OGH 3Ob501/87

OGH3Ob501/8727.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*** W*** Aktiengesellschaft,

Landhausplatz 2, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr. Ivo Greiter und Dr. Franz Pegger, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Johann G***, Wachszieher, Unterdorf 8, 6280 Zell am Ziller, vertreten durch Dr. Josef Heis und Dr. Markus Heis, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 172.838,67 sA und Feststellung (Streitwert S 160.000,-) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 25. Juni 1986, GZ 5 R 187/86-21, womit das Urteil des Landesgerichtes vom 31. Dezember 1985, GZ 5 Cg 649/83-15, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die Kosten der klagenden Partei für die Rekursbeantwortung sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Das klagende Elektrizitätsversorgungsunternehmen liefert dem Beklagten elektrische Energie für seinen Wachsziehereibetrieb und den Haushalt. Es hatte in einem Übereinkommen über den Freistrombezug vom 19. Jänner 1951 auf die Einhebung einer Grundgebühr verzichtet, sich allerdings eine neue Regelung bei einer wesentlichen wirtschaftlichen Änderung vorbehalten. Die klagende Partei erhob gegen den Beklagten am 20. Dezember 1983 die Klage mit einem Zahlungs- und einem Feststellungsbegehren. Sie trug vor, die Bedingung für das Abgehen von der getroffenen Vereinbarung sei eingetreten. Der Beklagte habe im Jahr 1980 seinen Gewerbebetrieb umgebaut und ausgeweitet und verbrauche nun wesentlich mehr Strom (Anschlußwert 1971 33 kW und 1981 215 kW; Durchschnittsverbrauch 1948 bis 1950 7.750 bis

8.950 kWh und 1981 100.500 kWh). Die wesentliche Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse rechtfertige die neue Regelung des Freistromrechtes und seine Verpflichtung zur Zahlung der Grundgebühr für den über die Freistrommenge hinausgehenden Strombezug. Die klagende Partei habe dem Beklagten seit Feber 1982 die tarifmäßige Grundgebühr vorgeschrieben. Der Beklagte verweigere die Zahlung und habe nur Teilzahlungen auf die Forderungen für Stromlieferung geleistet. Der Beklagte schulde S 172.838,67 und 9,75 % Zinsen seit dem 29. Oktober 1985, weil die bis dahin aufgelaufenen Zinsen in der Höhe der eigenen Zinsenbelastung aus der Inanspruchnahme von Bankkredit mit den Teilzahlungen des Beklagten abgedeckt seien. Die klagende Partei begehre Feststellung, daß sie zur Einhebung einer Grundgebühr für die Bereitstellung der elektrischen Leistung, soweit sie über das Freistromrecht hinausgehe, nach den jeweils geltenden Allgemeinen Tarifen berechtigt sei. Der Beklagte bestreite nämlich dieses Recht.

Der Beklagte beantragte, beide Klagebegehren abzuweisen. Das Freistrombezugsrecht habe nicht nur für den Haushalt, sondern auch für den Gewerbebetrieb gegolten. Er habe nur einen Umbau seines Betriebes vorgenommen, diesen aber nicht ausgeweitet. Der Anstieg des Stromverbrauches sei seit 1951 kontinuierlich erfolgt. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich nicht geändert, wohl aber die der klagenden Partei, die 1924 gegründet wurde und im Lauf der Zeit die von Pionieren der Elektrizitätswirtschaft auf eigenes Risiko errichteten Kraftwerke gegen Gewährung von Freistrom und Grundgebührenbefreiung aufgekauft habe. Die von der klagenden Partei stammende Formulierung in dem Übereinkommen sei undeutlich, ihr Verzicht auf Einhebung von Grundgebühren aufrecht und ein Anspruch auf Änderung verjährt, weil die klagende Partei seither 30 Jahre lang nichts unternommen habe. Die klagende Partei dürfe dem Beklagten nicht die Rechte entziehen, die er mit rechtsgültigem Vertrag erworben habe.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von S 140.551,79 zuzüglich 9,75 % Zinsen seit dem 29. Oktober 1985, wies das Mehrbegehren der klagenden Partei auf Zahlung weiterer S 32.286,88 sA ab und stellte fest, daß die klagende Partei für die Bereitstellung der elektrischen Leistung, soweit die für den Beklagten bereitgestellte Leistung über das Freistromrecht nach Punkt 1 des Übereinkommens vom 19. Jänner 1951 von 1,176 Tageskilowatt vom 1. Oktober bis 31. März und von 1,667 Tageskilowatt vom 1. April bis 30. September eines jeden Jahres hinausgeht, zur Einhebung einer Grundgebühr nach ihren jeweiligen Allgemeinen Tarifen beim Beklagten berechtigt ist.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest:

