OGH 11Os43/88

OGH11Os43/8826.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.April 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Takacs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Michael G*** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach den §§ 15, 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 25.Jänner 1988, GZ 20 d Vr 2.244/87-78, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser und des Verteidigers Dr. Doczekal, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 30.Jänner 1925 geborene Michael G*** des Verbrechens des versuchten Mordes nach den §§ 15, 75 StGB und des Vergehens nach dem § 36 Abs 1 Z 1 WaffenG schuldig erkannt, weil er am 27.Feber 1987 in Wien seine Ehefrau Irene G*** durch vier Revolverschüsse zu töten versuchte

(1.) und unbefugt den Revolver, Marke Smith & Wesson, Modell 49, Kal. 38 spezial, führte (2.).

Der Angeklagte bekämpft der Sache nach nur den Schuldspruch wegen versuchten Mordes mit einer auf die Z 8 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Zum Nichtigkeitsgrund nach dem § 345 Abs 1 Z 8 StPO:

Entgegen der Beschwerdeauffassung war in der schriftlichen Rechtsbelehrung nicht schon bei Behandlung der Hauptfrage (1) nach dem Verbrechen des versuchten Mordes (§§ 15, 75 StGB) auf die Voraussetzungen einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung im Sinn des Verbrechens des Totschlages nach dem § 76 StGB und der bewußten Fahrlässigkeit (§ 6 Abs 2 StGB) einzugehen:

Gemäß dem § 321 Abs 2 StPO muß die Rechtsbelehrung für jede Frage gesondert eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf welche die Haupt- oder Eventualfrage gerichtet ist, sowie eine Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes enthalten und das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander sowie die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage klarlegen. Dieser Trennung nach gestellten Fragen entspricht die vorliegende Rechtsbelehrung, die von den Geschwornen als Ganzes zur Kenntnis zu nehmen ist (Mayerhofer-Rieder2, ENr. 50 zu § 345 Z 8 StPO ua). Die Beschwerde übersieht im übrigen, daß die Rechtsbelehrung zur Abgrenzung des Tatbildes des Mordes nach dem § 75 StGB von jenem des Totschlages nach dem § 76 StGB bei Hauptfrage 1 ausdrücklich auf die Belehrung zur entsprechenden Eventualfrage (7) verweist (S 4 bzw. 9 ff). Zum Begriff der bewußten (wie unbewußten) Fahrlässigkeit und ihrer Abgrenzung zum Vorsatz enthält die Rechtsbelehrung bei allen jenen Fragen, in denen diese Abgrenzung von Bedeutung ist, die notwendigen Darlegungen.

Es geht daher auch der Beschwerdeeinwand fehl, wonach in der Belehrung zur Hauptfrage 1 die Abgrenzung des sogenannten bedingten Vorsatzes (§ 5 Abs 1 zweiter Satzteil StGB) von der bewußten Fahrlässigkeit (§ 6 Abs 2 StGB) nicht ausreichend verdeutlicht worden sei. Die Belehrung über den Vorsatz (S 2) war von den Geschwornen (insbesondere) im Zusammenhang mit der Erörterung der (unbewußten und bewußten) Fahrlässigkeit (§ 6 Abs 1 und Abs 2 StGB) aus Anlaß der Eventualfrage (16) nach fahrlässiger Körperverletzung im Sinn des § 88 Abs 1 und Abs 4 (§ 81 Z 1) StGB (S 17 f; siehe dort auch die Rückverweisung auf die Frage 1) zu verstehen. Darnach ist aber in allgemein verständlicher Weise klargestellt, daß der Täter die Tatbildverwirklichung ernstlich für möglich halten muß und für die Willenskomponente des bedingten Vorsatzes bloße (unbewußte) Gleichgültigkeit nach Art einer inneren Teilnahmslosigkeit nicht genügt, vielmehr ein bewußtes Ergebnis einer (bejahenden) Stellungnahme des Täters (Nowakowski im WK, Rz. 16 zu § 5 StGB mwN) vorausgesetzt wird.

