OGH 6Ob581/87

OGH6Ob581/8724.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Anton H***, Rechtsanwalt in Judenburg, Burggasse 31 als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Bauunternehmung Brüder F*** Kommanditgesellschaft mit dem Sitz in Stainach, wider die beklagte Partei Elfriede F***, im Haushalt, Stainach 161, vertreten durch Dr. Alois Kitzmüller, Rechtsanwalt in Liezen, wegen Anfechtung einer Rechtshandlung und Zahlung von 358.657,56 S samt Nebenforderungen, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 26.Januar 1987, GZ 2 R 213/86-21 a, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 23.Oktober 1986, GZ 2 f Cg 10/86-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird stattgegeben.

Das angefochtene Urteil und das Urteil erster Instanz werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.

Text

Begründung

Der Kläger ist Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen einer Kommanditgesellschaft, die eine Bauunternehmung betrieb. Die vier Gesellschafter der in Konkurs verfallenen Kommanditgesellschaft sind Brüder, zwei von ihnen haften als Komplementäre unbeschränkt, zwei nur als Kommanditisten. Die Beklagte ist die Ehefrau eines der beiden persönlich haftenden Gesellschafter. Über dessen Vermögen wurde ebenfalls der Konkurs eröffnet. Auch in jenem Verfahren wurde der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Der Gesellschaftskonkurs wurde - ebenso wie der Gesellschafterkonkurs - am 29.Juni 1983 als Anschlußkonkurs eröffnet, nachdem jeweils ein Ausgleichsverfahren am 7.Juni 1982 eröffnet worden war.

Die zu Beginn der 70er-Jahre gegründete Kommanditgesellschaft hatte zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf einem seit 1970 oder 1971 im Eigentum der Beklagten stehenden Grund Leistungen an Materiallieferungen und Arbeiten erbracht. Die Aufträge hiezu hatte jeweils der Ehemann der Beklagten und Komplementär der Gesellschaft mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter erteilt.

Die vor Mitte August 1976 im Zuge der 1974 begonnenen Bauarbeiten erbrachten Leistungen der Gesellschaft hatte die Beklagte teils aus Eigenmitteln, teils aus der Valuta eines aufgenommenen Kredites bezahlt.

Für die zwischen dem 14.August 1976 und dem 15.November 1979 erbrachten Leistungen legte die Gesellschaft der Beklagten die mit 5. Dezember 1980 datierte Rechnung Nr.745/F/80 über einen Gesamtbetrag von 236.485,53 S und für die zwischen 20.März 1981 und 10. März 1982 erbrachten Leistungen die mit 31.März 1982 datierte Rechnung Nr.184/F/82 über einen Gesamtbetrag von 122.199,03 S. Die Beklagte beabsichtigte, alle Leistungen der Klägerin zu bezahlen, hatte darüber mit ihrem Ehemann vor den ersten Leistungen der Gesellschaft gesprochen und dieser erhielt seinerseits von seinen Mitgesellschaftern das Einverständnis dazu, daß es der Beklagten überlassen bliebe, den Zeitpunkt der Zahlungen nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit selbst zu bestimmen. Der Ehemann der Beklagten überreichte dieser die beiden oben erwähnten Rechnungen jeweils unmittelbar nach deren Ausstellung. Anläßlich dieser Rechnungsübergaben wurde über den Zeitpunkt und die Art der Begleichung nicht mehr gesprochen.

Die - 1944 geborene - Beklagte hatte im Jahre 1965 ihren - 1942 geborenen - Ehemann geheiratet. Seither lebt sie mit diesem in aufrechter Ehe- und Hausgemeinschaft. Der Ehe entsprossen vier Kinder. Seit der Eheschließung war die Beklagte nur kurzfristig berufstätig. Aus einer Vermietung erzielt sie ein geringfügiges eigenes Einkommen.

In der Erkenntnis, daß die Beklagte mangels Barmitteln und Bankkreditwürdigkeit in ihrer finanziellen Lage zur Begleichung der beiden oben erwähnten Rechnungsbeträge außerstande sei, entschloß sich der Ehemann der Beklagten auf Anraten seines und der Gesellschaft Steuerberater dazu, die Verbindlichkeiten der Beklagten gegenüber der Gesellschaft zu übernehmen. Seine Mitgesellschafter waren damit einverstanden.

