OGH 7Ob571/88

OGH7Ob571/8828.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Ing. Georg R***, Angestellter, Neufeld a.d. Leitha, Weekendstraße I, Parzelle 2,

2.) Mag. Maria Magdalena W***, Pensionistin, Wien 12., Wilhelmstraße 26, und 3.) Anna R***, Pensionistin, Wien 10, Liesingbachstraße 215, sämtliche vertreten durch Dr. Alfred Pribik, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Z*** DER K***, Siedler und Kleintierzüchter Österreichs, Wien 6., Getreidemarkt 11/10, vertreten durch Dr. Alois Bergbauer, Rechtsanwalt in Wien, und die auf Seite der Beklagten beigetretenen Nebenintervenienten 1.) Thomas P***, Pensionist, Wien 11., Oberlaaer Straße 193, Parzelle 6, 2.) Ferdinand S***, Gemeindebediensteter, Wien 11., Franz Koci-Straße 5/8/2/7, Parzelle 8, 3.) Erich E***, Pensionist, Wien 10., Oppenheimstraße 47/12/2/7, Parzelle 10, und 4.) Josef P***, Pensionist, Wien 10., Alaudagasse 19/142/11, Parzelle 12, sämtliche vertreten durch Dr. Alois Bergbauer, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 20. Jänner 1988, GZ 48 R 547/87-14, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 15. September 1987, GZ 5 C 6288/87-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger, Eigentümer des Grundstückes Nr. 31/1 der EZ 78 KG Rothneusiedl, kündigten dem Beklagten nach § 6 Abs. 2 lit. b Kleingartengesetz vom 16. Dezember 1958 BGBl. Nr. 6/1959 ein Teilstück dieses Grundstückes zum 31. Dezember 1987 mit der Begründung auf, das Grundstück solle innerhalb eines Jahres der Bebauung durch ein Einfamilienhaus zugeführt werden. Diese Bauführung werde Dipl.Ing. Alfons W*** durchführen und das Objekt sodann für seine Zwecke als Familienwohnhaus nützen. Dipl.Ing. Alfons W*** sei der Sohn der Zweitklägerin. Die Beklagte ist Generalpächter des erwähnten Grundstückes, das er den Nebenintervenienten, als Kleinpächter, in Unterbestand gegeben hat.

Die ursprünglich das ganze Grundstück betreffende Aufkündigung wurde infolge von Einwendungen des Beklagten gegen die vom Erstgericht erlassene Aufkündigung vom 26. Juni 1987, 5 K 135/87 auf das erwähnte Teilstück eingeschränkt, weil bezüglich des Restes des Grundstückes nicht die Beklagte, sondern der Landesbund Donauland Generalpächter ist. Die Kläger haben hierauf zum 31. Dezember 1988 auch eine Kündigung gegen den Landesbund Donauland eingebracht. Die Vorinstanzen haben die Aufkündigung ohne weiteres Verfahren mit der Begründung aufgehoben, nach § 6 Abs. 2 lit. b Kleingartengesetz könne ein Generalpachtvertrag nur gekündigt werden, wenn das Grundstück innerhalb eines Jahres der Bebauung zugeführt und die Möglichkeit der fristgerechten Durchführung des Baues glaubhaft gemacht werde. Im Hinblick auf den Umstand, daß es sich bei der aufgekündigten Teilfläche um einen nur ca. 12 m breiten Grundstreifen handle, der allein nicht verbaut werden könne, erscheine die rechtzeitige Bauführung deshalb nicht glaubhaft gemacht, weil keine Gewähr dafür bestehe, daß auch der restliche Grundstücksteil innerhalb der Jahresfrist einer Bebauung zugeführt werden könne (das Berufungsgericht erhob am 13. Jänner 1988 telefonisch, daß die zu 5 K 182/87 des Bezirksgerichtes Favoriten eingebrachte Aufkündigung des Landesbundes Donauland bisher noch nicht zugestellt werden konnte).

Rechtliche Beurteilung

Die von den Klägern gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes, das ausgesprochen hat, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt, wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist gerechtfertigt.

