OGH 8Ob92/87

OGH8Ob92/8717.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Katharina S***, Angestellte, 5524 Flachau 184, vertreten durch Dr. Ernst Blanke, Rechtsanwalt in Hallein, wider die beklagten Parteien 1. Veselko M***, Elektrotechniker, Zagreb, Bonicka 3-1/VII, Jugoslawien,

  1. 2. Firma K*** Rent a car, Ljubljana, Praza Kova 4, Jugoslawien,
  2. 3. V*** DER V*** Ö***, 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 7, alle vertreten durch Dr. Friedrich Harrer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Leistung, Zahlung einer Rente und Feststellung (Gesamtstreitwert S 694.954,65), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 21. September 1987, GZ 1 R 43/87-76, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 30. Oktober 1986, GZ 5 Cg 346/80-59, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit S 18.697,63 (darin S 2.400,-- Barauslagen und S 1.481,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 14. November 1978 ereignete sich auf der Tauernautobahn A 10, Richtungsfahrbahn Villach, nahe Baukilometer 92,900 ein Verkehrsunfall, bei dem Josef S***, der Ehemann der Klägerin, von dem vom Erstbeklagten gelenkten PKW der Marke Lada, jugoslawisches Kennzeichen LJ 231.811, dessen Halterin die Zweitbeklagte war, erfaßt und getötet wurde. Der Erstbeklagte wurde wegen dieses Unfalles mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 20. Mai 1980, 16 E Vr 3066/78, 15 E Hv 32/79-42, wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung gemäß § 80 StGB verurteilt, weil er auf der Fahrt vom Tauerntunnel in Richtung St. Michael für die gegebenen Straßenverhältnisse (Reifglätte und Eis) mit zu hoher Geschwindigkeit gefahren und dadurch mit dem Fahrzeug ins Schleudern geraten sei. Die Drittbeklagte hat als Haftpflichtversicherer einzutreten.

Die Klägerin stellte als Witwe des beim Unfall getöteten Josef

S*** folgende Ansprüche:

