OGH 6Ob564/88

OGH6Ob564/885.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Leonhard H***, Prokurist, Brehmenmahd 41, 6950 Dornbirn, vertreten durch Dr. Walter Derganz, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die Antragsgegnerin Maria H***, Hausfrau, Brunnengasse 9, 6850 Dornbirn, vertreten durch Dr. Ernst Hagen, Dr. Günther Hagen, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 18. Februar 1988, GZ 1 a R 53/88-32, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 25. November 1987, GZ F 2/87-26, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

"Die Antragsgegnerin ist bei sonstiger Exekution schuldig, an den Antragsteller eine Ausgleichszahlung in der Höhe von S 250.000,-- zu leisten, zahlbar in monatlichen Raten a S 3.000,-- beginnend drei Monate ab Zustellung dieses Beschlusses. Für den Fall des Zahlungsverzuges hat die Antragsgegnerin vom jeweils aushaftenden Betrag Verzugszinsen in der Höhe von 8 % p.a. an den Antragsgegner zu bezahlen.

Zur Sicherstellung der Ausgleichszahlung ist auf der der Antragsgegnerin Maria H***, geboren am 23. Jänner 1940, gehörigen Liegenschaft EZ 3416 KG Dornbirn das Pfandrecht für die Forderung des Antragstellers Leonhard H***, geboren am 31. Juli 1939, von S 250.000,-- samt 8 % Verzugszinsen einzuverleiben. Die Verfahrenskosten werden gegenseitig aufgehoben."

Die Kosten des Rekurs- und des Revisionsrekursverfahrens werden ebenfalls gegenseitig aufgehoben.

Text

Begründung

Die Parteien haben am 15. Jänner 1960 die Ehe geschlossen, aus welcher sechs Kinder stammen, die bereits großjährig sind. Der Antragsteller übte zunächst den erlernten Beruf eines Tischlers aus, ist aber seit 1972 als Einkäufer tätig. Die Antragsgegnerin erzielte zeitweise durch Aushilfsarbeiten ein geringes Einkommen. Keiner der Ehegatten brachte Sachen von bedeutendem Wert in die Ehe mit. Mit Schenkungsvertrag vom 31. Juli 1962 erhielt der Antragsteller von seiner Mutter als Vorausempfang auf seinen künftigen Erbteil ein Grundstück, auf welchem die Ehegatten ein Einfamilienhaus errichteten, das sie Ende 1963 bezogen. Für den Bau des Hauses bekam der Antragsteller von seiner Mutter einen Betrag von S 165.000,-- geschenkt. 1967 erhielt der Antragsteller von seiner Mutter noch ein Grundstück, welches er um S 70.000,-- verkaufte. Diesen Betrag verwendet er zur Abdeckung von Schulden aus dem Hausbau. Die Antragsgegnerin lebte während der Ehe sehr sparsam und bescheiden und erhob keine besonderen Ansprüche. Der Antragsteller ging hingegen regelmäßig am Abend und am Wochenende ins Gasthaus und gab dafür monatlich etwa S 3.000,-- aus. Am 