Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft wird der Akt gemäß § 285 i StPO nF dem Oberlandesgericht Graz zugemittelt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens über sein Rechtsmittel zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der zur Tatzeit 18-jährige Michael P*** des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 "Abs 2" (richtig: Z 2) StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 31.Oktober 1986 in Irdning auf der Aigenerstraße L 741 beim Straßenkilometer O,120 als Lenker des PKW der Marke VW Golf mit dem polizeilichen Kennzeichen St 935.988 auf der Fahrt von Trautenfels in Richtung Ortsmitte Irdning durch Nichteinhalten der mit 40 km/h "normierten" (gemeint: limitierten) Fahrgeschwindigkeit, nicht ausreichendes Beobachten der Fahrbahn und Nichtfassen eines Bremsentschlusses, wodurch er den auf seiner Fahrbahnhälfte liegenden Erich M*** überrollte, fahrlässig den Tod des Genannten herbeigeführt, nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß eines berauschenden Mittels, nämlich Alkohol, in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte, obwohl er vorhergesehen hat, daß ihm die Lenkung eines Kraftfahrzeuges, somit eine Tätigkeit bevorsteht, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet ist.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch teils offenbar unbegründet, teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt ist.
Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt der Beschwerdeführer die Abweisung (S 400) seines in der Hauptverhandlung vom 10. Dezember 1987 (unter Bezugnahme auf den schriftlichen Beweisantrag vom Vortag, ON 61) gestellten Antrages auf (neuerliche Ladung und) ergänzende Befragung des kraftfahrtechnischen Sachverständigen zum Beweis dafür, daß ihm bei der Zeit von 1,1 bis 1,6 Sekunden, die M*** benötigte, um auf die Fahrbahn zu fallen, unter Berücksichtigung einer Reaktionszeit von 1 Sekunde auch bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h eine (rechtzeitige) Geschwindigkeitsverminderung nicht möglich gewesen wäre (S 400 iVm S 392).
Durch das bekämpfte Zwischenerkenntnis wurden jedoch Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt. Denn zum einen hat der beigezogene kraftfahrtechnische Sachverständige Univ.Prof. Dipl.Ing. Dr. S*** in seinem (in der Hauptverhandlung vom 29.Mai 1987 mündlich erstatteten) Gutachten, das in der Hauptverhandlung vom 10.Dezember 1987 verlesen wurde (S 401), ohnedies auch jene Variante des Tatgeschehens gutächtlich erörtert, auf welche der Beweisantrag abstellt (S 358, 359); zum anderen - und vor allem - haben die Tatrichter aufgrund der Verfahrensergebnisse die Überzeugung gewonnen, daß M*** bereits auf der Fahrbahn des PKW VW Golf gelegen ist, als der Beschwerdeführer - 2,4 Sekunden vor der tödlichen Kollision mit dem Genannten - in den Sichtbereich einfuhr, und daher keineswegs unmittelbar vor diesem PKW in dessen Fahrspur stürzte (S 415, 416). Damit haben sie aber ausgeschlossen, daß M*** erst 1,1 bis 1,6 Sekunden vor dieser Kollision für den Beschwerdeführer sichtbar geworden ist, weshalb die begehrte ergänzende Expertise, die nur unter Zugrundelegung der eben erwähnten, vom Erstgericht jedoch ausdrücklich als nicht erwiesen angenommenen Prämisse von Relevanz sein hätte können, ohne Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte unterbleiben konnte (vgl hiezu auch Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 67 zu § 281 Z 4). In der Mängelrüge (Z 5) wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Urteilskonstatierung, wonach die Auslaufbewegung des PKW Mercedes des Zeugen S*** und des Mopeds, auf dem M*** mitgefahren war, nach dem (vom Lenker dieses Mopeds verschuldeten) Auffahren auf diesen PKW bereits beendet war, als der Beschwerdeführer