Begräbniskosten S 28.954,65

Kleiderschaden S 2.000,--

kapitalisierte Rente vom

1. Jänner 1979 bis

31. August 1986 S 276.000,--

monatliche Rente ab

1. September 1986 S 3.000,--

Weiters begehrte sie die Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für künftige Schäden aus dem Unfall, wobei die Haftung der Drittbeklagten mit der Höhe der Deckungssumme aus dem Versicherungsvertrag beschränkt sei. Sie brachte vor, ihr Ehegatte habe bei einem Verkehrsunfall Hilfe geleistet und sei, als er sich außerhalb der Fahrbahn befunden habe, von dem vom Erstbeklagten gelenkten Fahrzeug erfaßt und getötet worden. Das Alleinverschulden treffe den Erstbeklagten, der durch überhöhte Geschwindigkeit und einen Fahrfehler mit dem PKW ins Schleudern geraten sei und die Herrschaft über das Fahrzeug verloren habe. Die Rente errechne sich aus dem ihr entgangenen Teil des Familieneinkommens abzüglich der Leistungen der Sozialversicherungsträger. Dabei sei zu berücksichtigen, daß ihr getöteter Ehemann an den Wochenenden für Verwandte und Arbeitskollegen gearbeitet habe. Soferne diese Arbeiten nicht unmittelbar abgegolten worden seien, sei vereinbart gewesen, daß ihm die betreffenden Personen bei der Errichtung seines Wohnhauses behilflich seien.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, den Getöteten treffe ein Mitverschulden von 1/3, das darin zu erblicken sei, daß er sich 5 bis 10 Minuten auf der Fahrbahn der Autobahn aufgehalten habe, um diese zu säubern, ohne dabei eine entsprechende Warnvorrichtung aufgestellt zu haben. Überdies sei Josef S*** nicht als Straßenarbeiter gekennzeichnet gewesen. Zur Höhe der Ansprüche wendeten sie u.a. ein, eine Rente stehe der Klägerin nicht zu, weil die Leistungen der Sozialversicherungsträger den Deckungsfond überstiegen. Eine Kapitalabfindung sei überdies nicht statthaft. Das Feststellungsbegehren werde zu 2/3 anerkannt. Die Haftung der Drittbeklagten sei mit der gesetzlichen Mindestversicherungssumme beschränkt.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 27.954,65 und S 260.930,40 jeweils s.A. sowie einer monatlichen Rente von S 2.836,20 beginnend ab 1. September 1986, beschränkt auf die Dauer des Witwenstandes der Klägerin, längstens jedoch bis 13. April 2018. Es gab dem Feststellungsbegehren statt, wobei die Haftung der Drittbeklagten bis zur Höhe der Deckungssumme aus dem Versicherungsvertrag eingeschränkt wurde. Das Mehrbegehren wies das Erstgericht ab. Das Erstgericht ging im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Josef S*** und Gustav L*** waren mit einem Dienstfahrzeug der T*** AG auf der Tauernautobahn, Richtungsfahrbahn Salzburg, also entgegen der Fahrtrichtung des Erstbeklagten unterwegs, um die elektrischen Einrichtungen zu überprüfen. Es handelte sich dabei aber nicht um einen Streifendienst hinsichtlich der Fahrbahn. Dafür gab es eigene Beschäftigte. Zum Unfallszeitpunkt herrschte Tageslicht. Es bestand keine Sichtbeeinträchtigung. Die Asphaltfahrbahn war mit Raureif belegt, sodaß Reifglätte bestand, wobei jedoch nicht gestreut war. Nach einem vorangegangenen Verkehrsunfall mit Sachschaden, bei welchem ein PKW Mercedes, Kennzeichen M-V 211, auf der Richtungsfahrbahn Villach ins Schleudern geraten, mit der Leitschiene kollidiert hatte und schließlich am Pannenstreifen zum Stillstand gekommen war, erreichten auch Josef S*** und Gustav L*** auf der Gegenfahrbahn diese Unfallstelle. Sie begaben sich zum genannten Fahrzeug, um Hilfe zu leisten. Die beiden entfernten zunächst herumliegende Fahrzeugteile von der Fahrbahn, was 5 bis 10 Minuten in Anspruch nahm. Während dieser Zeit passierten etwa 10 Fahrzeuge ohne Schwierigkeiten die Unfallstelle und wurden von den beiden Männern durch Handzeichen gewarnt. Die beiden trugen keine Warnleibchen mit rückstrahlender Wirkung, allerdings hatte Gustav L*** einen orangenen Arbeitsmantel an. Weder Josef S*** noch Gustav L*** stellten selbst ein Warndreieck auf. Nachdem die Fahrbahn gesäubert war, gingen die beiden auf dem Pannenstreifen ein Stück in Richtung Tauerntunnel, um nachkommende weitere Fahrzeuge vor der Unfallstelle zu warnen. Der Erstbeklagte näherte sich mit dem PKW Lada mit einer Geschwindigkeit von etwa 93 km/h. In der Linkskurve vor der Unfallstelle begann das Heck dieses Fahrzeuges nach rechts abzukommen. Zur Stabilisierung dieser Schleuderbewegung wäre es erforderlich gewesen, auszukuppeln und sehr dosiert auszulenken. Der Erstbeklagte versuchte hingegen zu bremsen. Der PKW geriet darauf in eine Rotationsbewegung entgegen dem Uhrzeigersinn, überschlug sich und kam auf dem Dach zu liegen. Dabei wurde Josef S*** vom Fahrzeug erfaßt und tödlich verletzt. Im Anstoßzeitpunkt befand er sich im Bereich der Wasserrinne, die den Pannenstreifen von der angrenzenden Böschung trennt. Als er den schleudernden PKW sah, versuchte er ebenso wie Gustav L***, sich auf die Böschung zu retten. Dies gelang ihm jedoch nicht mehr. Das Fahrverhalten des Erstbeklagten wurde nicht durch das Erkennen der Unfallstelle oder von auf dem Pannenstreifen befindlichen Personen beeinflußt. Er hatte vielmehr eine für die Straßenverhältnisse überhöhte Geschwindigkeit eingehalten, die zu einer Schleuderbewegung und - durch einen zusätzlichen Reaktionsfehler - zum unkontrollierten Ausbrechen des Fahrzeuges führte. Josef S*** war zum Unfallszeitpunkt mit der Klägerin verheiratet. Die Ehe war kinderlos. Er war als Elektriker bei der T*** AG beschäftigt. Ursprünglich hatte er den Beruf eines Elektroinstallateurs erlernt. 1977 verdiente er aus seiner Tätigkeit bei der T*** AG brutto S 151.955,--, netto S 113.870,--. Vom 1. Jänner 1978 bis zum 30. Juni 1978 bezog er ein Bruttogehalt von S 66.310,-- (richtig: S 76.004,--), wovon S 52.596,-- (richtig: S 57.955,--) als Nettogehalt ausbezahlt wurden. Der Gehaltsanspruch des Klägers hätte sich so fortentwickelt, daß er im Jahre 1983 einen Nettolohn von S 149.000,-- bezogen hätte. Die Klägerin arbeitete ebenfalls bei der T*** AG, und zwar als Sekretärin. Sie verdiente im Jahre 1977 brutto S 124.877,-- (netto S 73.527,--) und vom 1. Jänner 1978 bis 30. Juni 1978 brutto S 58.747,-- (netto S 36.183,--). Die Ehegatten S*** teilten sich das Familiennettoeinkommen zu gleichen Teilen. Nach dem Tod ihres Gatten erhielt die Klägerin von der P*** DER

