OGH 11Os46/88

OGH11Os46/8810.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Mai 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Legradi als Schriftführerin in der Strafsache gegen Heinz M*** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs 1, Abs 2, zweiter Fall, StGB a.F. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11. Dezember 1987, GZ 2 c Vr 5722/86-47, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Hiller zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 21. September 1951 geborene Angestellte Heinz M*** des Verbrechens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs 1, Abs 2, zweiter Fall, StGB (a.F.) schuldig erkannt, weil er sich im Oktober 1985 in Wien ein Gut in einem 100.000 S übersteigenden Wert, das ihm anvertraut worden war, nämlich den Erlös eines ihm von Richard H*** in Verkaufskommission übergebenen PKW Marke Audi 100 in der Höhe von 180.000 S mit dem Vorsatz zueignete, sich unrechtmäßig zu bereichern. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge richtet sich gegen die Abweisung eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Vereinigung des Verfahrens mit dem zu 24 c Vr 12.712/87 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien anhängigen (S 321). Das Schöffengericht wies diesen Antrag wegen Spruchreife des gegenständlichen Verfahrens ab (S 331). Darin liegt kein Verstoß gegen die Verteidigungsrechte, wie der Beschwerdeführer vermeint, weil die Verfahrensordnung ungeachtet des im § 56 StPO (u.a.) ausgedrückten Grundsatzes der subjektiven Konnexität im § 57 StPO die Ausscheidung und getrennte Führung des Strafverfahrens wegen einzelner strafbarer Handlungen vorsieht, wenn dies zur Vermeidung von Verzögerungen dienlich erscheint. Der hier gegebene Fall der Spruchreife des Verfahrens über ein Faktum, während andere Fakten noch weiterer Erhebungen bedürfen, gehört zum typischen Anwendungsbereich dieser Gesetzesstelle. Der Gegenstand des im Stadium des Vorverfahrens verbleibenden Aktes ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Zur Annahme des Beschwerdeführers, es handle sich um "idente Fakten zum gleichen Zeitpunkt" sei allerdings bemerkt, daß dann einer Weiterführung des Verfahrens 24 c Vr 12.712/87 der Grundsatz "ne bis in idem" (auch wegen jener beiden Taten, zu denen der Ankläger von seinem Verfolgungsrecht keinen Gebrauch machte - S 330) entgegenstünde. Ist aber Gegenstand dieses Verfahrens der Verdacht fahrlässiger Krida (S 331), so steht eine allfällige Beurteilung der Gesamtgeschäftsführung nach dem § 159 StGB nicht im Widerspruch mit der Feststellung, daß ein einzelner Akt allen Tatbestandsvoraussetzungen des § 133 StGB entspricht. Die vom Erstgericht ohnedies festgestellte wirtschaftliche Bedrängnis des Angeklagten macht eine Veruntreuung nicht zur Krida, wie die Beschwerde anzunehmen scheint, sondern kann nur in der Straffrage Berücksichtigung finden. Kein Grund für eine Verfahrensverzögerung kann auch die Ermöglichung einer Beurteilung nach den geänderten Wertgrenzen des StRÄG 1987 sein. Zusammengefaßt und undifferenziert unter Berufung auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO bekämpft der Beschwerdeführer die Annahme einer Bereicherungstendenz, ohne konkrete Begründungsmängel zu bezeichnen und bei den Rechtsrügen an den Urteilsfeststellungen festzuhalten. Den Beschwerdeausführungen liegt offensichtlich eine falsche Vorstellung vom Begriff des - Bereicherungsvorsatz ausschließenden - präsenten Deckungsfonds zugrunde. Nur jederzeit verfügbare liquide Mittel gestatten die Annahme, daß der Verwahrer bei der Zueignung der anvertrauten Werte (hier: durch Verbrauch) nicht mit Bereicherungsvorsatz handelt, weil er jederzeit in der Lage (und willens) ist, sie aus diesem Deckungsfonds zu ersetzen. Die bloße Hoffnung auf künftige Einnahmen oder auf Realisierung von Forderungen kann einen solchen Deckungsfonds niemals ersetzen (Leukauf-Steininger, StGB2, RN 25 zu § 133).

Die vom Erstgericht lediglich als Indiz für die Bereicherungstendenz herangezogenen erheblichen finanziellen Schwierigkeiten des Angeklagten im Jahr 1985 widersprechen entgegen dem Beschwerdevorbringen in keiner Weise der im Urteil gegebenen Erklärung der angebotenen Teilzahlungen mit dem Versuch, den Treugeber zu vertrösten und die (zu befürchtenden) Konsequenzen der Tat hinauszuschieben. Daß aber der Täter für den angerichteten Schaden zivilrechtlich (und auch ungeachtet eines Konkursverfahrens über dessen Beendigung hinaus) haftet, spricht nicht gegen die Annahme eines strafrechtlichen Bereicherungsvorsatzes. Daß dem Täter zufolge seiner Schadenersatzpflicht nicht "endgültige Bereicherung" unterstellt und der Schaden nicht mit dem vollen Wert des anvertrauten Gutes angenommen werden könne, sondern nur in der Höhe des "Verzögerungsschadens", trifft nicht zu. Das anvertraute Gut ist bereits veruntreut, wenn durch Zueignung die Möglichkeit des Berechtigten, die Sache zurückzuerhalten, ernsthaft in Frage gestellt wird (Kienapfel, BT II, RN 54 zu § 133). Daran kann hier füglich nicht gezweifelt werden. Auch muß die Bereicherung keine dauernde sein (Kienapfel, aaO, RN 80).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 133 Abs 2 StGB (a.F.) eine Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr und sah diese Strafe gemäß dem § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach. Bei der Strafbemessung wertete es keinen Umstand als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber den bisher ordentlichen Wandel als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt Heinz M*** die Herabsetzung der Freiheitsstrafe in Form der außerordentlichen Strafmilderung an. Die Berufung ist nicht begründet.

Die Art und Weise der vom Angeklagten zu verantwortenden Rechtsgutbeeinträchtigung läßt die Annahme eines atypischen, besonders gelagerten Falles, bei welchem die Unterschreitung der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens im Wege der Anwendung des § 41 StGB vertretbar erschiene, nicht zu. Umstände, die eine derartige Maßnahme rechtfertigen könnten, wurden im Rechtsmittel auch nicht dargestellt.

Der Berufung konnte daher gleichfalls kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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