in den Sichtbereich eingefahren ist, weshalb auszuschließen ist, daß M*** unmittelbar vor dem herankommenden PKW VW Golf auf dessen Fahrbahn geschleudert wurde (S 415); er vermag jedoch formale Begründungsmängel in Ansehung dieses Ausspruchs nicht aufzuzeigen. Das Schöffengericht hat die bekämpfte Feststellung auf die als glaubwürdig beurteilte Aussage des Zeugen S*** gestützt, der angegeben hatte, nach dem Auffahrunfall sein Fahrzeug abgebremst zu haben, ausgestiegen zu sein und sich bereits hinter seinem Fahrzeug befunden zu haben, als der PKW des Beschwerdeführers an ihm vorbeifuhr (S 342 ff). Aufgrund dieser Bekundung konnte das Gericht aber im Einklang mit dem kraftfahrtechnischen Sachverständigengutachten (S 355 f) denkrichtig schließen, daß hiefür ein Zeitaufwand von mindestes 7 bis 8 Sekunden erforderlich war und daß daher der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des (durch den Auffahrunfall bewirkten) Sturzes des M*** auf die Fahrbahn noch außerhalb des Sichtbereiches fuhr, woraus wiederum ebenso denkrichtig der Schluß gezogen werden konnte, daß M*** bereits auf der Fahrbahn des PKW VW Golf gelegen ist, als der Beschwerdeführer in den Sichtbereich einfuhr. Bei den zu diesen Schlußfolgerungen führenden Erwägungen, die das Erstgericht - wie gesagt - primär aufgrund der als glaubwürdig beurteilten Bekundungen des Zeugen S*** anstellte, hat es auch die von der Beschwerde ins Treffen geführten Angaben der im PKW des Beschwerdeführers mitfahrenden Zeugen R***, B*** und J*** ersichtlich mitberücksichtigt (vgl S 408 und 414). Daß es insbesondere aus der Aussage des Zeugen R*** (S 351, 352) nicht jene Schlüsse gezogen hat, die der Beschwerdeführer daraus zieht, stellt keinen Begründungsmangel im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO dar, sondern einen aus diesem Nichtigkeitsgrund nicht bekämpfbaren Akt tatrichterlicher Beweiswürdigung.
Ein Begründungsmangel wird aber auch nicht mit der Behauptung aufgezeigt, das kraftfahrtechnische Sachverständigengutachten sei widersprüchlich, weil es von einer nicht objektivierbaren Annahme ausgehe. Hat doch der Sachverständige seine Expertise zunächst unter Zugrundelegung der Aussage des Zeugen S*** erstellt, sodann aber auch die Bekundungen des Zeugen R*** gutächtlich ausgewertet (vgl einerseits S 355 ff und andererseits S 357 ff), worin ein Widerspruch nicht erblickt werden kann. Die Entscheidung darüber, welcher Ablauf des Geschehens letztlich als erwiesen anzunehmen ist, oblag hingegen ausschließlich dem Gericht. Soweit der Beschwerdeführer offenbar meint, ein kraftfahrtechnisches Sachverständigengutachten könne nur dann ein taugliches Beweismittel sein, wenn es auf objektivierbaren Annahmen und nicht auf Schlußfolgerungen aufbaue, verkennt er das Wesen dieses Sachverständigenbeweises.
Auch die Mängelrüge ist demnach nicht berechtigt.
Was schließlich die Subsumtionsrüge (Z 10) betrifft, mit welcher eine Tatbeurteilung lediglich als Vergehen nach § 88 Abs 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB angestrebt wird, so entbehrt sie der prozeßordnungsgemäßen Ausführung, weil sie nicht am festgestellten Urteilssachverhalt festhält, sondern von urteilsfremden Annahmen ausgeht. Hat doch das Schöffengericht unmißverständlich konstatiert, daß das Fehlverhalten des Beschwerdeführers den Tod des Erich M*** herbeigeführt hat (S 410 ff, 416).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach teils gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils gemäß der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Daraus folgt, daß gemäß der im Spruch bezogenen Gesetzesstelle über die Berufung der Anklagebehörde der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu entscheiden haben wird.
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