OGH 13Os9/88

OGH13Os9/8824.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.März 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Takacs als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann N*** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142, 143 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 22.September 1987, GZ. 20 n Vr 6557/87-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Jerabek, des Angeklagten Johann N*** und des Verteidigers Dr. Herzka zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Strafe auf 8 (acht) Jahre erhöht.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung hierauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 2.Jänner 1961 geborene Arbeiter Johann N*** ist auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143, zweiter Fall, StGB. schuldig erkannt worden. Die Geschwornen hatten die an sie ob der §§ 15, 142 Abs 1, 143, zweiter und dritter Fall, StGB. gestellte (einzige) Hauptfrage, ob Johann N*** schuldig sei, am 17.Juni 1987 in Wien getrachtet zu haben, der Andrea O*** mit Gewalt gegen ihre Person unter Verwendung einer Waffe Vermögenswerte mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er ihr mit einer Eisenstange einen Schlag auf den Kopf versetzte und sie zu würgen suchte, wobei durch die ausgeübte Gewalt Andrea O*** schwer verletzt wurde (eine Rißquetschwunde im Bereich des Hinterhaupts mit glattem Knochenbruch des darunter liegenden Schädeldachknochens, verbunden mit einer 24 Tage übersteigenden Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit), einstimmig mit der Einschränkung bejaht, daß die Erfolgsqualifikation der schweren Verletzung des Opfers (§ 143, dritter Fall, StGB) nicht gegeben sei.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 345 Abs 1 Z. 6 und 8 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Beschwerdeführer macht geltend (Z. 6), daß angesichts seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung vom 22.September 1987 eine Zusatzfrage nach dem Schuldausschließungsgrund (richtig: Strafaufhebungsgrund) des Rücktritts vom Versuch des schweren Raubes gemäß § 16 Abs 1 StGB. sowie - weil es sich nach Lage des Falls um einen sogenannten "qualifizierten Versuch" handelte - überdies auch eine Eventualfrage nach Körperverletzung im Sinn des § 84 Abs 1 und 2 Z. 1 StGB. zu stellen gewesen wäre.

Dem kommt keine Berechtigung zu.

Beim sogenannten unbeendeten Versuch, bei dem es (wie hier) zur Herbeiführung des Erfolgs noch weiterer Handlungen des Täters bedarf, wird letzterer gemäß § 16 Abs 1 StGB. (schon) straflos, wenn er die weitere Tatausführung freiwillig aufgibt (LSK. 1976/277). Freiwillig ist ein derartiger Rücktritt vom Versuch dann, wenn der Täter aus eigenem Antrieb von der Vollendung der Tat absteht, obgleich er deren tatplanentsprechende Ausführung noch für möglich erachtet (LSK. 1975/163).

Tatsachen, die (wären sie erwiesen) eine derartige Freiwilligkeit in den näheren Bereich der Möglichkeit rückten, sind, der Beschwerde zuwider, in der Hauptverhandlung nicht vorgebracht worden. Der Verantwortung des Angeklagten ist vielmehr zu entnehmen, daß er sich durch den (augenscheinlich für ihn überraschenden) Widerstand des Opfers, welches insbesondere die Angriffswaffe festgehalten und laut um Hilfe geschrieen hat, zur Erreichung seines räuberischen Ziels außerstande wähnte und deshalb von seinem deliktischen Vorhaben abließ. Seine Angaben, wonach er "einfach Angst hatte" und "nur noch weg wollte" (siehe S. 165, 166), zeigen unmißverständlich die empfundene Unvermögenheit zur Tatvollendung, die das für die Strafaufhebung essentielle Element der Freiwilligkeit ausschließt (siehe LSK. 1975/49, 1978/325). Daß es der Angeklagte "sehr wohl in der Hand gehabt hätte, entweder ein zweites Mal zuzuschlagen oder den geplanten Raub auf sonst eine Weise zu vollenden" (so die Beschwerde S. 217), findet in dessen Verantwortung (siehe vorher) keine Deckung. Für die vermißte Fragestellung bestand sohin mangels eines entsprechenden Tatsachenvorbringens in der Hauptverhandlung keine Veranlassung. Als nicht stichhältig erweist sich aber auch die weitere Rüge (Z. 8) wegen einer Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung, die sich nicht mit der Möglichkeit eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch des schweren Raubes und, daraus folgend, der bloßen Verwirklichung einer Tat nach § 84 Abs 1 und 2 Z. 1 StGB. befasse. Dieses Vorbringen beachtet indes nicht, daß die Rechtsbelehrung nach dem klaren Wortlaut des § 321 Abs 2 StPO. nur zu gestellten Fragen zu erteilen ist. Überdies finden sich dort ohnehin - nach dem Gesagten allerdings überflüssige - Ausführungen zu den Voraussetzungen des geltend gemachten Strafaufhebungsgrunds und einer allenfalls möglichen Ergänzung des Fragenschemas. Eine Beirrung der Geschwornen durch die Erteilung dieser (überflüssigen, aber inhaltlich richtigen) Rechtsbelehrung zu einem von der Fragestellung nicht erfaßten Rechtsbegriff kann indes hier ausgeschlossen werden (RZ. 1977/138 ua).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über Johann N*** nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Dabei waren erschwerend die Verletzung des Opfers, welche nahe an eine schwere Verletzung herankommt, und die fortbestehenden psychischen Folgen sowie die (eingestandene, dann aber zurückgenommene) Verleumdung von gleich zwei Polizeibeamten; mildernd waren hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten, dessen volles und reumütiges Geständnis und, daß es beim Versuch geblieben ist.

