OGH 7Ob557/88

OGH7Ob557/8814.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marcella V***, Hausfrau, Hochstrass 169, vertreten Dr.Ingo Gutjahr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Günther W***, Rechtsanwalt, Wien 9.,Porzellangasse 50, vertreten durch Dr.Helmut Mühlgassner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 372.798,41 s.A. und Feststellung (Streitwert S 30.000) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2. Dezember 1987, GZ 17 R 267/87-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen vom 11.Juni 1987, GZ 52 Cg 92/87-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.604,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.236,75 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt die Zahlung von S 372.798,41 s.A. und die Feststellung, der Beklagte hafte für alle Schäden, die ihr aus seinem Kunstfehler anläßlich ihrer Vertretung im Verfahren 1 Cg 1111/78 des Kreisgerichtes Wr.Neustadt samt den damit verbundenen vermögensrechtlichen Regelungen in Hinkunft entstehen. Der Beklagte habe die Klägerin in dem genannten Ehescheidungsverfahren vertreten und dabei über Auftrag der Klägerin auch dafür zu sorgen gehabt, daß der Klägerin Krankenversicherung und Altersversorgung erhalten bleiben. Im Scheidungsvergleich vom 27.6.1978 habe sich der Ehegatte der Klägerin zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 33 % seines Nettoeinkommens und zur Ausfolgung des gesamten Realisates aus dem Verkauf einer im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten stehenden Liegenschaft verpflichtet. Intern sei allerdings zwischen den Ehegatten - mit Wissen des Beklagten - vereinbart worden, daß die Klägerin von dem Unterhaltsvergleich keinen Gebrauch mache. Der Unterhaltsvergleich sei nur geschlossen worden, um der Klägerin den Anspruch auf die Witwenpension zu sichern. Nach Fertigung des Scheidungsvergleiches habe der Beklagte die Klägerin ersucht, auch die Erklärung Beilage I zu unterschreiben. Es handle sich nur um eine Formsache; der Anspruch der Klägerin auf Krankenversicherung und Witwenpension werde hiedurch nicht gefährdet. Der geschiedene Ehegatte der Klägerin sei am 9.12.1981 gestorben. Der Antrag der Klägerin auf Witwenpension sei im Hinblick auf die Erklärung Beilage I, die einen Unterhaltsverzicht beinhaltet habe, abgewiesen worden. Das Zustandekommen der Erklärung Beilage I, die der Pensionsversicherungsanstalt auf unerklärliche Weise bekannt geworden sei, müsse, dem Beklagten als Kunstfehler angelastet werden, da er die Klägerin nicht hätte eine derartige Urkunde unterfertigen lassen dürfen. Der Klägerin entgehe hiedurch die Witwenpension. Bei einer Besprechung am 12.4.1984 habe der Beklagte gegenüber der Klägerin zugegeben, Fehler bei der Abwicklung der Scheidungsangelegenheit gemacht zu haben. Er werde versuchen, für die Klägerin eine Anstellung zu finden.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Hauptanliegen der Klägerin sei es gewesen, ihre Ansprüche als Hälfteeigentümerin der Liegenschaft zu sichern. Dazu sei im Scheidungsverfahren ein Vergleich über den Unterhaltsanspruch, die Kaufpreisherausgabe und die Weiterversicherung der Klägerin geschlossen worden. Die Unterfertigung der Erklärung Beilage I habe die Klägerin gewünscht, da sie einer internen Vereinbarung der Ehegatten entsprochen habe. Dem Beklagten sei nicht bekannt, wem die Klägerin die Urkunde ausgefolgt habe. Der Beklagte habe die Klägerin entsprechend belehrt, um ihr die Möglichkeit eines Pensionsanspruches zu wahren. Er habe in den Ehescheidungsverlgeich die Verpflichtung des Ehegatten der Klägerin zu einer monatlichen Unterhaltsleistung aufnehmen lassen und die Klägerin dahin aufgeklärt, daß interne Vereinbarungen geheim bleiben müßten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende Feststellungen:

