wohnung im eigenen Haus im großen und ganzen ausreichend erschienen sei und die Wohnungsnahme in einem fremden Haus finanzielle Nachteile, keinesfalls aber eine Verbesserung gebracht hätte. Die von der Beklagten gegenüber dem Kläger nach Silvester 1985 gezeigten Verhaltensweisen seien durch die verständlicherweiese tiefe Erschütterung ihrerseits über den nach ihrer subjektiven Überzeugung begangenen Ehebruch des Klägers zu sehen, wie ebenso die Beschimpfungen vom 19. Februar 1986 nur der Eherettung dienende Reaktionshandlungen darstellten. Die Beklagte sei bereit gewesen, dem Kläger alles zu verzeihen, wenn er jede Beziehung zu Anna N*** unterlasse, und er habe dies auch ausdrücklich versprochen. Insgesamt ergebe eine Gegenüberstellung der Verhaltensweisen der Ehegatten, daß das ehewidrige Verhalten des Klägers unverhältnismäßig schwerer wiege, sodaß sein Scheidungsbegehren sittlich nicht gerechtfertigt erscheine. Auslösendes Moment für die Zerrüttung der Ehe seien nach der zutreffenden berufungsgerichtlichen Rechtsauffassung die ehewidrigen Beziehungen des Klägers zu Anna N*** gewesen.