9. Juli 1983 zog der Antragsteller aus der Ehewohnung aus und lebt mit einer anderen Frau in Lebensgemeinschaft. Bis zu seinem Auszug hatte er die Rückzahlungen der von den Ehegatten aufgenommenen Darlehen vorgenommen, ab diesem Zeitpunkt leistete die Antragsgegnerin die Zahlungen. Zur Zeit des Auszuges des Antragstellers waren Verbindlichkeiten von insgesamt S 391.028,65 offen, die teilweise hypothekarisch sichergestellt waren. Als ein Scheck, den der Antragsteller der Antragsgegnerin als Unterhaltszahlung übergeben hatte, von der Bank wegen wesentlicher Überziehung des Kontos des Antragstellers nicht eingelöst worden war, wollte die Antragsgegnerin verhindern, daß sie und die Kinder eventuell das Haus verlieren. Sie fragte den Antragsteller, ob er ihr das Haus überlasse. Es kam am 6. Juli 1984 zum Abschluß eines Notariatsaktes, mit welchem der Antragsteller der Antragsgegnerin die in seinem Eigentum stehende Liegenschaft samt Wohnhaus übertrug. Die Antragsgegnerin hatte dafür die noch offenen hypothekarisch sichergestellten Schulden zu übernehmen. Sie räumte weiters dem Antragsteller ein unentgeltliches Wohnrecht an einem Zimmer des Hauses samt Mitbenützung von Bad und WC ein, das allerdings bei einer Scheidung der Ehe erlöschen sollte. Mündlich wurde noch vereinbart, daß die Antragsgegnerin auch die Rückzahlung der grundbücherlich nicht sichergestellten Schulden übernehmen sollte. Über eine allfällige Ehescheidung wurde dabei nicht gesprochen. Keiner der Ehegatten beabsichtigte damals eine Scheidung. Die Antragsgegnerin hoffte noch immer auf eine Rückkehr des Antragstellers und wollte sich nur gegen den Verlust des Hauses absichern. Der Antragsteller wollte sich durch das Wohnrecht die Möglichkeit offen halten, nach Hause zurückzukehren, wenn etwa seine Lebensgemeinschaft in die Brüche gehen sollte. Der Verkehrswert der Liegenschaft und des Hauses beträgt S 1,679.000,--, jener des Hausrates S 77.400,--. Bei seinem Auszug aus der Ehewohnung nahm der Antragsteller einen PKW, der damals einen Wert von etwa S 76.000,-- hatte, mit, weiters eine Lebensversicherung, die damals einen Rückkaufswert von S 60.000,-- hatte, sowie ein Sparbuch, dessen Kontostand am 1. Juni 1983 S 15.664,92 und am 1. Juli 1983 S 5.784,47 betrug. Auch die Antragsgegnerin hatte ein Sparbuch, das im Sommer 1983 einen Kontostand von S 1.479,56 aufwies. Am 16. Juli 1986 brachte der Antragsteller eine Ehescheidungsklage ein. Die Ehe wurde mit Urteil vom 1. September 1986 gemäß § 55 Abs 1 EheG mit dem Ausspruch geschieden, der Antragsteller habe die Zerrüttung der Ehe allein verschuldet.

