OGH 8Ob547/88

OGH8Ob547/8821.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Huber, Dr.Schwarz und Dr.Graf als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 3.Februar 1987 verstorbenen Wilhelm H***, zuletzt wohnhaft in 2372 Gießhübl, Hauptstraße 119, infolge Revisionsrekurses der C***, 1010 Wien,

Schottengasse 6, vertreten durch Dr.Ferdinand R. Graf, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 7.Jänner 1988, GZ 47 R 890/87-34, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 15.September 1987, GZ 2 A 103/87-20, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

In Abänderung der angefochtenen Entscheidung wird der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt.

Text

Begründung

Die nunmehrige Rekurswerberin beantragte in der vorliegenden Verlassenschaftssache die Absonderung des Nachlasses vom Vermögen der Witwe und des Sohnes des Verstorbenen als gesetzlichen Erben mit der Begründung, der Erblasser habe der antragstellenden Bank gegenüber eine Haftungserklärung über einen Betrag von S 400.000,-- zu Gunsten eines von ihr dem erbl. Sohne gewährten Kredites übernommen und auch die Witwe habe für diesen Kredit eine Garantieerklärung zu Gunsten des Sohnes abgegeben. Auf Grund der vorgenannten Haftungserklärung des Erblassers sei gegen den Nachlaß bereits eine Klage anhängig gemacht worden. Der Sohn habe auf seine offenen Gesamtverbindlichkeiten gegenüber der Rekurswerberin in Höhe von S 2,482.217,-- und S 1,108.521,-- trotz Mahnung keine Zahlung geleistet; auch die Witwe habe nicht gezahlt. Wegen dieser Schulden des Sohnes sei zu befürchten, daß er die im Eigentum des Erblassers gestandenen Liegenschaftsanteile veräußern oder belasten werde. Die beiden Erben beantragten die Antragsabweisung, weil die Witwe Eigentümerin unbelasteter Liegenschaftsanteile sei und somit offenbar nicht beabsichtige, Vermögensteile dem Zugriff der antragstellenden Gläubigerin und nunmehrigen Rekurswerberin zu entziehen. Der Sohn sei Eigentümer von Liegenschaftsanteilen, auf welchen zu Gunsten der Forderungen der Rekurswerberin ohnehin Pfandrechte begründet seien.

Das Erstgericht stellte fest, daß die Witwe und der Sohn Erbserklärungen hinsichtlich 1/3 bzw. 2/3 des Nachlasses abgegeben haben, daß in den Nachlaß Hälfte- bzw. Drittelanteile an drei Liegenschaften sowie Wertpapierdepots und Guthaben bei Banken sowie eine Kaufpreisforderung fallen, weiters, daß der Erblasser eine Haftungserklärung über S 400.000,-- für einen von der Rekurswerberin dem Sohn gewährten Kredit und für alle Schulden aus sonstigen Geschäftsverbindungen zwischen diesen beiden ohne bücherliche Sicherstellung abgegeben habe und daß die Gesamtverbindlichkeiten des erbl. Sohnes gegenüber der Rekurswerberin S 2,198.757,-- und S 1,457.257,-- betragen. In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, die Antragstellerin habe durch Darlegung des Schuldenstandes des erbl. Sohnes hinreichend dargetan, daß eine Gefährdung ihrer Gläubigerrechte nicht ausgeschlossen werden könne, so daß eine nach der Judikatur für die Bewilligung der Nachlaßseparation hinreichende subjektive Besorgnis gerechtfertigt erscheine.

Auf Grund des Rekurses des Erben änderte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß teilweise derart ab, daß es den Antrag auf Bewilligung der Absonderung des Nachlasses auch vom Vermögen der Witwe abwies. Betreffend diese sei kein Anhaltspunkt für eine Gefährdung der Antragstellerin gegeben. Allein daraus, daß sie für ihren Sohn ebenfalls eine Haftungserklärung übernommen habe, ergebe sich noch keine Überschuldung ihrerseits. Hinsichtlich ihrer Person mangle es an der Glaubhaftmachung einer begründeten Besorgnis im Sinne des § 812 ABGB, so daß insoweit die Voraussetzungen für die begehrte Nachlaßabsonderung fehlten.

