OGH 4Ob410/87

OGH4Ob410/8712.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*** Handelsgesellschaft mbH, Linz, Bäckermühlweg 61, vertreten durch Dr. Walter Haslinger, Dr. Norbert Nagele jun. und Dr. Klaus Haslinger, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei "F***" F.M. Z*** Gesellschaft mbH & Co., Dornbirn, Wallenmahd, vertreten durch Dr. Josef Riedmann, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 5. November 1987, GZ 4 R 279/87-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 27. August 1987, GZ 8 Cg 193/87-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hingegen endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Streitteile betreiben Verbrauchermärkte, in denen (u.a.) Lebensmittel und Haushaltswaren angeboten werden.

Die Beklagte kündigte in einer vierseitigen Postwurfsendung für ihre Verbrauchermärkte in Traun, Freistadt und Vöcklabruck die im Zeitraum vom 20. Juli bis 1. August 1987 gültigen Preise für insgesamt 136 Artikel an (Beilage C). Die Seite 1 dieser Postwurfsendung enthielt unter der Überschrift "familia discount" die Ankündigung "3000 Markenartikel zu Superpreisen"; dananch folgte die Ankündigung einiger Artikel. Am unteren Rand dieser Seite hieß es: "Wir sind immer billiger". Die Seiten 2 und 3 der Postwurfsendung waren mit den Worten "Warum woanders mehr bezahlen?" überschrieben; auf Seite 4 fand sich wieder die Ankündigung "Wir sind immer billiger".

Die Klägerin kündigte in zwei Postwurfsendungen (Beilagen D und E) für die Zeit vom 27. Juli bis 1. August 1987 die in ihren Verbrauchermärkten gültigen Preise an. Ein Vergleich dieser Preisankündigungen mit denen der Beklagten zeigt, daß die Klägerin für 10 Artikel - also rund 7 % der in der Postwurfsendung der Beklagten angeführten Artikel - gleichhohe Preise wie die Beklagte, für 14 Artikel - und 10 % - niedrigere, für 112 Artikel - rund 83 % - jedoch höhere Preise als die Beklagte verlangte. Die Postwurfsendungen der Klägerin waren zum Zeitpunkt der Verteilung der beanstandeten Werbung der Beklagten bereits gedruckt. Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsausspruches beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr die unwahren und zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeigneten Ankündigungen "Wir sind immer billiger" und "Warum woanders mehr bezahlen?" zu machen. Die Ankündigungen der Beklagten würden von einem maßgeblichen Teil der angesprochenen Vekehrskreise dahin verstanden, daß die Beklagte allgemein preisgünstiger als ihre Mitbewerber sei bzw. daß die Preise für die in der Postwurfsendung angeführten Markenwaren unter denen der Mitbewerber lägen; das sei jedoch unrichtig. Die Ankündigung der Beklagten verstoße daher gegen § 1 und § 2 UWG.

Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus. Die von ihr verwendeten Werbeslogans enthielten bloß eine marktschreierische Anpreisung, die vom Verkehr nicht wörtlich genommen, sondern als nicht ernst gemeinte Übertreibung aufgefaßt und auf ihren tatsächlichen Gehalt, nämlich das Angebot besonders günstiger Preise, zurückgeführt werde. Das Angebot der Klägerin sei erst nach der Verteilung der Postwurfsendung der Beklagten erstellt worden. Selbst wenn die Klägerin einzelne Markenartikel billiger oder zum gleichen Preis verkauft hätte, wären die Werbeankündigungen der Beklagten nicht irreführend.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Der Werbeslogan "Wir sind immer billiger" sei eine überprüfbare Tatsachenangabe und enthalte keine erkennbare Übertreibung; er sei aber unrichtig, weil die Beklagte nicht jederzeit und mit allen Artikeln billiger gewesen sei als Konkorrenzunternehmen. Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht unter Bezugnahme auf die in ÖBl 1984, 97 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes folgendes aus:

Die Werbung der Beklagten sei deutlich als marktschreierische Ankündigung zu erkennen, weil niemand annehmen werde, daß die Beklagte immer und jederzeit bei jedem einzelnen und zahlreichen angebotenen Artikeln des täglichen Bedarfs die niedrigsten Preise verlange. Dies schließe allerdings nicht aus, daß der in der Werbeangabe enthaltene Tatsachenkern - nämlich die Behauptung einer besonders preisgünstigen Einkaufsgelegenheit - unrichtig sein könnte. Die Klägerin sei aber der ihr obliegenden Beweis-(Bescheinigungs-)pflicht für eine solche Unrichtigkeit der Werbeankündigung der Beklagten nicht nachgekommen. Daß die Beklagte nur rund 10 % der von ihr angebotenen Artikel teurer und weitere 7 % zu gleichhohen Preisen wie die Klägerin anbiete, stehe im Hinblick auf das billigere Preisniveau der übrigen Waren mit der Anpreisung einer besonders preisgünstigen Einkaufsquelle nicht im Widerspruch. Die Werbeankündigung sei daher nicht unrichtig oder irreführend; sie verstoße mangels dautlicher Bezugnahme auf bestimmte Mitbewerber auch nicht gegen § 1 UWG.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der auf unrichtige rechtliche Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Die Klägerin verweist in diesem Rechtsmittel vor allem darauf, daß eine marktschreierische Anpreisung nach der Rechtsprechung nur dann angenommen werden dürfe, wenn eine Ankündigung von den angesprochenen Verkehrskreisen sofort als nicht ernst gemeinte reklamehafte Übertreibung aufgefaßt werde; die vergleichbare Ankündigung "absoluter Tiefstpreise" sei von der Rechtsprechung als objektiv überprüfbare Tatsachenbehauptung gewertet worden. Auch aus der Fülle der Preisangaben, welche die Werbeankündigung der Beklagten enthalte, gehe hervor, daß die Behauptung, in allen Fällen billiger als die Konkurrenten zu sein, ernst gemeint gewesen sei. Selbst wenn man aber eine reklamehafte Übertreibung annehmen wollte, wäre die Werbeankündigung dennoch irreführend, weil die Beklagte bei immerhin 24 Artikeln nicht Billigstbieterin gewesen sei. Im übrigen unterscheide sich der vorliegende Sachverhalt von jenem, der der Entscheidung ÖBl 1984, 97 zugrunde gelegen war, dadurch, daß die Werbeaussage "Wir sind immer billiger" diesmal nicht mit einer weiteren, eindeutig als Übertreibung erkennbaren Werbebehauptung ("Österreich kauft bei H.") verbunden worden sei. Diesen Ausführungen ist im Ergebnis zu folgen:

Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, ist eine Werbebehauptung, die den Eindruck einer Spitzenstellung des Werbenden, zumindest aber die Vorstellung überdurchschnittlicher Qualität seiner Waren und Leistungen, erwecken kann, dann als gegen § 2 UWG verstoßend zu beanstanden, wenn die ernstlich und objektiv nachprüfbar behauptete Spitzenstellung nicht den Tatsachen entspricht oder die Ankündigung sonst zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet ist (SZ 52/94 = ÖBl 1980, 7; ÖBl 1987, 47).

Wird eine Spitzenstellung im Rahmen einer marktschreierischen Ankündigung - die allerdings als solche für jedermann erkennbar sein muß, weil im Zweifel immer eine erstgemeinte Tatsachenbehauptung anzunehmen ist (ÖBl 1984, 73 uva) - in Anspruch genommen, dann kommt es auf den in ihr etwa enthaltenen, sachlich nachweisbaren Tatsachenkern an (ÖBl 1984, 97 uva). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß die Werbeaussage "Österreich kauft bei H. - Wir sind immer billiger" vom Verkehr als marktschreierisch aufgefaßt und im Kern auf die Behauptung einer im Vergleich zu den Mitbewerbern besonders preisgünstigen Einkaufsgelegenheit zurückgeführt wird (ÖBl 1984, 97); maßgeblich dafür war unter anderem auch gewesen, daß die - mit der vorliegenden Werbeaussage übereinstimmende - Angabe "Wir sind immer billiger" im Zusammenhang mit der eindeutig als Übertreibung erkennbaren Behauptung "Österreich kauft bei H." verbunden war. Ob auch die nur mit der Bekanntgabe einer Fülle von Einzelpreisen verbundene Werbebehauptung "Wir sind immer billiger" vom Verkehr als marktschreierisch qualifiziert wird (s. ÖBl 1980, 44), kann aber diesmal auf sich beruhen; selbst wenn man nämlich eine marktschreierische Reklame annehmen wollte, müßten die Beklagten für die Richtigkeit des in ihr enthaltenen Tatsachenkerns einstehen. Die Behauptung einer besonders preisgünstigen Einkaufsquelle wäre aber nur dann richtig, wenn die Preise des Werbenden nur bei einigen wenigen Produkten gleich hoch oder höher als bei Konkurrenzunternehmen sind. Verlangen Konkurrenzunternehmen - wie hier - bei 17 % der in der Ankündigung des Werbenden enthaltenen Artikel gleiche oder sogar niedrigere Preise, dann trifft dies nicht mehr zu, die Ankündigung "Wir sind immer billiger - Warum woanders mehr bezahlen?" ist vielmehr in diesem Fall zur Irreführung der angesprochenen Verbraucherkreise iS des § 2 UWG geeignet.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.

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