Mit seinem am 15. Jänner 1987 eingebrachten Antrag begehrte der Antragsteller die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, insbesondere der Liegenschaft samt Haus und des Hausrates dahin, daß die Antragsgegnerin Alleineigentümerin der Liegenschaft bleibt und ihr gemäß § 94 EheG eine billige Ausgleichszahlung auferlegt wird. Nach der im Antrag vertretenen Meinung müßte sich die Ausgleichszahlung in einer Höhe von S 1,246.800,-- bewegen. Die Antragsgegnerin wendete im wesentlichen ein, über die Liegenschaft sei bereits mit dem Notariatsakt verfügt worden. Die Antragsgegnerin habe damals alle Schulden übernommen. Sie habe während der Ehe neben der Kinderbetreuung und Haushaltsführung zeitweise ein zusätzliches Einkommen erzielt, im Gegensatz zum Antragsteller sehr sparsam gelebt und auch die Mutter des Antragstellers gepflegt.

Das Erstgericht erkannte die Antragsgegnerin schuldig, an den Antragsteller eine Ausgleichszahlung in der Höhe von S 150.000,-- zu leisten, zahlbar in monatlichen Raten a S 3.000,-- beginnend drei Monate ab Rechtskraft seines Beschlusses. Für den Fall des Zahlungsverzuges habe die Antragsgegnerin vom jeweils aushaftenden Betrag Verzugszinsen in der Höhe von 8 % an den Antragsgegner zu vergüten. Die Verfahrenskosten wurden gegenseitig aufgehoben. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Notariatsakt vom 6. Juli 1984 sei nicht im Zusammenhang mit dem Ehescheidungsverfahren im Sinne des § 97 Abs 2 EheG geschlossen worden. Die Liegenschaft sei daher in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen. Es sei zu berücksichtigen, daß der Antragsteller von seiner Mutter das Grundstück sowie Beträge von S 165.000,-- und eine weitere Liegenschaft, die er um S 70.000,-- verkauft habe, erhalten habe. Der Antragsteller sei bis Juli 1983 praktisch allein für den Unterhalt der Familie und die Darlehensrückzahlungen für den Hausbau aufgekommen. Die Antragsgegnerin habe nur zeitweise etwas dazu verdient. Die Antragsgegnerin habe bescheiden und anspruchslos gelebt. Der Antragsteller habe hingegen in der Freizeit Geld in beträchtlicher Höhe verbraucht. Ab dem Zeitpunkt des Auszuges des Antragstellers habe die Antragsgegnerin die Rückzahlungen übernommen. Trotz allem seien die Beiträge beider Ehegatten etwa gleichwertig einzustufen. Im Aufteilungsverfahren käme aber dem Gedanken der Billigkeit große Bedeutung zu, es sei auch auf das Wohl der Kinder Bedacht zu nehmen. Von den sechs gemeinsamen Kindern wohnten zumindest noch zwei bei der Antragsgegnerin, weiters das Kind einer geschiedenen Tochter. Alle diese Personen seien auf den weiteren Verbleib im Haus angewiesen. Zu berücksichtigen sei auch, daß der Antragsteller unbegründet ausgezogen sei und die Antragsgegnerin in eine schwierige Lage gebracht habe. Ziel der Aufteilung solle es sein, den vormaligen Ehegatten die Lebensgrundlage zu erhalten und ihnen eine wirtschaftlich tragbare Lösung anzubieten. Die Lebensverhältnisse des Antragstellers seien durch seine berufliche Stellung gesichert. Die Antragsgegnerin gehe aber wegen ihr Tätigkeit im Haushalt und ihrer zusätzlichen Pflegearbeiten keiner Berufstätigkeit nach. Sie erhalte monatlich S 8.100,-- an Unterhalt vom Antragsteller. Unter Berücksichtigung des PKWs, der Lebensversicherung und des Sparbuches habe der Antragsteller Werte in der Höhe von S 151.665,-- erhalten. Er müsse sich auch anrechnen lassen, daß die Antragsgegnerin die Bezahlung der Schulden übernommen habe. Eine Ausgleichszahlung von S 150.000,-- entspreche der Billigkeit.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge, wohl aber jenem der Antragsgegnerin und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des Antrages auf Zuerkennung einer Ausgleichszahlung ab. Das Gericht zweiter Instanz, das den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig erklärte, führte aus, zu berücksichtigen sei, daß die Übertragung des Eigentums an der Liegenschaft erst nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft erfolgt sei, die Antragsgegnerin die Schulden übernommen und dem Antragsteller ein Wohnrecht eingeräumt habe. Aus der Vereinbarung über das Wohnrecht ergebe sich, daß die Parteien die Absicht gehabt hätten, eine auch über eine allfällige Scheidung hinaus wirkende Regelung über das Einfamilienhaus zu treffen, denn nach der Ehescheidung sei das Wohnrecht zu löschen gewesen. Der Übergabsvertrag habe entgeltlichen Charakter gehabt. Die nachfolgende Ehescheidung habe seine Wirksamkeit nicht beseitigt, da nicht im Sinne des § 97 EheG über einen Aufteilungsanspruch verzichtet, sondern lediglich über ein an sich der Aufteilung unterliegendes Vermögen verfügt worden sei. Durch ein Aufteilungsverfahren könne diese Übereinkunft nicht verändert werden. Das Gericht sei nach allgemeinen Vertragsgrundsätzen aber auch nach § 85 EheG an diese Vereinbarung gebunden. Der Wert der Liegenschaft sei daher nicht in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung.

Der Antragsteller bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs, in welchem der Antrag gestellt wird, der Antragsgegnerin eine grundbücherlich sichergestellte Ausgleichszahlung von S 1,1 Mill. in monatlichen Raten a S 8.000,-- aufzuerlegen. Hilfsweise stellt der Antragsteller einen Aufhebungsantrag.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist teilweise berechtigt.