A*** monatlich S 605,50 und von der A***

U*** monatlich S 2.203,10 an Pension

zugesprochen. Unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen kamen der Klägerin monatlich Beträge in der Höhe von S 706,42 und S 2.570,28 zu. Die Ehegatten S*** beabsichtigten, ein Einfamilienwohnhaus zu errichten. Zu diesem Zweck war bereits der Ankauf eines Grundstückes konkret ins Auge gefaßt. Der Kaufvertrag hätte am 27. November 1978 errichtet werden sollen. Zur Finanzierung dieses Grundkaufes hatten die Ehegatten S*** am 21. April 1979 bereits etwa S 241.000,-- erspart. Der Bau des Hauses sollte im Herbst oder Sommer des Jahres 1979 in Angriff genommen werden. Es handelte sich bei Josef S*** um einen sehr sparsamen, familienorientierten und fleißigen wie auch körperlich gesunden Menschen. Seine Lebenserwartung betrug jedenfalls 65 Jahre. Er verfügte überdies nicht nur in dem von ihm ausgeübten Beruf über fachmännische Kenntnisse und Fähigkeiten, sondern war darüber hinaus in der Lage, Maurer, Zimmerer-, Maler-, Tapeziererund Bodenlegerarbeiten auszuführen. Sein handwerkliches Geschick plante er bei der Errichtung des eigenen Wohnhauses einzusetzen und somit so viele Arbeiten wie möglich selbst zu verrichten. An den Wochenenden arbeitete er stets für Verwandte und Bekannte. So installierte er etwa im Zuge der Errichtung des Wohnhauses des Hubert K*** die elektrischen Leitungen und half bei den Hausbauten des Johann R***, Alois S*** und Wilhelm S***. Er führte diese Arbeiten teilweise gegen Entgelt durch, teilweise wurde aber auch vereinbart, daß ihm die betreffenden Personen als Gegenleistung bei seinem eigenen Hausbau helfen sollten. Der finanzielle Gegenwert der von ihm erbrachten Wochenendarbeitsleistungen belief sich auf jeweils S 1.500,--. Diese Arbeiten verrichtete er während 9 Monate im Jahr. Unter diesen Voraussetzungen hätte, sofern man für das geplante Wohnhaus einen reinen Baukostenaufwand von S 1,461.000,-- veranschlagt, der Gesamtwert der von ihm zu erbringenden Eigenleistung und der Wert der Nachbarschaftshilfe rund S 650.000,-- betragen. Darüber hinaus hätte er von Reinhard P*** die Baumaterialien zum Nettoeinkaufspreis erhalten. An fixen Haushaltskosten liefen den Ehegatten S*** im Zeitraum vom 1. Jänner 1977 bis 31. Juni 1978 monatlich insgesamt S 2.225,60 auf. Aus der Verlassenschaft nach dem verstorbenen Josef S*** kam der Klägerin ein Barbetrag von S 28.000,-- zu; sie verwendete ihn für die Bezahlung des Begräbnisses und für den Grabstein. Zinsenvorteile hatte sie somit nicht. Für die Ausrichtung des Begräbnisses erwuchsen der Klägerin Kosten in der Höhe von S 30.599,20. In diesem Betrag sind S 8.184,-- für die Anschaffung von Trauerkleidung enthalten, nicht aber der Aufwand für die Grabstätte selbst. Da Josef S*** in einem Familiengrab beigesetzt wurde, war die Grabstelle als solche bereits vorhanden. An ihr war jedoch nur ein sehr altes Grabkreuz angebracht, welches die Klägerin erneuern ließ. Für diese Arbeit und für die Herstellung einer Grabeinfriedung liefen Kosten von insgesamt S 61.183,-- auf. Von der S*** G*** erhielt die Klägerin S 19.152, von der