Die klagende Partei ist die Rechtsnachfolgerin der Z*** Aktiengesellschaft, in die das Wasserkraftelektrizitätswerk am Stiluppbach der Z*** Elektrizitätsgesellschaft OHG als Sacheinlage gegen Überlassung von Aktien und Strombezugsrechten für ihre Gesellschafter am 1. Jänner 1922 eingebracht wurde. Einer der offenen Gesellschafter war ein Vorfahre und Rechtsvorgänger des Beklagten. Die Gesellschafter erwarben für ihre "Stämme" sowie ihre Nachkommen das Recht des unentgeltlichen Bezuges von Strom bis zu 21 Tageskilowatt für die Wintermonate (1. Oktober bis 31. März) und 32 Tageskilowatt für die Sommermonate (1. April bis 30. September). Dieses Strombezugsrecht wurde den Gesellschaftern und ihren Nachkommen in gerader Linie für immer eingeräumt, gleich, ob die Z*** Aktiengesellschaft oder deren Rechtsnachfolger dieses Werk betreiben oder besitzen. Innerhalb jedes "Gesellschafterstammes" sollte die Ausnützung des Gratisstroms frei verschiebbar sein.

Der damals noch unmündige und durch seine Mutter als Vormünderin vertretene Beklagte war 1951 Inhaber eines Teiles des auf den Stamm seines Vorfahren fallenden Freistrombezugsrechtes von 1,667 Tageskilowatt während der Sommermonate und von 1,167 Tageskilowatt während der Wintermonate.

Zwischen ihm und der klagenden Partei kam es zu folgendem, mit 15. Jänner 1951 datierten und von der Vormünderin am 19. Jänner 1951 unterfertigten Übereinkommen:

"1. Die Kinder nach Ihrem verstorbenen Gatten Hans G*** sind nach den uns zugegangenen Mitteilungen erbberechtigt hinsichtlich dessen Freistromrechtes. Demgemäß haben diese Kinder, als deren Mutter-Vormünderin Sie mit uns das vorliegende Übereinkommen abschließen, das Recht, von uns während der Sommermonate, das ist vom 1. April bis zum 30. September jeden Jahres 1,667 Tageskilowatt und in den Wintermonaten, das ist vom 1. Oktober bis 31. März jeden Jahres 1,167 Tageskilowatt zu beziehen. Bisher wurde dieser Bezug über einen Freistromzähler getätigt, der auch den Verbrauch anderer Familienmitglieder erfaßte. In Hinkunft wird der Verbrauch Ihres Haushalts getrennt durch einen normalen durch uns plombierten Kilowattstundenzähler erfaßt und bleibt auf die Räume beschränkt, die Sie bei Montage des Zählers mittels eines schriftlichen Protokolls gemeinsam mit unserem Organ festlegen.

2. In Abänderung des alten Freistromvertrages aus dem Jahre 1922 werden künftighin nicht mehr die dort erwähnten Tageskilowatt als Freistromgrenze für die Feststellung des Überverbrauches maßgebend sein, sondern es werden Ihnen in den Sommermonaten 800 kWh je Monat und in den Wintermonaten 560 kWh je Monat frei von uns zur Verfügung gestellt werden. Diese Freistrommengen werden von Ihrem Gesamtverbrauch in Abzug gebracht und der hernach sich ergebende Überverbrauch Ihnen monatlich in Rechnung gestellt.

3. Der über der vorerwähnten Arbeitsgrenze liegende Verbrauch (Überverbrauch) wird Ihnen zum Arbeitspreis unseres jeweiligen Haushaltstarifes, das ist derzeit S 0,28 je kWh, verrechnet. Wir verzichten auf die Einhebung einer Grundgebühr. Dieser Verzicht stellt jedoch kein Präjudiz für andere Fälle dar. Wir behalten uns vor, mit Ihnen eine neue Regelung zu treffen, falls sich die wirtschaftlichen Verhältnisse bei Ihnen oder bei uns wesentlich ändern sollten."

