OGH 5Ob585/87

OGH5Ob585/8719.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erich W***, Büromaschinenhändler, 8600 Bruck a.d.Mur, Bergbaustraße 27, vertreten durch Dr. Robert Obermann, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wider die beklagte Partei R*** W***, reg.

Genossenschaft mbH, 9241 Wernberg Nr. 87, vertreten durch Dr. Johann Quendler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Herausgabe (Streitwert S 47.821,20) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 24. Juni 1987, GZ 2 R 131/87-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 1. April 1987, GZ 24 Cg 424/86-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil wieder hergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.501,65 (darin S 500,15 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 5.329,75 (darin S 257,25 Umsatzsteuer und S 2.500,-- sonstige Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Herausgabe des Kopiergerätes CP Canon NP 155, Nr. KH 016307, von welcher Verpflichtung sich diese durch Zahlung eines Betrages von S 47.821,20 befreien könne, mit der Begründung, sie habe dieses Gerät am 17.1.1985 unter Eigentumsvorbehalt an den inzwischen verstorbenen Heimo B***, einen Handelsvertreter für Datenverarbeitungssysteme, verkauft, wobei über das Vermögen der Verlassenschaft desselben inzwischen der Konkurs eröffnet worden sei. Heimo B*** habe den Rechnungsbetrag von S 47.821,20 nicht bezahlt, wohl aber das Gerät unter Mißachtung des Eigentumsvorbehaltes bereits am 25.1.1985 um S 48.000,-- an die beklagte Partei weiterveräußert. Die beklagte Partei hätte zumindest wissen müssen, daß Heimo B*** das Kopiergerät nicht bezahlt hatte und wegen des bestehenden Eigentumsvorbehaltes nicht Eigentümer war.

Die beklagte Partei bestreitet das Klagebegehren und beantragt dessen kostenpflichtige Abweisung mit der Begründung, ein Eigentumsvorbehalt zwischen dem Kläger und Heimo B*** sei nicht wirksam zustandegekommen; überdies habe sie gutgläubig nach den §§ 366 HGB und 367 ABGB Eigentum erworben. Sie habe gutgläubig der Meinung sein können, Heimo B*** sei zum Verkauf dieses Gerätes ermächtigt gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren kostenpflichtig statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Heimo B***, der Inhaber einer Gewerbeberechtigung für "Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik gemäß § 103 Abs 1 lit a Z 2 der Gewerbeordnung 1973" war, kaufte vom Kläger das oben beschriebene Kopiergerät mit dem Bemerken, es für den Eigengebrauch zu benötigen. Über einen Eigentumsvorbehalt zugunsten des Klägers wurde zwar nicht gesprochen, doch enthielt der vor Übergabe des Gerätes von Heimo B*** unterfertigte Lieferschein den Vermerk, daß das Gerät bis zur vollständigen Bezahlung im Eigentum des Klägers bleibt. Derartige Geräte werden immer unter Eigentumsvorbehalt geliefert. Heimo B*** hatte im Haus der beklagten Partei im ersten Stock ein Verkaufslokal gemietet und war als Jungunternehmer Kreditkunde derselben. Die beklagte Partei hatte von der Firma A*** ein Angebot für ein Kopiergerät um S 58.000,--. Sie nahm daher den Vorschlag des Heimo B*** an, sein Gerät um S 48.000,-- zu erwerben, allerdings unter der Bedingung, daß er das Gerät - unter Beistellung eigenen Papiers und eigener Arbeitsleistung - mitbenützen könne. Die beklagte Partei erkundigte sich nicht, ob das Kopiergerät von Heimo B*** unter Eigentumsvorbehalt erworben wurde oder ob es bezahlt sei. Sie verlangte auch keine Einsicht in irgendwelche Rechnungen oder Lieferscheine.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der Eigentumsvorbehalt zugunsten des Klägers wirksam zustandegekommen sei. Die beklagte Partei habe grob fahrlässig (§ 366 HGB) diesen Eigentumsvorbehalt infolge Nichterfüllung der sie treffenden Nachforschungspflicht nicht gekannt.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte durch Einsichtnahme in den Akt 5 S 110/85 des Landesgerichtes Klagenfurt betreffend den Konkurs über das Vermögen der Verlassenschaft nach Heimo B*** zusätzlich zu den von ihm übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen fest, der im Konkursverfahren anwaltlich vertretene Kläger habe in dem Aussonderungsantrag verbunden mit Forderungsanmeldung am 27.8.1985 wörtlich ausgeführt, die Lieferungen an den Schuldner seien unter einfachem Eigentumsvorbehalt durchgeführt worden, wobei die aus der Weiterveräußerung der Eigentumsvorbehaltsware entstehenden Kaufpreisforderungen gegenüber Kunden des Schuldners an den Konkursgläubiger im voraus abgetreten worden seien. Nach Auffassung der zweiten Instanz sei daraus zu schließen, daß der Kläger dem Heimo B*** die Weiterveräußerung des Kopiergerätes vor vollständiger Bezahlung des Kaufpreises nicht verboten, sondern damit gerechnet habe. Infolge der Zustimmung des Vorbehaltsverkäufers zur Weiterveräußerung sei daher der Eigentumsvorbehalt erloschen.