Gegen den Strafausspruch wenden sich die beiderseitigen Berufungen: die Staatsanwaltschaft begehrt eine Erhöhung, der Angeklagte unter Anwendung des § 41 StGB. eine Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe.

Vorweg sei festgehalten, daß es verfehlt war, die Verleumdung zweier Polizeibeamten, derentwegen der Angeklagte ja strafrechtlich nicht verfolgt wurde, als erschwerenden Umstand heranzuziehen, weil dies rechtsstaatlichen Grundsätzen zuwiderliefe. Insoweit wäre die Berufung des Angeklagten daher im Recht. Ein durchschlagender Erfolg kommt allerdings der Berufung der Staatsanwaltschaft zu. Zufolge der generellen Strafzumessungsregel des § 32 Abs 3 StGB. ist die Strafe, von einer hier unmaßgeblichen weiteren Voraussetzung abgesehen, umso strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die sich sein Verschulden erstreckt hat, je reiflicher er die Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat hat gebraucht werden können. Alle diese Kriterien treffen hier zu. Bedenkt man, daß der Angeklagte, der sich geraume Zeit vor dem Überfall mit der Eisenstange ausgerüstet hatte, um damit jemanden niederzuschlagen, nach einer ersten Begegnung mit dem ausersehenen Raubopfer, offenbar in der gewonnenen Gewißheit, daß die junge Frau allein und hilflos in der Wohnung war, diese beim zweiten Öffnen der Tür durch einen wohl gezielten Hieb mit diesem eisernen "Durchschlagl" (S. 77) gegen den Kopf, der unverzüglich jeden Widerstand brechen sollte, in äußerst gefährlicher Weise attackiert hat, so ist an der Hartnäckigkeit des Tatentschlusses eines überaus gewalttätigen Angreifers und an der Rücksichtslosigkeit der Tatausführung nicht zu zweifeln. Vor allem aber ist kaum eine Attacke vorstellbar, gegen die weniger Vorsicht gebraucht werden könnte. Der Überfall auf eine ahnungslose junge Frau in deren eigener Wohnung durch einen Täter, der zunächst unter einem harmlosen Vorwand Kontakt gesucht hatte, kann nur als heimtückisch bezeichnet werden (§ 33 Z. 6 StGB.): Kam der Schlag doch völlig überraschend von jemandem, der mit einem plausiblen Anliegen aufgetreten war, und dem zu mißtrauen kein Anlaß bestand.

Diese Überlegungen machen deutlich, daß trotz der Konkurrenz gewichtiger Milderungsgründe hier doch nicht mit der gesetzlichen Mindeststrafe das Auslangen gefunden werden kann. Eine immer noch im unteren Bereich des Strafrahmens geschöpfte Sanktion von acht Jahren wird dem weit überdurchschnittlichen Unechtsgehalt und dem, darauf bezogen, ungemein schweren Verschulden des Täters gerecht. Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf das erfolgreiche Rechtsmittel des Prozeßgegners zu verweisen.

Die Staatsanwaltschaft hat ihre Nichtigkeitsbeschwerde mit einem an die Generalprokuratur gerichteten und am 18.Februar 1988 beim Obersten Gerichtshof eingelangten Schreiben zurückgezogen.

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