A*** U*** S 10.281,10 an Sterbegeld.

Die Drittbeklagte leistete eine Zahlung von S 15.000,--. Im Strafverfahren wurden der Klägerin als Privatbeteiligte für Begräbniskosten und Kosten der Grabstätte S 1.000,-- zugesprochen. In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß das Verschulden des Erstbeklagten aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung gemäß § 268 ZPO bindend feststehe. Ursache sei das fahrtechnische Fehlverhalten des Erstbeklagten gewesen, das in keinem Zusammenhang mit den Personen neben der Fahrbahn gestanden sei. Josef S*** habe sich nicht verbotenerweise als Fußgänger, sondern als hilfeleistende Person im Autobahnbereich befunden. Er sei daher auch nicht verpflichtet gewesen, Warneinrichtungen aufzustellen, so daß ihn kein Mitverschulden treffe. Die Ansprüche der Klägerin ergäben sich aus § 1327 ABGB und umfaßten Begräbniskosten, Trauerkleidung sowie Unterhaltsentgang. Bei der Trauerkleidung sei ein Abzug aus der Ersparnis für andere Kleider nicht vorzunehmen. Von den Kosten der Errichtung der Grabstätte habe die Klägerin selbst einen Abzug von einem Drittel vorgenommen, weil ihr Gatte in einem Familiengrab bestattet worden sei. Außerdem seien Sterbegeld, Privatbeteiligtenzuspruch und Zahlung der Drittbeklagten abzuziehen. Daraus ergebe sich ein Betrag von S 25.954,65. Dazu komme der Kleiderschade in der Höhe von S 2.000,--. Bei der Errechnung des Einkommens des Getöteten seien alle Einkünfte zu berücksichtigen, und zwar auch solche, die aus einer gegen die Gewerbeordnung verstoßenden Tätigkeit herrührten. Außerdem seien einer Witwe als Entgang auch die Geld- oder Arbeitsleistungen, die ihr getöteter Gatte zum Bau eines Hauses zur Deckung des angemessenen Wohnbedarfes der Familie erbracht hätte, zu ersetzen. Der monatliche Entgang der Klägerin errechne sich daraus mit S 2.836,20 einschließlich Einkommensteuer. Die der Klägerin zugekommene Verlassenschaft sei darauf nicht anzurechnen, weil sie daraus keine Einkünfte gezogen habe. Für die Zeit vom 1. Jänner 1979 bis 31. August 1986 betrage der Ersatzanspruch der Klägerin daher S 260.930,40. Dabei handle es sich um keine Kapitalabfindung, sondern um bereits angefallene monatliche Rentenbeträge. Bei der Dauer der Rente sei davon auszugehen, daß der Getötete ohne Unfall jedenfalls 65 Jahre alt geworden wäre. Mit dem Zeitpunkt der Pensionierung, wie sie demnach erfolgt wäre, sei die Rente jedoch zu begrenzen. Weiters sei dem Feststellungsbegehren stattzugeben gewesen.

Infolge Berufung der Beklagten änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes, das im übrigen bestätigt wurde, im Ausspruch über das Feststellungsbegehren dahin teilweise ab, daß Punkt 2. zu lauten hat:

"2) Im Verhältnis zwischen den Streitteilen wird festgestellt, daß die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand der Klägerin für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 14. November 1978 auf der Tauernautobahn, Baukilometer 92,900, haften, die drittbeklagte Partei jedoch nur bis zur Höhe der Mindestversicherungssummen des § 59 Abs 3 KFG (in der am 14. November 1978 in Geltung gestandenen Fassung).

Das Feststellungsmehrbegehren wird abgewiesen."