Nach § 6 Abs. 2 lit. b des Kleingartengesetzes kann ein Generalpachtvertrag gekündigt werden, wenn das Grundstück innerhalb eines Jahres der Bebauung zugeführt und die Möglichkeit der fristgerechten Durchführung des Baues glaubhaft gemacht wird. Unter dem Begriff "der Bebauung zuführen" kann nicht die Vollendung des Baues, sondern nur der Baubeginn verstanden werden. Es muß die Gewähr gegeben sein, daß mit der Bebauung innerhalb eines Jahrs begonnen wird. Da aber die Dauer des Kündigungsstreites und des Räumungsverfahrens von vornherein nicht abzusehen sind, kann die Jahresfrist auch erst mit der tatsächlichen Räumung zu laufen beginnen. Es muß allerdings auch glaubhaft gemacht werden, daß der Bau nicht nur begonnen, sondern auch fortgesetzt und vollendet wird (MietSlg. 19.453, 22.528, 20.596 u.a.).

Die Vorinstanzen haben die Rechtslage im wesentlichen richtig erkannt. Ihrer Auffassung, im vorliegenden Fall scheitere eine Glaubhaftmachung des Baubeginnes innerhalb der gesetzlichen Frist schon an der Tatsache, daß bezüglich des restlichen Grundstückes ein eigenes Kündigungsverfahren anhängig ist, kann nicht beigepflichtet werden. Eine Glaubhaftmachung setzt nicht absolute Gewißheit voraus. Es muß nur entsprechend dargetan werden, daß die Voraussetzungen innerhalb der gesetzlichen Frist mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegen werden. Würde man hiebei den von den Vorinstanzen herangezogenen strengen Maßstab anlegen, so wäre - worauf die Kläger in der Revision zutreffehd hinweisen - die Aufkündigung eines Generalpachtvertrages nach § 6 Abs. 2 lit. b Kleingartengesetz immer dann praktisch unmöglich, wenn die für den Bau vorgesehene Grundfläche räumlich geteilt und an zwei verschiedene Pächter verpachtet ist. In keinem dieser Fälle besteht die absolute Gewähr dafür, daß die Pachtverhältnisse zum gleichen Zeitpunkt beendet sind und die Räumungen durchgeführt werden. Die einjährige Frist beginnt mit der Räumung (EvBl. 1962/290, MietSlg. 19.453 ua). Sind verschiedene Kündigungen bei demselben Gericht anhängig, so kann das Gericht einen wesentlichen Beitrag zur Gleichzeitigkeit durch eine Verbindung dieser beiden Rechtssachen leisten. Ob in einem solchen Fall eine einheitliche Aufkündigung überhaupt rechtlich möglich wäre, muß nicht näher geprüft werden.

Im vorliegenden Fall steht fest, daß bezüglich der gesamten Fläche Aufkündigungen eingebracht worden sind. Das die vorliegende Aufkündigung betreffende Verfahren ist kemneswegs soweit fortgeschritten, daß, auch wenn man den bisherigen Abweisungsgrund außer Betracht läßt, mit seinem unmittelbaren Abschluß gerechnet werden kann. Demnach kann nicht ohne weiters gesagt werden, die Beendigung der beiden Verfahlen werde so weit auseinanderfallen, daß bezüglich der hier verfahrensgegenständlichen Teilfläche die Jahresfrist keinesfalls eingehalten werden kann. Es erscheint auch nicht ausgeschlossen, daß, wenn auch das Räumungsverfahren bezüglich der zweiten Teilfläche noch nicht abgeschlossen ist, auf der bereits freien Teilfläche mit dem Bau begonnen werden kann. Sämtliche vorerwähnten Fragen sind bisher nicht erörtert worden, weshalb der Rechtsansicht der Vorinstanzen, bereits jetzt könne eine Glaubhaftmachung des rechtzeitigen Baubeginnes verneint werden, nicht beizutreten ist. Vielmehr müssen die oben aufgezeigten Umstände geprüft werden.

Es erweist sich sohin bereits das erstgerichtliche Verfahren aus rechtlichen Erwägungen als derart mangelhaft, daß eine abschließende Beurteilung nicht möglich ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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