OGH 10ObS81/88

OGH10ObS81/8826.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Meches (AG) und Dr. Pipin Henzl (AG) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josefine H***, Pensionistin, Nödersdorf 19, 3753 Hötzelsdorf, vertreten durch Dr. Elisabeth Novak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** DER

B***, Ghegastraße 1, 1031 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. September 1987, GZ 34 Rs 117/87-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 11. März 1987, GZ 15 Cgs 97/87-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 20. Jänner 1911 geborene Klägerin und ihr am 29. Mai 1980 verstorbener Ehegatte, nach dem sie seit 1. Juni 1980 eine Witwenpension bezieht, hatten einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einem Einheitswert von S 100.000,--. Am 26. Juli 1976 wurde dieser Betrieb dem Sohn der Klägerin übergeben. Der Übernehmer der Landwirtschaft erlitt 1981 einen Arbeitsunfall und ist seither querschnittgelähmt. Den übernommenen landwirtschaftlichen Betrieb konnte er nicht führen. Die Grundstücke und das Wirtschaftsgebäude mit Ausnahme eines 3 ha großen Waldes und eines Bauplatzes wurden verkauft. Auf dem verbliebenen Bauplatz wurde ein neues, rollstuhlgerechtes Einfamilienhaus erbaut. Aus dem Abverkauf des Anwesens konnte dieses Haus nicht finanziert werden, der Sohn der Kläger mußte hiezu Kredite in der Höhe von S 504.000,-- in Anspruch nehmen. Die Klägerin trug diesen persönlichen Verhältnissen ihres Sohnes Rechnung und änderte den Ausgedingsvertrag dahin ab, daß sie nurmehr das Wohnrecht samt Beheizung und Beleuchtung in Anspruch nimmt. Der Sohn der Klägerin ist unverheiratet und bezieht eine Pension von rund S 3.400,-- und eine Unfallrente inklusive eines Hilflosenzuschusses von rund S 5.000,--.

Mit Bescheid vom 1. Juli 1986 stellte die Beklagte die Höhe der Witwenpension fest und sprach aus, daß gemäß § 140 BSVG kein Anspruch auf Ausgleichszulage bestehe, zumal die Pension und die Pauschalanrechnung aus der Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes mit dem anzurechnenden Einheitswert von S 100.000,-- den Richtsatz übersteige.