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen Teiles des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 15.000,-- nicht übersteigt; es erachtete das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte, mit Ausnahme bezüglich der Teilabänderung des Feststellungsausspruches, auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz. Gegen den bestätigenden Teil des Urteiles des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

In der Rechtsrüge bekämpfen die Beklagten zunächst die Auffassung des Rekursgerichtes, daß den getöteten Josef S*** kein Mitverschulden an dem Unfall getroffen habe. S*** habe vielmehr zu Unrecht die Autobahn betreten. Seine Tätigkeit sei als Fußgängerverkehr im Sinne des § 46 Abs 1 2. Satz StVO zu werten, weil für ihn keine Verpflichtung bestanden habe, hier Hilfe zu leisten oder irgendwelche Maßnahmen zu treffen. Es treffe ihn daher ein Mitverschulden von einem Drittel an dem Unfall.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß nach den vom

Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes Josef

S*** und Gustav L*** nach der Säuberung der Fahrbahn nach

dem vorangegangenen Unfall auf dem Pannenstreifen ein Stück in

Richtung zum Tauerntunnel gingen, um nachkommende weitere Fahrzeuge

vor der Unfallstelle zu warnen. Das Fehlverhalten des Erstbeklagten

wurde nicht durch das Erkennen der Unfallstelle oder von auf dem

Pannenstreifen befindlichen Personen beeinflußt. Er hatte vielmehr

eine für die Straßenverhältnisse überhöhte Geschwindigkeit

eingehalten, die zu einer Schleuderbewegung und - durch einen

zusätzlichen Reaktionsfehler - zum unkontrollierten Ausbrechen des

Fahrzeuges führte. Aus diesen Feststellungen ergibt sich, daß die

Gehbewegung des Josef S*** auf dem Pannenstreifen für das

Schleudern des vom Erstbeklagten gelenkten PKWs und den dadurch

verursachten Unfall, bei dem Josef S*** getötet wurde, nicht kausal war. Die Verneinung des natürlichen Kausalzusammenhanges zwischen einem schädigenden Ereignis und dessen behaupteten Folgen gehört indes in den Bereich der im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbaren Tatfrage (ZVR 1960/56 uva). Schon aus diesem Grunde kann in der Verneinung eines Mitverschuldens des Josef S*** keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden. Darüber hinaus hat die zweite Instanz zutreffend darauf hingewiesen, daß es sich beim Betreten der Autobahn, um bei einem Verkehrsunfall Hilfe zu leisten, nicht um einen Fußgängerverkehr im Sinne des § 46 Abs 1 StVO handelt (vgl. Anm. 7 zu § 46 StVO in der MGA7 sowie ZVR 1973/217) und daß dem Getöteten auch keine Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern angelastet werden kann, wenn er, im Bereich der Regenrinne auf dem Pannenstreifen gehend, herannahende Verkehrsteilnehmer warnen wollte.