Am 21.6.1978 brachte Gustav V*** gegen die Klägerin eine Klage auf Scheidung der Ehe ein. Schon zuvor war die Klägerin mehrmals in der Kanzlei des Vertreters des Gustav V***, Dr.Andreas Puletz, gewesen, so auch am 13.2.1978. Anläßlich einer Besprechung an diesem Tag wurde vereinbart, daß die Klägerin auf laufenden Unterhalt verzichtet, dafür aber den Erlös einer den Ehegatten je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft zur Gänze erhalten soll.

Nach Zustellung der Scheidungsklage suchte die Klägerin den Beklagten auf und erklärte ihm, daß sie die Scheidung ebenfalls wünsche, daß aber ihre Krankenversicherung und ihre Altersversorgung gesichert sein sollten. Die Klägerin gab dem Beklagten auch bekannt, daß sie mit ihrem Gatten vereinbart habe, auf Unterhaltszahlungen zu verzichten, daß sie dafür aber den gesamten Erlös aus dem Liegenschaftsverkauf erhalte. Der Unterhaltsverzicht der Klägerin war eine Bedingung für eine einverständliche Scheidung. Der Beklagte, der Bedenken hatte, daß durch die getroffenen Vereinbarungen die Altersversorgung der Klägerin gesichert sei, erklärte der Klägerin, daß sie zum Zeitpunkt des Todes ihres Gatten gegen diesen einen aufrechten Unterhaltsanspruch haben müsse, weil sie sonst keine Pension erhalte. Er bereitete einen Vergleichsentwurf für den Fall der Scheidung der Ehe vor, gleichzeitig auch die Unterhaltsverzichtserklärung Beilage I, und brachte eine Widerklage ein. Mit der Klägerin erörterte der Beklagte, daß die Aufnahme einer Unterhaltsverpflichtung des Gustav V*** in den Scheidungsvergleich für ihre Altersversorgung notwendig sei und daß die - der Vereinbarung der Klägerin mit Gustav V*** entsprechende - Unterhaltsverzichtserklärung Beilage I keinesfalls in falsche Hände, insbesondere nicht zur Pensionsversicherungsanstalt, gelangen dürfe, da sie sonst ihre Pensionsansprüche verliere. Der Beklagte erörterte mit der Klägerin auch die Möglichkeit, das Scheidungsverfahren (streitig) durchzuführen. Doch wünschte die Klägerin die (einverständliche) Scheidung.

In der Tagsatzung vom 27.6.1978 schlossen die Klägerin und ihr Ehegatte für den Fall der Ehescheidung folgenden Vergleich:

"1. .... Gustav V*** verpflichtet sich .... an die Klägerin

beginnend ab dem 1.7.1978 eine monatliche Unterhaltsleistung in der

Höhe von 33 % seines jeweiligen monatlichen Nettoeinkommens zu

bezahlen ....

2. (Gustav V***) .... willigt ein, daß das gesamte Realisat

aus dem Verkauf dieser Liegenschaft an die Klägerin ausgefolgt wird

....

3. (Gustav V***) verpflichtet sich weiters gegenüber der Klägerin, dieser jeweils jenen Betrag zu ersetzen, welchen die Klägerin monatlich für ihre freiwillige Weiterversicherung nach § 16 ASVG aufzuwenden hat ...."

Nach Schluß der Verhandlung und Verkündung des Urteils, daß die Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Gustav V*** geschieden wird, unterfertigte die Klägerin, ihrer Vereinbarung mit Gustav V*** entsprechend, die Verzichtserklärung Beilage I:

"(Die Klägerin) .... erklärt infolge Anzahlung auf den von ihr

geltend gemachten Unterhalt auf jeden Alimentationsanspruch

gegenüber ihrem Mann ... zu dessen Lebzeiten zu verzichten ... sie

wird daher zu (dessen) Lebzeiten .... von dem Exekutionstitel

entsprechend des Vergleiches ... hinsichtlich des

Unterhaltsanspruches keinen Gebrauch machen."