Die Klägerin begehrte, die beklagte Partei zur Leistung einer Ausgleichszulage von S 1.944,80 monatlich zu verpflichten. Die Anrechnung des Ausgedingepauschale sei zu Unrecht erfolgt. Die Ausgedingsleistung sei durch den Wegfall des Betriebes unmöglich geworden. Im verbliebenen Betrieb nehme die Klägerin lediglich das Wohnrecht und die Beleuchtung in Anspruch, so daß nur diesbezüglich eine Anrechnung in Frage komme.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Gemäß § 140 Abs 7 BSVG sei die Pauschalanrechnung vorzunehmen, wobei es nicht entscheidend sei, ob ein Ausgedinge vereinbart worden sei, und ob und in welcher Höhe Leistungen tatsächlich anfallen. Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei der Klägerin die Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß ab 1. Jänner 1986 zu gewähren und bestimmte die vorläufige monatliche Leistung mit S 300,--. Der Ausgedingsvertrag habe seiner Natur nach Ähnlichkeit mit der gesetzlichen Unterhaltspflicht. Auch bei Vornahme der Pauschalanrechnung gemäß § 140 Abs 7 BSVG sei zu prüfen, ob der Übergeber überhaupt einen Anspruch habe. Dies sei im Fall der Klägerin zu verneinen. Ihr Anspruch bestehe lediglich als Gegenwert des noch vorhandenen Restes des Betriebes. Die Pauschalanrechnung könne daher nur ausgehend vom Einheitswert des noch vorhandenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes vorgenommen werden. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte dieses Urteil im klageabweisenden Sinn ab. § 140 Abs 7 BSVG sehe eine Pauschalanrechnung von Leistungen vor, wie sie als Ausgedingsleistungen üblich seien. Da sich die Höhe der Ausgedingsleistungen im allgemeinen nach der Ertragsfähigkeit des übergebenen Betriebes richte, erscheine es gerechtfertigt, bei der Bewertung von Ausgedingsleistungen den Einheitswert als Maßstab heranzuziehen, wie dies auch im § 292 Abs 8 ASVG geschehen sei. Es komme nicht darauf an, in welcher Form der Betrieb im Einzelfall tatsächlich verwertet werde, ob eine Übergabe oder Verpachtung erfolge und ob und in welchem Umfang Ausgedingsleistungen im Einzelfall tatsächlich empfangen werden. Zufolge der unmißverständlichen gesetzlichen Bestimmungen über die Pauschalermittlung des Einkommens gemäß § 140 BSVG auf der Grundlage des Einheitswertes der übergebenen land-(forst-)wirtschaftlichen Fläche ohne Rücksicht darauf, ob und in welcher Höhe Ausgedingsleistungen erzielbar wären, komme der Frage, ob und in welchem Ausmaß der Klägerin von ihrem Sohn Ausgedingsleistungen erbracht werden, keine rechtliche Bedeutung zu. Gehe man davon aus daß die Pauschalanrechnung ausgehend vom Einheitswert des seinerzeit übergebenen Betriebes vorzunehmen sei, so bestehe das erhobene Begehren nicht zu Recht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es dahingehend abzuändern, daß die beklagte Partei zur Gewährung einer Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß an die Klägerin verpflichtet werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß § 140 Abs 7 BSVG sind dann, wenn die Bewirtschaftung eines land-(forst-)wirtschaftlichen Betriebes aufgegeben, der Betrieb übergeben, verpachtet oder auf andere Weise jemandem zur Bewirtschaftung überlassen wird, der Ermittlung des Einkommens des bisherigen Eigentümers (des Verpächters) ohne Rücksicht auf Art und Ausmaß der ausbedungenen Leistungen 21,6 vH des durchschnittlichen Einheitswertes der übergebenen, verpachteten oder zur Bewirtschaftung überlassenen land-(forst-)wirtschaftlichen Fläche zugrundezulegen, sofern die Übergabe (Verpachtung, Überlassung) nicht mehr als 10 Jahre, gerechnet vom Stichtag, zurückliegt. Die Gesetzesmaterialien zur entsprechenden Bestimmung des § 292 Abs 8 ASVG führen hiezu aus, in der Land- und Forstwirtschaft sei immer noch die Gepflogenheit weit verbreitet, daß der Übergeber eines Betriebes vom Betriebsnachfolger ein Ausgedinge erhalte, das ihm für seinen Lebensabend Wohnung und Verpflegung sichere. Die üblichen Ausgedingsleistungen sollten ohne Rücksicht darauf, ob und in welchem Umfang solche Leistungen im Einzelfall tatsächlich empfangen werden, bei der Ermittlung des Nettoeinkommens durch Hinzurechnung eines Pauschalbetrages berücksichtigt werden. Da sich die Höhe der Ausgedingsleistungen im allgemeinen nach der Ertragsfähigkeit des übergebenen Betriebes richte, erscheine es gerechtfertigt, bei der Bewertung von Ausgedingsleistungen den Einheitswert als Maßstab heranzuziehen. Wohl sei es im Wesen einer solchen Pauschalanrechnung begründet, daß in Einzelfällen Härten auftreten, die als ungerecht empfunden werden. Diese Härten ließen sich nur vermeiden, wenn es möglich wäre, die tatsächlich empfangenen Ausgedingsleistungen in ihrem tatsächlichem Ausmaß zu erfassen und dem Einkommen des Pensionsberechtigten zugrundezulegen. Eine gesetzliche Regelung, die vorsähe, daß im Bereich der Sozialversicherung nur tatsächlich empfangene Ausgedingsleistungen als Einkommen berücksichtigt würden, hätte aber zweifellos zur Folge, daß die im weiten Umfang auch derzeit noch üblichen Ausgedingsleistungen entfallen oder zumindest nicht mehr vereinbart würden, weil es nunmehr die Übernehmer von Betrieben in der Hand hätten, ihre traditionellen Verpflichtungen gegenüber den Übergebern auf die bäuerliche Riskengemeinschaft und im Weg über den Bundesbeitrag auf die Allgemeinheit zu überwälzen. Davon abgesehen wäre eine genaue zahlmäßige Ermittlung eines in Güterform erzielten Einkommens in jedem Einzelfall mit der im Hinblick auf die große Zahl der Ausgleichszulagenbezieher erforderlichen Verwaltungsökonomie nicht vereinbar (404 BlgNr. 13.GP, 110 ff). Durch § 140 Abs 7 BSVG wurde für den Fall, daß die Bewirtschaftung eines land-(forst-)wirtschaftlichen Betriebes aufgegeben, der Betrieb übergeben, verpachtet, oder auf andere Weise jemand zur Bewirtschaftung überlassen wurde, eine abschließende Regelung über die Pauschalanrechnung geschaffen. Eine Berücksichtigung von anderen als in dieser Gesetzesstelle genannten Gesichtspunkten bei Ermittlung des fiktiven Einkommens ist ausgeschlossen. Die Revisionswerberin führt ins Treffen, daß eine analoge Anwendung des § 142 Abs 3 ASVG geboten sei. Der Ausgedingsleistung komme Unterhaltscharakter zu. Es sei daher die für die Pauschalanrechnung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen getroffene Regelung heranzuziehen. Ausgehend hievon sei das erhobene Begehren berechtigt, weil Ausgedingsleistungen nicht realisierbar seien. Eine ähnliche Argumentation wurde auch von Binder (ZAS 1977, 89 ff, insb. 95) vertreten.