Weder den Rechtsausführungen des Klägers und Widerbeklagten noch jenen der Beklagten und Widerklägerin kann gefolgt werden. Soweit der Kläger in seinen Darlegungen von dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt abweicht, erscheint die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt und daher unbeachtlich. Im übrigen übergeht er zunächst die berufungsgerichtliche Feststellung, daß er die Beklagte ab Herbst 1985 beschimpft und die Freizeit außerhalb der Familie verbracht hat, wodurch sich die ehelichen Beziehungen verschlechterten und somit die Zerrüttung der bis Sommer 1985 harmonisch verlaufenen Ehe der Streitteile eingeleitet wurde. Für dieses Verhalten bot die im Sommer 1985 erfolgte Erklärung der Beklagten, sie wolle nicht aus ihrem Haus und in das Haus der Eltern des Klägers ziehen, keinen hinreichenden Anlaß. Grundsätzlich schien ihr Standpunkt, lieber im eigenen Haus zu verbleiben, nicht ungerechtfertigt, zumal die darin gelegene Ehewohnung immerhin ein Ausmaß von 75 m2 aufwies und daher nicht als völlig unzureichend anzusehen war. Der Kläger hatte vorher auch nicht auf einen Auszug aus dieser Wohnung gedrängt. Der Umstand, daß ein Ehegatte das Haus, in dem sich die Ehewohnung befindet, erwirbt, stellt für den anderen Ehegatten grundsätzlich keinen Nachteil dar und kann daher ein Begehren auf Wohnungsverlegung nicht rechtfertigen. Die Beschimpfungen der Beklagten durch den Kläger und sein Außerhausbleiben seit Herbst 1985 sind daher als Eheverfehlungen seinerseits zu werten. Die zu Silvester 1985 erfolgte Weigerung der Beklagten, den Abend mit dem Kläger bei den Ehegatten N*** zu verbringen, war auf der gegebenen Feststellungsgrundlage durchaus begründet. Die Beklagte hatte den Gerüchten über eine ehewidrige Beziehung des Klägers zu Anna N*** zunächst keinen Glauben geschenkt und damit kein besonders eifersüchtiges Verhalten gezeigt. Als sie am 30. Dezember 1985 den Kläger nach einer vergeblichen Suche an seiner Dienststelle in der Wohnung der Anna N*** eng neben dieser sitzend antraf, war ihre Eifersucht aber zweifellos nicht ganz unbegründet, zumal wenn man bedenkt, daß der Kläger seit Herbst 1985 seine Freizeit außer Haus verbrachte, ohne die Beklagte aufzuklären, wo er sich aufhielt, und diese ohnehin den Verdacht hegte, er könne bei Anna N*** sein. Wenn der Kläger dennoch gegen den Wunsch der Beklagten den Silvesterabend ohne die Klägerin in der Ehewohnung N*** mit Anna N*** allein verbrachte, so liegt hierin unter den gegebenen Umständen zweifellos eine weitere gewichtige Ehewidrigkeit seinerseits. Er hat dieses Verhalten auch selbst als solches aufgefaßt, sich festgestelltermaßen hiefür entschuldigt und der Beklagten versprochen, nicht mehr zu Anna N*** zu gehen. Unter dieser Voraussetzung war die Beklagte sodann bereit, ihm zu verzeihen. Die Streitteile hatten auch wieder ehelichen Geschlechtsverkehr. Dennoch machte ihm die Beklagte aber in der Folge immer wieder Vorwürfe wegen Anna N***, verlangte von ihm eine schriftliche Unterhaltsverpflichtung und das Geständnis eines Ehebruches, drohte mit der Scheidungsklage und erklärte, wenn er sich diesen ihren Forderungen nicht beuge, solle er aus dem Hause verschwinden. Dieses Verhalten ist im Sinne der zutreffenden berufungsgerichtlichen Ausführungen und entgegen dem von der Beklagten in ihrer Revision vertretenen Standpunkt als eine selbständige Eheverfehlung ihrerseits zu werten, welche zweifellos auch erheblich zur weiteren Zerrüttung der Ehe beigetragen hat. Dagegen ist dem Kläger wiederum anzulasten, daß er am 19. Februar 1986 entgegen seinem Versprechen neuerlich Anna N*** aufsuchte, ohne die Beklagte zuvor von diesem beabsichtigten Besuch und dessen angeblicher Notwendigkeit zu unterrichten. Dennoch berechtigte dies die Beklagte aber nicht, den Kläger deswegen aus der Ehewohnung auszusperren, und schon gar nicht, ihm auch in den folgenden Tagen, wenn er in die Ehewohnung kam und "ihr etwas nicht paßte", ihm einfach die Türe zu weisen. Auch hierin liegen selbständige Eheverfehlungen der Beklagten wie ebenso im zweifellos leichtfertigen, wenngleich alsbald widerrufenen Vorwurf eines Gelddiebstahls. Den Ehewidrigkeiten der Beklagten insgesamt kommt jedoch kein solches Gewicht zu, daß sie die durch den am 3. März 1986 erfolgten Auszug des Klägers aus der Ehewohnung einseitig vorgenommene Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft rechtfertigen könnten. Eine derartige eigenmächtige Aufgabe der Ehegemeinschaft setzt nach der ständigen Rechtsprechung ganz besonders schwere Eheverfehlungen voraus, welche für den anderen Teil ein weiteres Zusammenleben schlechthin unzumutbar erscheinen lassen (EFSlg. 20.338, 27.326, 33.923 uva, 1 Ob 640/81). Davon kann hier nicht die Rede sein. Das unbegründete Verlassen der Beklagten durch den Kläger ist daher seinerseits eine grobe Eheverfehlung, durch welche die bereits von ihm eingeleitete Zerrüttung der Ehe schließlich unheilbar wurde, nachdem allerdings die Beklagte im dargestellten Sinne ihrerseits zur Vertiefung der Ehezerrüttung beigetragen hatte.

Werden alle diese Umstände des Falles insgesamt beurteilt, dann erweist sich somit keiner der in den beiden Revisionen vertretenen Rechtsstandpunkte als zutreffend. Das Berufungsgericht hat dem beiderseitigen Scheidungsbegehren der Streitteile vielmehr ohne Rechtsirrtum stattgegeben und ein überwiegendes Verschulden des Klägers und Widerbeklagten an der Ehescheidung ausgesprochen. Demgemäß war keiner der Revisionen Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO.

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