Bei der Unterfertigung der Urkunde Beilage I, die Gustav V*** übergeben wurde, war der Beklagte nicht anwesend. Nach dem Tod des Gustav V*** gelangte die Erklärung durch Christine V***, seine zweite Ehegattin, zur Pensionsversicherungsanstalt. Der Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Witwenpension wurde daraufhin abgiewesen. Ein Schiedsgerichtsverfahren blieb erfolglos. Nach Abschluß des schiedsgerichtlichen Verfahrens, am 12.4.1984, war die Klägerin in der Kanzlei des Beklagten, um sich zu erkundigen, ob man noch etwas machen könne und was sie nun tun solle. Der Beklagte erklärte, er werde sich bemühen, vielleicht könne er ihr einen Posten verschaffen.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, den Beklagten treffe kein Verschulden am Verlust der Klägerin auf den Anspruch einer Witwenpension, da er sie ordnungsgemäß auf die Folgen eines Unterhaltsverzichts - den sie mit Gustav V*** bereits vereinbart habe, noch ehe sie in die Kanzlei des Beklagten gekommen sei - hingewiesen habe, sollte dieser bekannt werden. Die vom Beklagten veranlaßte gerichtliche Unterhaltsregelung sei als Scheingeschäft anzusehen. In der Äußerung des Beklagten vom 12.4.1984 könne ein konstitutives Anerkennntis nicht erblickt werden; sie stelle nur ein unverbindliches Anbot zu einer Hilfeleistung dar.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte dessen Rechtsansicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, er habe ihr nur erklärt, es sei zu besorgen, daß die von ihr geforderte Unterhaltsverzichtserklärung nicht in falsche Hände gerate, habe ihr aber weitere Ratschläge nicht gegeben. Darin aber liege ein Kunstfehler des Beklagten. Der gegenständliche Sachverhalt hätte Lösungsmöglichkeiten zugelassen, die mit keinerlei Risken verbunden gewesen wären.

Damit übersieht die Klägerin, daß jede Form, in der in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr.Andreas Puletz zwischen ihr und Gustav V*** vereinbarte Unterhaltsverzicht verdeckt worden wäre oder doch verdeckt hätte werden sollen, ein von beiden Teilen nicht gewolltes und daher nichtiges Scheingeschäft gewesen wäre (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 1 bis 3 zu § 916). Von der Klägerin und ihrem damaligen Ehegatten gewollt war allein ein Unterhaltsverzicht der Klägerin. Sollte im Fall des Ablebens des Gustav V*** gleichwohl ein Anspruch der Klägerin auf Witwenpension gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt bestehen bleiben, stellte der vom Beklagten vorgeschlagene und in der Folge auch eingehaltene Weg, - nach außen hin, zum Schein - einen gerichtlichen Vergleich über eine Unterhaltsleistung des Ehegatten der Klägerin an diese zu schließen und damit den Unterhaltsverzicht der Klägerin zu verdecken, der Klägerin jedoch klar zu machen, daß die den Verzicht beinhaltende Urkunde keinesfalls in "falsche Hände, insbesondere nicht zur Pensionsversicherungsanstalt" gelangen dürfe, da sie zum Zeitpunkt des Todes ihres Gatten einen aufrechten Unterhaltsanspruch gegen diesen haben müsse, weil sie sonst keine Pension erhalte, keinesfalls eine unzulängliche Rechtsbelehrung dar, die den Beklagten schadenersatzpflichtig gemacht hätte. Dem Beklagten kann kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß Christine V***, die zweite Ehegattin des Gustav V***, aus Sorge um ihre eigene Witwenpension die von ihr vorgefundene Verzichtserklärung der Pensionsversicherungsanstalt übermittelt hat.

Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

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