Dieser Ansicht kann jedoch nicht beigetreten werden. In den §§ 140 und 142 BSVG werden detaillierte Fallkataloge behandelt und die Rechtsfolgen im einzelnen festgelegt. § 142 BSVG behandelt ausschließlich Unterhaltsansprüche gegen Ehegatten, geschiedene Ehegatten und Eltern. Der Einleitungssatz des § 142 Abs 3 läßt durch seinen Hinweis auf Abs 1 lit a und b keinen Zweifel daran offen, daß sich der Regelungszweck nur auf die in dieser Bestimmung bezeichneten Unterhaltsansprüche bezieht und auch der zweite Satz des dritten Absatzes, der auch in seinem Sinnzusammenhang unmittelbar an den Einleitungssatz dieses Absatzes anknüpft, nimmt durch die ausdrückliche Benennung von Unterhaltsforderungen auf den Absatz 1 dieser Bestimmung Bezug. Eine unmittelbare Anwendung dieser Norm auf einen Fall des § 140 BSVG ist zufolge der in sich geschlossenen Regelung, die sich ausschließlich auf die Fälle der Pauschalanrechnung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen des § 142 BSVG bezieht, ausgeschlossen; dafür sprechen auch die Gesetzesmaterialien zur entsprechenden Norm des § 294 Abs 3 ASVG, aus deren Inhalt sich ergibt, daß sich der Regelungsinhalt nur auf gesetzliche Unterhaltsansprüche bezieht (774 BlgNr. 16.GP 43 ff). Voraussetzung einer ergänzenden Rechtsfindung ist das Vorliegen einer Gesetzeslücke. Bei der hier in Frage kommenden "teleologischen" ("unechten") Lücke (dazu JBl 1953, 129) fordert die - mit Hilfe der Interpretationsregeln ermittelte - ratio legis (bzw. das höhere Rechtsprinzip) iVm dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgenanordnung (bzw. der Werttendenz) einer gesetzlichen Norm (oder auch mehrerer Vorschriften) auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall. Denn es trifft zwar nicht der Wortlaut des Gesetzes, wohl aber die ihm zugrundeliegende Wertung bzw. Zwecksetzung auf den offenen Fall zu (Bydlinski in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 7). Die analoge Anwendung eines Tatbestandes ist ausgeschlossen, wenn ersichtlich ist, daß der Gesetzgeber die Rechtsfolge nur eintreten lassen will, wenn gerade die Voraussetzungen eines geregelten Tatbestandes erfüllt sind, also die Nichtregelung dem Plan des Gesetzgebers entspricht. Diese Feststellung bezeichnet man als Umkehrschluß. Weil der Gesetzgeber die Rechtsfolge nur an den Tatbestand mit den Merkmalen T1, T2 und T3 geknüpft hat, gilt die Rechtsfolge für einen Tatbestand mit Merkmalen T1, T2 und T4 nicht. Ein solcherart "ausschließender Charakter" eines Rechtssatzes ist allerdings nicht zu vermuten. Wo er aber gegeben ist, hindert das argumentum e contrario den Analogieschluß, weil wegen der vom Gesetz gewollten Beschränkung schon das Vorhandensein einer Lücke zu verneinen ist. Ob ein Analogie- oder Umkehrschluß geboten ist, ist keine Frage der Logik sondern auch eine solche des wertenden Gesetzesverständnisses (Koziol-Welser8 I 26). Die Sozialversicherungsgesetze regeln im Rahmen der Anrechnungsbestimmungen für die Ausgleichszulage die einzelnen Fallgruppen detailliert und streng voneinander getrennt. Werden in einem derart erschöpfenden Katalog Sonderregelungen für einzelne Fälle vorgesehen und bezogen auf diese Sonderfälle abgeschlossen normiert, so ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber Bestimmungen, die ausdrücklich nur für einen bestimmten Fall vorgesehen wurden, nur für diesen einen Fall angewendet wissen wollte. Dies trifft für den Fall des § 140 Abs 7 BSVG einerseits und dem § 142 Abs 3 BSVG andererseits zu. Zwar soll auch durch Ausgedingsleistungen der Unterhalt des Übergebers eines bäuerlichen Gutes gesichert werden, doch werden Unterhaltsleistungen und Ausgedingsleistungen im Ausgleichszulagenrecht voneinander getrennt, in verschiedenen Bestimmungen behandelt und die Anrechnungsvorschriften werden für jeden dieser Fälle gesondert angeordnet. Allein der einer Unterhaltsleistung vergleichbare Zweck der Ausgedingsleistung rechtfertigt nicht die analoge Anwendung von Bestimmungen, deren Anwendung ausdrücklich auf Unterhaltsleistungen beschränkt wurde auf Ausgedingsleistungen. Die an anderer Stelle für Unterhaltsansprüche getroffene Sonderbestimmung ist auf Ausgedingsansprüche nicht übertragbar. Diese unterschiedliche Regelung ist auch begründet. Zugunsten von Ausgedingsleistungen erfolgt regelmäßig eine grundbücherliche Sicherstellung auf der übergebenen Liegenschaft. Anders als bei Unterhaltsansprüchen, wo der Unterhaltsberechtigte zur Realisierung regelmäßig nur auf die laufenden Einkünfte des Unterhaltsverpflichteten verwiesen ist, und die Vereitelung der Durchsetzung durch den Unterhaltspflichtigen in Betracht gezogen werden muß, ist bei Ausgedingsrechten durch die bücherliche Sicherstellung in einem entsprechenden Rang Gewähr für die Einbringlichkeit geboten.

Eine analoge Anwendung der für Unterhaltsleistungen in § 142 Abs 3 zweiter Satz BSVG getroffenen Regelung auf die in § 140 Abs 7 normierte Pauschalanrechnung für Ausgedingsleistungen ist daher nicht möglich. Wenn auch die Klägerin im vorliegenden Fall aus achtenswerten Motiven von der Durchsetzung von Ausgedingsleistungen Abstand genommen hat, ist dies doch nicht von Einfluß auf den Umfang der gemäß § 140 Abs 7 BSVG pauschal anzurechnenden Beträge. Daß, ausgehend von der Anwendung dieser Bestimmung, der geltend gemachte Anspruch nicht zu Recht besteht, wird von der Klägerin nicht bekämpft.

Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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