In dem gegen die rekursgerichtliche Entscheidung gerichteten Rekurs der Antragstellerin wird vorgebracht, im Sinne des § 812 ABGB genüge für die Bewilligung der Nachlaßabsonderung, daß der Gläubiger subjektiv der Annahme sei, es bestehe für seine Forderung Gefahr. Dieser Annahme sei hier aber die Antragstellerin auch hinsichtlich der Vermengung des Nachlasses mit dem Vermögen der Witwe des Erblassers, zumal diese der Antragstellerin gegenüber ebenfalls eine Haftung für die Verbindlichkeiten des erbl. Sohnes übernommen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Ergebnis gerechtfertigt.

Gemäß § 812 ABGB kann ein Erbschaftsgläubiger, der besorgt, daß durch die Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben für seine Forderung Gefahr besteht, vor der Einantwortung die Absonderung der Erbschaft vom Vermögen des Erben verlangen. Diese Bestimmung soll verhindern, daß die Gläubiger des Erblassers, welchen bisher dessen Vermögen zur Deckung ihrer Forderungen zur Verfügung stand, durch eine Vermengung dieses Vermögens mit jenem eines überschuldeten Erben dadurch benachteiligt werden, daß auf dieses nunmehr auch die Gläubiger der Erben greifen (Weiß in Klang2 III 1018; SZ 56/28 ua). Darüberhinaus bezweckt dieses Recht auf Absonderung des Nachlasses überhaupt, das Verlassenschaftsvermögen gegen alle konkreten Gefahren zu sichern, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt der Erben ergeben (EvBl 1976/137; SZ 56/28; NZ 1986, 263).

Nach Lehre und Rechtsprechung (Weiß a.a.O. 1022; Welser in Rummel ABGB Rz 3 zu § 812; SZ 51/138; JBl 1957, 644, 1 Ob 684/78, 6 Ob 627/79, 7 Ob 675/86 ua) darf die "Absonderung der Erbschaft" im Sinne dieser Gesetzesworte des § 812 ABGB immer nur hinsichtlich des gesamten Nachlasses bewilligt werden. Demgemäß kann sich diese Absonderung aber bei einer Erbenmehrheit grundsätzlich auch nicht etwa bloß auf den Nachlaßteil beschränken, welcher der Erbquote jenes Miterben entspricht, hinsichtlich dessen der Erbschaftsgläubiger Gefahr für seine Erbschaftsforderung besorgt. Jedenfalls dann, wenn zum Nachlaß nicht nur Liegenschaften sondern auch Fahrnisse gehören, wäre, worauf der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 6 Ob 627/79 hingewiesen hat, eine Absonderung des Nachlasses oder eines erbquotenmäßigen Nachlaßteiles bloß vom Vermögen des "gefährdenden" Miterben auch faktisch gar nicht möglich. Bei einer Erbenmehrheit richtet sich daher die Nachlaßabsonderung grundsätzlich gegen alle Miterben. Wie in der Entscheidung 7 Ob 675/86 ausgesprochen wurde, unterliegt in ähnlicher Weise selbst ein einem Legatar vermachter Liegenschaftsanteil so wie die übrigen Nachlaßteile grundsätzlich der Absonderung. Wohl kann die Nachlaßabsonderung vom Erben durch Sicherungsmittel abgewendet werden (Weiß a.a.O. 1024; Welser a.a.O. Rz 18; EvBl 1958/380 ua), was auch für Miterben gilt. Bezieht sich die Nachlaßseparation somit grundsätzlich stets auf den ganzen Nachlaß und auf sämtliche Miterben, dann ist der vorliegende rekursgerichtliche Ausspruch, der Antrag auf Bewilligung der Absonderung des Nachlasses - zu welchem hier auch bewegliche Sachen gehören - vom Vermögen der erbl. Witwe werde abgewiesen, verfehlt. Schon aus diesem Grunde war ohne weiteres Eingehen auf die von der Rechtsmittelwerberin geltend gemachten Rekursgründe dem Rekurs daher stattzugeben.

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