Das Berufungsgericht sprach die Zulässigkeit der Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO mit der Begründung aus, zur Frage der Weiterveräußerung mit stillschweigender Zustimmung des Vorbehaltskäufers habe sich bisher noch keine einheitliche Rechtsprechung herausgebildet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; in eventu möge das Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben und die Rechtssache an eine der Unterinstanzen zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.

Die beklagte Partei begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die ergänzende Feststellung des Berufungsgerichtes unmittelbar nichts darüber aussagt, ob der Kläger dem Heimo B*** die Weiterveräußerung des unter Eigentumsvorbehalt zum Eigenbedarf gekauften Kopiergerätes gestattete. Die ergänzende Feststellung des Berufungsgerichtes gibt nämlich nur darüber Aufschluß, welche Erklärungen der Kläger im Konkursverfahren abgab. Über die Richtigkeit dieser Erklärung ist dadurch aber nichts ausgesagt. Sollten aus einer solchen in einem anderen Verfahren abgegebenen Erklärung Schlußfolgerungen für diesen Prozeß getroffen werden, so dürfte dies nicht geschehen, ohne diesen Sachverhalt mit den Parteien zu erörtern. Dies schon deswegen, damit der Kläger Gelegenheit hätte, hiezu Stellung zu nehmen, bevor eine solche Erklärung einer bestimmten Auslegung unterzogen wird. Die diesbezüglich vom Kläger erst in der Revision aufgestellten Tatsachenbehauptungen stellten nämlich unzulässige Neuerungen dar. Einer solchen Ergänzung des Verfahrens bedarf es aber nicht, weil die beklagte Partei im Verfahren erster Instanz eine Tatsachenbehauptung des Inhaltes, der Kläger habe der Veräußerung des Kopiergerätes durch Heimo B*** zugestimmt bzw. zumindest damit rechnen müssen, gar nicht aufgestellt hat. Die beklagte Partei behauptete nämlich nicht ein derartiges Verhalten des Klägers, sondern lediglich, sie hätte der Meinung sein können, Heimo B*** sei zum Verkauf ermächtigt (siehe Seite 3 der Klagebeantwortung ON 2).

Die rechtswirksame Begründung eines Eigentumsvorbehaltes zugunsten des Klägers anläßlich der Übergabe des Gerätes ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Für eine - zumindest konkludente - Zustimmung des Klägers zur Weiterveräußerung des Kopiergerätes bieten die nach dem Obgesagten allein maßgebenden erstgerichtlichen Feststellungen keinen Anlaß. Da Heimo B*** keine Gewerbeberechtigung zum Handel von Kopiergeräten hatte, scheidet gutgläubiger Eigentumserwerb durch die beklagte Partei vom befugten Gewerbsmann gemäß § 367 ABGB aus. Es ist also zu prüfen, ob der beklagten Partei grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 366 HGB zur Last fällt. Dies ist aus folgenden Gründen zu bejahen:

Wegen der Häufigkeit des Eigentumsvorbehaltes - der festgestelltermaßen beim Verkauf von Kopiergeräten üblicherweise immer erfolgt - sind an die Gutgläubigkeit des Erwerbers strenge Maßstäbe anzulegen (6 Ob 517/81). Die Pflicht zur besonders sorgfältigen Nachforschung beim Erwerb solcher Gegenstände ist nur dann erfüllt, wenn sich der Käufer über die Behauptung des Verkäufers, Eigentümer der Ware zu sein, durch Einsicht in die entsprechenden Urkunden überzeugt (HS 9.349). Die Unterlassung einer solchen Prüfung stellt eine grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 366 Abs 1 HGB dar (JBl 1986, 235). Der Umstand, daß Heimo B*** das Kopiergerät nicht zur Weiterveräußerung erworben hatte, mußte der beklagten Partei sowohl aus der Höhe des Kaufpreises als auch deswegen auffallen, weil er sich selbst die Weiterbenützung vorbehielt. Auch dies ist ein Indiz dafür, daß es sich nicht um die Weiterveräußerung von Waren im ordnungsgemäßen Betrieb eines Kaufmannes an den Letztabnehmer handelte.

Der Revision war daher Folge zu geben und das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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