Schon damals wurde auch für den Kerzenerzeugungsbetrieb der Familie des Beklagten Strom verbraucht. Es ist nicht feststellbar, daß zwischen dem für den Haushalt und dem für den Gewerbebetrieb verbrauchten Strom unterschieden wurde. In den Jahren 1950 und 1951 betrug der Anschlußwert für den Haushalt 12.344 kW und für den Gewerbebetrieb 4.223 kW. Bis zum Jahr 1972 stiegen die Anschlußwerte im Haushalt und im Gewerbebetrieb des Beklagten nur schwach an. Danach nahmen die Anschlußwerte und der Stromverbrauch im Gewerbebetrieb und für die Raumheizung erheblich zu. Der Anschlußwert stieg von 14 Kilowatt im Jahr 1972 auf 182 Kilowatt im Jahr 1981, wovon 140 Kilowatt auf den Gewerbebetrieb entfallen. Der Gesamtstromverbrauch für Haushalt, Gewerbe und Raumheizung stieg von 14.000 kWh im Jahr 1950 auf rund 100.000 kWh im Jahr 1981. Im Jahr 1951 hätte der Grundpreis, der neben dem Arbeitspreis für die Kosten, die das klagende Elektrizitätsversorgungsunternehmen für die Bereitstellung der elektrischen Energie aufwenden muß, eingehoben wird, ohne Berücksichtigung des Freistrombezugsrechtes S 20,- bis S 30,- im Monat betragen. Weshalb die klagende Partei im Übereinkommen vom 19. Jänner 1951 auf die Einhebung der Grundgebühr verzichtete, läßt sich nicht feststellen.

Bei Erhebung der Anschlußwerte im Haushalt und Betrieb des Beklagten im Jahr 1981 stellte die klagende Partei das starke Ansteigen fest. Sie schlug dem Beklagten eine Änderung des Übereinkommens vom 19. Jänner 1951 vor und verlangte, daß für die im Rahmen des Gewerbebetriebes über das vereinbarte Freistrombezugsrecht hinausgehenden Anschlußwerte die Grundgebühr nach den Allgemeinen Tarifen entrichtet wird.

Der Beklagte lehnte jede Änderung der Vereinbarung ab. Seit dem März 1981 verrechnet die klagende Partei dem Beklagten für die Anschlußwerte in seinem Gewerbebetrieb den tariflichen Grundpreis nach der Tarifgruppe Gewerbe-Licht unter Berücksichtigung eines Jahresdurchschnittswertes des Freistrombezuges von 1,5 Kilowatt. Beim Arbeitspreis werden seit 1951 unverändert 800 kWh monatlich im Sommerhalbjahr und 560 kWh monatlich im Winterhalbjahr als kostenlos nicht verrechnet.