Der Beschwerde zuwider genügt schließlich auch die Belehrung zur Eventualfrage (7) nach dem Verbrechen des versuchten Totschlages (§§ 15, 76 StGB) über die allgemeine Begreiflichkeit der heftigen Gemütsbewegung den gesetzlichen Kriterien (S 10). Die Beschwerde gibt in ihrer Argumentation, wonach die für die allgemeine Begreiflichkeit entscheidende fiktive Maßfigur eines Durchschnittsmenschen hätte näher erklärt werden müssen, die Belehrung unvollständig wieder und übergeht jene Passage, in der mit dem Hinweis auf die Erforderlichkeit einer Berücksichtigung aller konkreten Tatumstände und der psychologischen Zusammenhänge (so auch Leukauf-Steininger2, RN 5 zu § 76 StGB) in der Frage der sogenannten Maßfigur die Anlegung eines individualisierten objektiven Maßstabes (JBl 1986, 261 ua) verlangt wird.

Auf die besondere psychische Beschaffenheit des Angeklagten war in der schriftlichen Rechtsbelehrung nicht einzugehen. Dazu diente, wie für alle übrigen Fall-Concreta, die vom Vorsitzenden gemäß dem § 323 Abs 2 StPO im Anschluß an die Rechtsbelehrung durchzuführende Besprechung der einzelnen Fragen mit den Geschwornen. Die in der Beschwerde behauptete, einer inhaltlichen Unrichtigkeit gleichkommende Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung liegt sohin nicht vor.

Zum Nichtigkeitsgrund nach dem § 345 Abs 1 Z 10 a StPO:

Nach Meinung des Beschwerdeführers ergäben sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Annahme des Tötungsvorsatzes. Die in der (am 3.März 1988 bei Gericht eingelangten) Beschwerde gegen ein (zumindest) bewußtes Sich-Abfinden des Täters mit der Tatbildverwirklichung eingewendeten Verfahrensergebnisse berühren aber nicht die Frage des Tötungsvorsatzes. Das Beschwerdevorbringen läuft vielmehr auf den Einwand einer die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit ausschließenden tiefgreifenden Bewußtseinsstörung, mithin der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB), hinaus. Doch auch insoweit bestehen nach Prüfung der Aktenlage gegen die Lösung der Tatfrage durch die Geschwornen, denen hiebei nicht nur die Aussagen der Tatzeugen, sondern auch zwei psychiatrische und ein psychologisches Gutachten zur Verfügung standen, keine Bedenken. Der Nichtigkeitsgrund der Z 10 a des § 345 Abs 1 StPO ist darum gleichfalls nicht gegeben.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zur Gänze zu verwerfen. Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 75 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber den bisherigen ordentlichen Wandel, die Enthemmung des Angeklagten durch Alkohol, seinen Intelligenzabbau, "seine Neigung zur Eifersucht bei Affektlabilität" sowie den Umstand als mildernd, daß es beim Versuch geblieben ist.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Anwendung des

außerordentlichen Milderungsrechtes an.

Die Berufung ist nicht begründet.

Die Art und Schwere der vom Angeklagten zu verantwortenden Rechtsgutbeeinträchtigungen, insbesondere des Mordversuches, lassen bei dem konkreten Tatablauf samt Vorgeschichte die Annahme eines atypischen, besonders günstig gelagerten Falles, bei welchem die Unterschreitung der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens im Wege der Anwendung des § 41 StGB gerechtfertigt erschiene, nicht zu. Den zahlreichen für den - in seinem Gesundheitszustand beeinträchtigten - Angeklagten sprechenden mildernden Umständen wurde vom Erstgericht durch die Verhängung der gesetzlichen Mindeststrafe bereits ausreichend Rechnung getragen. Auch der Berufung konnte daher kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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