Der Ansicht des Rekursgerichtes, auf Grund des Notariatsaktes vom 6. Juli 1984 unterliege die Liegenschaft nicht der Aufteilung, kann nicht beigetreten werden. Wie auch das Rekursgericht erkannte, kann gemäß § 97 Abs 1 EheG auf den Anspruch auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens im voraus rechtswirksam nicht verzichtet werden. Dies gilt nach Absatz 2 lediglich nicht für Vereinbarungen, die die Ehegatten im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse schließen. Der Notariatsakt, der zwei Jahre vor der Einbringung der Ehescheidungsklage abgeschlossen wurde, als beide Parteien eine Scheidung noch nicht beabsichtigten, wurde nicht im Zusammenhang mit dem Ehescheidungsverfahren geschlossen. Wohl ist der Vertrag insofern wirksam, als die Antragsgegnerin dadurch Eigentümerin der Liegenschaft wurde, trotzdem unterliegt die Liegenschaft aber der Aufteilung, da sie als Ehewohnung diente und daher gemäß § 81 Abs 2 EheG eheliches Gebrauchsvermögen darstellt.

Bei der Aufteilung sind daher zu berücksichtigen die Liegenschaft im Wert von S 1,679.000,-- und der mit S 77.400,-- bewertete Hausrat sowie die dem Antragsteller bereits zugekommenen Vermögenswerte von zusammen S 151.665,--. Weiters ist darauf Bedacht zu nehmen, daß die Antragsgegnerin Schulden zur Rückzahlung übernommen hat, die zur Zeit der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft S 391.028,65 ausmachten. Bei der gemäß § 83 EheG nach Billigkeit vorzunehmenden Aufteilung ist davon auszugehen, daß die Haushaltsführung und die Erziehung von sechs Kindern der Berufstätigkeit des Antragstellers gewiß gleichgestellt werden kann. Zugunsten der Antragsgegnerin ist aber weiters darauf Bedacht zu nehmen, daß sie - im Gegensatz zum Antragsteller - bescheiden und sparsam gelebt und daher zusätzlich noch durch Konsumverzicht einen Beitrag geleistet hat (vgl. EFSlg 48.965, 51.771). Nicht unberücksichtigt kann auch bleiben, daß das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe allein den Antragsteller trifft

(EFSlg 51.753 ua). Die Antragsgegnerin soll daher durch die Aufteilung nicht in unzumutbare wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen (EFSlg 51.759 ua). Richtig ist zwar, daß der Antragsteller das Grundstück und auch sonstige Vermögenswerte für den Bau des Hauses von seiner Mutter erhalten hat, doch ist im Rahmen der anzustellenden Billigkeitserwägungen zugunsten der Antragsgegnerin auch darauf Bedacht zu nehmen, daß ihr der Antragsteller diese Liegenschaft nach Auslösung der häuslichen Gemeinschaft ins Eigentum übertragen hat. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß eine Zahlungsverpflichtung, die die Antragsgegnerin in ihrer wirtschaftlichen Lage nicht wohl bestehen ließe, der Billigkeit widerspräche (EFSlg 51.829 ua).

Nimmt man auf alle diese Umstände Bedacht, dann ergibt sich, daß bei der Entscheidung des Erstgerichtes über die Zuerkennung einer in Teilbeträgen zu leistenden Ausgleichszahlung in der Höhe von S 150.000,-- dem Beitrag des Antragstellers nicht hinreichend Rechnung getragen wurde. Vielmehr entspricht eine Ausgleichszahlung in der Höhe von S 250.000,-- zu den vom Erstgericht verfügten Zahlungsmodalitäten den Billigkeitsgrundsätzen der §§ 83 und 94 EheG. Zur Sicherstellung der Ausgleichszahlung war gemäß § 94 Abs 2 EheG die Einverleibung des Pfandrechtes für diese Forderung auf der der Antragsgegnerin gehörigen Liegenschaft EZ 3416 KG Dornbirn anzuordnen.

Die Entscheidung über die Kosten aller Instanzen gründet sich auf § 234 AußStrG. Obwohl der Antragsteller nur eine wesentlich geringere Ausgleichszahlung erhält, als er anstrebte, entspricht es der Billigkeit, die Kosten gegenseitig aufzuheben, zumal bei der Kostenentscheidung nach § 234 AußStrG Wertansätze und Erfolg nicht von ausschlaggebender Bedeutung sind (EFSlg 52.940 ua).

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