Auf die in Rechnung gestellten Forderungen von März 1982 bis Juli 1985 mit dem Stand 28. Oktober 1985 von S 604.047,98 hat der Beklagte nur S 463.496,19 bezahlt. Die klagende Partei nimmt Bankkredit in Anspruch und hat für ihre die Restforderung übersteigenden Verbindlichkeiten 9,75 % Zinsen zu leisten. Das Erstgericht erblickte in der Vereinbarung vom 19. Jänner 1951, wonach die klagende Partei sich bei einer wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse auf Seiten eines der Vertragsteile eine neue Regelung vorbehielt, eine den Verzicht auf die Einhebung der Grundgebühr erfassende Umstandsklausel und billigte der klagenden Partei das Recht zu, eine entsprechende Abänderung durchzusetzen, weil sich die Verhältnisse wesentlich geändert hätten und keine Einigung über die neue Regelung zustande gekommen sei. Auf dieses Recht habe die klagende Partei weder ausdrücklich noch schlüssig verzichtet, eine Verjährungsfrist sei nicht abgelaufen. Das Freistromrecht sei auf die Übertragung des privaten Elektrizitätswerks durch die damaligen Gesellschafter an die Aktiengesellschaft, deren Rechtsnachfolger die klagende Partei sei, zurückzuführen. Offenbar sollte den ehemaligen Eigentümern jene Strommenge unentgeltlich zustehen, die sie früher aus dem eigenen Kraftwerk beziehen konnten, wofür auch die Unterscheidung zwischen dem Winter- und dem Sommerhalbjahr spreche. Im Jahr 1922 sei der durchschnittliche Stromverbrauch der Berechtigten mit dem Freistrombezug gedeckt gewesen. Damals sei auch die Messung des Strombezuges in das Ermessen der Aktiengesellschaft gestellt gewesen. Erst seit etwa 1940 habe der Stromverbrauch für Haushalt und integrierten Betrieb der Rechtsvorgänger des Beklagten die Freistrommenge überschritten. Deshalb sei es zu der Änderung mit Vereinbarung vom 19. Jänner 1951 und zur Umstellung von Tageskilowatt auf Kilowattstunden je Monat gekommen. Damals sei offenbar davon ausgegangen worden, daß im Umfang des Freistrombezuges auch keine Grundgebühr einzuheben sei. Es lasse sich keine andere vernünftige Erklärung für den Verzicht der klagenden Partei auf Einhebung der Grundgebühr überhaupt finden, als daß bei einer anfallenden Grundgebühr von S 20,- bis S 30,- im Monat und der Notwendigkeit der Verminderung um den Freistromanteil die Schwierigkeiten der Grundgebührenermittlung in keinem Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert standen. Die starke und wesentlich auch auf die Ausweitung des Gewerbebetriebes zurückzuführende Erhöhung der Anschlußwerte rechtfertige das Abgehen von dem damals erklärten Verzicht. Anders als im Haushaltstarif, wo sich bei der Grundgebührenermittlung das Zusammenspiel ihrer Errechnung nach der Anzahl der Räume mit dem Abzug des Freistrombezuges auswirke, sei bei der Grundgebühr für den gewerblich verbrauchten Strom die Berücksichtigung des Freistromrechtes unschwer möglich. Der Vorschlag der klagenden Partei, wie er im Feststellungsbegehren zum Ausdruck komme, sei angemessen und berücksichtige die Grundlagen der Verträge vom 1. Jänner 1922 und vom 19. Jänner 1951. Der Beklagte habe daher den Rückstand an Stromkosten von S 140.551,49 samt Zinsen zu bezahlen. Auch das Feststellungsbegehren sei berechtigt. Die Zahlungen des Beklagten dürfe die klagende Partei aber nicht auf ihre Zinsenforderungen verrechnen, weil der Beklagte ausdrücklich die Zahlungen für die anerkannten Forderungen ohne Grundgebühr widmete, den Anspruch der klagenden Partei auf die verrechnete Grundgebühr aber bestritten hat. Daher seien alle Zahlungen auf die Hauptsache anzurechnen und das Mehrbegehren, das in Wahrheit auf stufenweise errechnete Verzugszinsen bis zum 28. Oktober 1985 entfalle, abzuweisen.

Das Berufungsgericht hob über die Berufung beider Teile das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz. Das Berufungsgericht setzte den Rechtskraftvorbehalt und holte den Ausspruch nach, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,- übersteigt.