Die Beklagten wenden sich weiters gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der Gegenwert der Arbeitsleistungen des getöteten Ehemannes bei der Ermittlung des Unterhaltsentganges einzubeziehen sei. Wohl sei es unter Umständen möglich, Arbeitsleistungen, welche der Getötete erbracht hatte, um die Wohnverhältnisse der Familie zu verbessern, in den Unterhaltsersatz nach § 1327 ABGB einzubeziehen. Das könne etwa der Fall sein, wenn der Getötete die unzureichenden Wohnverhältnisse der Familie durch den Ausbau einer Wohnung oder den Bau eines Hauses verbessern wollte und die Witwe diese Arbeiten nur unter Zuhilfenahme fremder Dienstleistungen zu Ende führen könne. Im vorliegenden Fall habe aber die Witwe die Arbeiten ihres getöteten Ehemannes nicht fortgesetzt. Die Familie sei vielmehr in den ursprünglichen Wohnräumlichkeiten verblieben. Aus dem Vergleich zwischen dem Wohnen in entsprechend geeigneten Räumlichkeiten und dem Wohnen in weniger geeigneten Räumlichkeiten ergebe sich jedoch kein ersatzfähiger Vermögensschaden. Ein ersatzfähiger Schaden wäre möglicherweise entstanden, wenn man neue, bessere Wohnräumlichkeiten angeschafft hätte. Ein ersatzfähiger Schaden sei jedoch nicht allein aus der Tatsache entstanden, daß die Hinterbliebenen in den ursprünglichen Räumen verblieben seien, auch wenn diese weniger geeignet sein mochten als die Wohnmöglichkeiten, die der Getötete schaffen wollte. Auch diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Schädiger gemäß § 1327 ABGB im Falle der Tötung eines Menschen den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, das, was ihnen dadurch entgangen ist, zu ersetzen. "Entgangen" ist auch das, was künftig entgeht, also alles was die Hinterbliebenen erhielten, wenn der zur Unterhaltsleistung nach dem Gesetz Verpflichtete nicht getötet worden wäre (vgl. SZ 48/13 ua). Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes beabsichtigten die Ehegatten S***, ein Einfamilienwohnhaus zu errichten. Zu diesem Zweck war bereits der Ankauf eines Grundstückes konkret ins Auge gefaßt. Der Kaufvertrag hätte am 27. November 1978 errichtet werden sollen. Zur Finanzierung dieses Grundkaufes hatten die Ehegatten S*** am 21. April 1979 bereits etwa S 241.000,-- erspart. Der Bau des Hauses sollte im Herbst oder Sommer des Jahres 1979 in Angriff genommen werden. Josef S*** verfügte nicht nur in dem von ihm ausgeübten Beruf über fachmännische Kenntnisse und Fähigkeiten, sondern war darüber hinaus in der Lage, Maurer-, Zimmerer-, Maler-, Tapezierer- und Bodenlegerarbeiten auszuführen. Sein handwerkliches Geschick plante er bei der Errichtung des eigenen Wohnhauses einzusetzen und somit so viele Arbeiten wie möglich selbst zu verrichten. An den Wochenenden arbeitete er stets für Verwandte und Bekannte. Er führte diese Arbeiten teilweise gegen Entgelt durch, teilweise wurde aber auch vereinbart, daß ihm die betreffenden Personen als Gegenleistung bei seinem eigenen Hausbau helfen sollten. Diese eigenen Leistungen des Getöteten beim beabsichtigten Bau des Eigenheimes wären aber ebenso wie die hiefür aufgewendeten Gegenleistungen der Personen, denen er seinerzeit Leistungen erbracht hatte, der Klägerin neben dem gewährten Geldunterhalt als zusätzlicher Naturalunterhalt in Form der hiedurch möglich werdenden Beistellung eines Eigenheimes zugutegekommen. Dieser zusätzliche Naturalunterhalt ist der Klägerin aber durch den Tod ihres Mannes zur Gänze entgangen. Maßgeblich ist, wie insbesondere auch in der Entscheidung 8 Ob 143, 144/80 ausgeführt wurde, daß der Leistung des Unterhaltspflichtigen Unterhaltscharakter zugekommen wäre und daß eine solche Unterhaltsleistung anzunehmen ist, wenn das Eigenheim der Befriedigung des Wohnbedürfnisses der Familie gedient und noch einigermaßen im Verhältnis zum gesetzlichen Unterhalt gestanden, also standesgemäß erschienen wäre. Eine Verbesserung der bisherigen Wohnverhältnisse nimmt der Leistung des Unterhaltspflichtigen somit nicht den Unterhaltscharakter (SZ 42/3; 2 Ob 58/86 ua). Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß Arbeitsleistungen für den Bau eines standesgemäßen, der Familie zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses dienenden Einfamilienhauses der Charakter von zusätzlichem Naturalunterhalt zukommt, der im Falle ihrer Vereitelung den Hinterbliebenen als Entgang im Sinne des § 1327 ABGB zu ersetzen ist, wobei die Ersatzforderung von der Witwe geltend gemacht werden kann und die Frage der mit dem Eigenheimbau verbundenen Vermögensbildung außer Betracht zu bleiben hat, weil der Wohnzweck und damit der Unterhaltscharakter im Vordergrund steht (2 Ob 58/86 ua).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat aber entgegen der Auffassung der Revision das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum nicht nur den Gegenwert der eigenen Arbeitsleistungen des Getöteten beim Hausbau, sondern auch den Gegenwert für seine anderen Personen erbrachten Leistungen, soweit dafür Gegenleistungen beim geplanten Bau des Einfamilienhauses vereinbart worden waren, bei der Ermittlung des Unterhaltsentganges der Klägerin berücksichtigt. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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