Das Berufungsgericht folgte der Ansicht des Beklagten nicht, die Änderungsklausel in der Vereinbarung vom 19. Jänner 1951 sei so unbestimmt, daß sie nach § 869 ABGB unwirksam bleibe, es seien aber jedenfalls auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Elektrizitätsversorgungsunternehmens zu berücksichtigen und es sei ein Verzicht anzunehmen. Da andere Beweise zur Feststellung des Erklärungswertes nicht verfügbar seien, komme es bei der reinen Urkundenauslegung darauf an, welche Bedeutung der eine Vertragsteil der Erklärung des anderen Teils nach dem Wortlaut in der Urkunde unter Berücksichtigung des Geschäftszweckes beilegen mußte. Bei Zweifeln sei die Übung des redlichen Verkehrs maßgeblich. Es habe dann jene Auslegung den Vorzug, die eine wirksame und sinnvolle Interpretation gestatte. Danach habe die klagende Partei in der Vereinbarung einer neuen Regelung bei einer wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch nur auf Seiten eines Vertragsteiles verzichtet. Unter den wirtschaftlichen Verhältnissen konnte nur der tatsächliche Stromverbrauch im Gewerbebetrieb des Beklagten verstanden werden. Eine vergleichende Berücksichtigung der Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der klagenden Partei sei nicht notwendig, weil der Eintritt der Umstandsklausel schon durch die Änderung der Umstände bei nur einem der Vertragsteile erfolgen sollte. Die Anschlußwerte im Gewerbebetrieb des Beklagten seien bis zum Jahr 1981 gegenüber dem Zeitpunkt der Vereinbarung im Jahr 1951 um mehr als das Dreißigfache gestiegen. Der damals erklärte Verzicht auf die Grundgebühr von weniger als S 20,- bis S 30,- im Monat lasse sich nur mit den Schwierigkeiten ihrer Ermittlung erklären, doch sollte der Verzicht nur so lange wirksam bleiben, als die damalige Sachlage, also auch der Anschlußwert im Gewerbebetrieb fortdauerte. Seither sei aber eine wesentliche Veränderung des Anschlußwertes eingetreten, die zur Vertragskorrektur berechtige. Die Gerichte könnten die Leistungspflicht rechtsgestaltend ändern, um den Interessen beider Teile gerecht zu werden. Bei dieser Vertragskorrektur müsse der Grundsatz der Vertragstreue gewahrt bleiben und in erster Linie vom hypothetischen Willen der Parteien und nur hilfsweise davon ausgegangen werden, wie andere Parteien redlicherweise gehandelt hätten. Die Vertragsteile hätten im Jänner 1951 die Befreiung des Beklagten von der Grundgebühr nach den damals gegebenen Verhältnissen vereinbart. Der Beklagte dürfe im Fall des vorbehaltenen Abgehens wegen der eingetretenen Änderung der zugrunde gelegten Sachlage nicht schlechter gestellt werden. Er müsse auch bei Veränderung der Umstände im Genuß der Vorteile bleiben, die ihm der Vertrag verschaffte. Diesen Anforderungen entspreche das Änderungsverlangen der klagenden Partei nicht, weil sie nicht von dem im Jänner 1951 vorhandenen Anschlußwert für den Gewerbebetrieb von 4,223 kW, sondern von den überholten Anschlußwerten von durchschnittlich 1,5 kW ausgehe. Die klagende Partei sei daher zwar berechtigt, vom Beklagten die Grundgebühr zu verlangen, sie müsse aber bei der Berücksichtigung des Freistrombezugsrechtes von dem Anschlußwert ausgehen, der schon zur Zeit der Vereinbarung am 19. Jänner 1951 im Betrieb gegeben war. Auch sei noch festzustellen, ob die Vorschreibung der Grundgebühr für den Haushalt tatsächlich weiter unterblieben ist. Es bedürfe der Neuberechnung der Forderungen der klagenden Partei nach den aufgezeigten Grundsätzen. Ein Verzicht der klagenden Partei auf die Geltendmachung der Vertragsanpassung liege nicht vor. Erst bei der Erhebung 1981 sei die bedeutende Steigerung der Anschlußwerte hervorgekommen. Darauf habe die klagende Partei sogleich die Grundgebühr verlangt.

Auch der Berufung der klagenden Partei komme Berechtigung zu, weil sie nach Handelsrecht den die gesetzlichen Zinsen übersteigenden wirklichen Schaden und entgangenen Gewinn ersetzt verlangen dürfe, der ihr aus auch nur einfachem Verschulden des säumigen Schuldners entstanden ist. Die Kapitalisierung dieser Zinsen sei zulässig, doch stünden Zinseszinsen nur im gesetzlichen Ausmaß zu. Es bedürfe daher auch noch der Feststellung der Tatumstände, die die rechtliche Beurteilung gestatten, ob die Zahlungen des Beklagten auf rückständige Zinsen anzurechnen seien. Im anderen Fall stünden der klagenden Partei die kapitalisierten Zinsen bis zur Zustellung der Klageschrift und daraus 5 % Zinseszinsen zu.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß erhobenen Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Es trifft nicht zu, daß die in das Übereinkommen vom 19. Jänner 1951 aufgenommene, von der klagenden Partei formulierte Bestimmung über den Vorbehalt der Neuregelung bei einer wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Vertragsteiles unverständlich und unbestimmt sei. Es ist vielmehr für beide Teile nach redlicher Verkehrsübung zweifelsfrei erkennbar gewesen, daß damit der Verzicht des Elektrizitätsversorgungsunternehmens auf die damals überschaubare Sachlage abgestellt und eine Umstandsklausel vereinbart wurde, die eine Anpassung dieser vertraglichen Regelung an künftige, noch nicht abschätzbare wesentliche Veränderungen in den Grundlagen der Verzichtsvereinbarung gestatten sollte, ohne daß allerdings an eine nach dem Inhalt des seinerzeit geschlossenen Übereinkommens vom 1. Jänner 1922 nur einvernehmlich mögliche Beendigung der Vertragsbeziehung überhaupt gedacht wurde. Die Vorinstanzen haben daher ohne Rechtsirrtum erkannt, daß der Verzicht des Elektrizitätsversorgungsunternehmens auf die Einhebung der Grundgebühr auf die damals vorhandenen Gegebenheiten abgestellt war und nicht für alle Zukunft gelten sollte, so daß der Fall einer schon im voraus vereinbarten Vertragsanpassung nach Art der Umstandsklausel vorliegt, die nicht zum Wegfall der Vereinbarung führt, also hier nicht zum gänzlichen Fortfall des Verzichts, sondern zur Angleichung an die eingetretene wesentliche Änderung der Geschäftsgrundlage (vgl. zur Unterhaltsvereinbarung Rummel in Rummel, ABGB, Rz 8 a zu § 901). Der Verzicht der klagenden Partei auf die Grundgebühr ist bei der wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse in der Sphäre des Beklagten, - worunter nur die für die Bemessung der Grundgebühr maßgebenden Faktoren und nicht etwa andere Umstände, die mit dem Bezug elektrischer Energie in keinem Zusammenhang stehen, zu verstehen sind, - in der Weise einzuschränken, wie es redlich denkende Menschen für den nun eingetretenen Fall vereinbart hätten, falls sie ihn vorausgesehen hätten (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 901; Koziol-Welser I8 122 ff). Dies entspricht dem in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsatz, daß jedes Schuldverhältnis auch die Pflicht zu wechselseitiger Rücksichtnahme und zu einem Verhalten begründet, wie es unter redlich und loyal denkenden Geschäftspartnern erwartet werden kann (Gschnitzer, Schuldrecht AT2, 50; JBl 1987, 102; JBl 1987, 782 ua). Diesen Erfordernissen entspricht die vom Berufungsgericht angeordnete Lösung des Rechtskonflikts, während die Weigerung des Beklagten, trotz wesentlicher Änderung der Verhältnisse durch die Anschlußwerte seiner Stromverbrauchsgeräte im Betrieb bestimmten wirtschaftlichen am nur eingeschränkt erklärten Verzicht der klagenden Partei festhalten zu wollen, mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht vereinbar ist.

Daß auf diese Weise im Übereinkommen nur klargestellt ist, daß eine wesentliche Änderung der Gegebenheiten eine neue Regelung der Grundgebührenzahlung erlaubt, nicht aber schon konkret für jede mögliche Änderung die dann zu treffende Vereinbarung umschrieben wurde, schadet nicht. Die "neue Regelung" bedeutet, daß den geänderten Umständen in einer ausgewogen die Interessen beider Teile berücksichtigenden Anpassung des Vertrages Rechnung zu tragen ist, so daß der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, in eine solche Vertragskorrektur einzuwilligen. Nichts anderes soll durch das Urteil in diesem Rechtsstreit bewirkt werden. Aus § 915 ABGB läßt sich für den Beklagten nichts gewinnen, weil eine von der klagenden Partei zu vertretene Undeutlichkeit nicht vorliegt. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend erkannt, daß nicht eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse auf beiden Seiten Voraussetzung des Eingreifens der vereinbarten Umstandsklausel ist und daß sich die klagende Partei hier auf die Veränderung in der Sphäre des Beklagten stützen kann. Wie es auf die gute oder schlechte Vermögenslage des Beklagten nicht ankommen kann, sondern nur auf die mit dem Strombezug zusammenhängenden wirtschaftlichen Verhältnisse, so bleiben auch der Aufschwung der Elektrizitätswirtschaft und die Ausweitung der Kapazität und der Anlagen des klagenden Elektrizitätsversorgungsunternehmens ohne Auswirkung auf den Vertrag. Eine auf Seiten der klagenden Partei eingetretene Änderung der den Stromlieferungsvertrag beeinflussenden wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Beklagte, konkret nicht geltend gemacht.

Ob und inwieweit die Zinsen nach Handelsrecht zu berechnen sind, wird von der erst im fortzusetzenden Verfahren zu treffenden Feststellung abhängen, ob die Klägerin einen Grundpreis auch für den Haushaltsstrom des Beklagten verlangt.

Daher kann auch noch nicht erörtert werden, ob bei der Vertragsanpassung die Anschlußwerte im Haushalt einen Einfluß haben können.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO, der Kostenvorbehalt ergibt sich auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.

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