Am 31.März 1982 faßten der Ehemann der Beklagten und dessen drei Brüder einen Gesellschafterbeschluß, der mit folgenden Worten schriftlich beurkundet wurde:

"Frau...schuldet der...KG aus erbrachter Bauleistung beim Wohnhaus... einen Betrag von S 401.033,01.

Die Gesellschafter der ...KG, die Herren...kommen überein, daß die Schuld der Frau..." (Beklagten) "...aus erbrachter Bauleistung in Höhe von S 401.033,01 von Herrn..." (Ehemann der Beklagten) "...übernommen wird, und mit dessen persönlichem Privatkonto bei der...KG, deren Gesellschafter er ist, verrechnet wird. Die Verbindlichkeit von Frau..." (Beklagter) "...ist somit durch die gegenständliche Vereinbarung getilgt.

Die Herren..." (drei Mitgesellschafter des Ehemannes der Beklagten) "...haben diesem Verrechnungsvorgang ihre ausdrückliche Zustimmung gegeben."

Der Ehemann der Beklagten hatte nie eine Barzahlung der von ihm übernommenen Schuld beabsichtigt. Er hatte vielmehr mit seinen Mitgesellschaftern eine weitere Belastung seines Privatkontos, das damals bereits einen Negativstand von rund 200.000 S auswies, vereinbart.

Die finanziellen Schwierigkeiten der Gesellschaft waren damals bereits derart, daß die Dienstnehmer im April 1982 nicht mehr entlohnt werden konnten.

Die Beklagte bezog neben ihrem bereits erwähnten geringen Einkommen aus Vermietung bis November 1985 als Angestellte einen monatlichen Nettolohn von rund 12.000 S. Ihr Ehemann schenkte ihr mit Notariatsakt vom 15.März 1982 seinen Geschäftsanteil an einer Gesellschaft m.b.H. und mit Notariatsakt vom 6.April 1982 die ideelle Hälfte an einer Liegenschaft mit Haus und Wirtschaftsgebäude. Überdies ist die Beklagte Eigentümerin des Grundstückes mit dem Einfamilienhaus. Im Jahre 1985 erwarb sie die als Ehewohnung gewidmete Althauswohnung im Wohnungseigentum. Im Gesellschaftskonkurs beträgt der Aktivstand der Masse rund 2,5 Mio S, der auf höchstens 5 Mio S erhöht werden kann; dem stehen unbestrittene Forderungen von rund 150 Mio S, darunter Masseforderungen in einer Höhe von 20 Mio S, gegenüber. Zu einer Befriedigung der Konkursgläubiger wird es im Zuge des Konkursverfahrens mit Sicherheit nicht kommen.

Das Erstgericht wies das Anfechtungsbegehren ab.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinne des Klagebegehrens ab.

Während das Erstgericht die Ansicht vertreten hatte, zur Befriedigungstauglichkeit einer Anfechtung im Konkurs sei es erforderlich, daß eine Verbesserung der Befriedigungsaussichten der Konkursgläubiger wenigstens wahrscheinlich sei, eine Verbesserung des zur Befriedigung reiner Masseforderungen zur Verfügung stehenden Fonds reiche nicht hin, folgerte das Berufungsgericht in rechtlicher Beurteilung:

Die allgemeine Anfechtungsvoraussetzung einer Befriedigungstauglichkeit sei schon dann gegeben, wenn im Falle relativer Unwirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlung die Befriedigungsaussichten der Massegläubiger mit Wahrscheinlichkeit verbessert würden. Dazu stützte sich das Berufungsgericht vor allem auf die Lehrmeinungen in Petschek-Reimer-Schiemer. Das österreichische Insolvenzrecht, 304, und König Die Anfechtung nach der Konkursordnung Rz 104, sowie auf die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 45/57, SZ 53/25, RdW 1986, 370). Der Einwand der Verjährung der mit der angefochtenen Rechtshandlung erlassenen Schuld sei nicht gerechtfertigt, weil in dem zwischen der Beklagten und ihrem Ehemann geschlossenen Notariatsakt vom 6.April 1982 eine Schuldanerkennung der Beklagten zu erblicken sei. Im übrigen sei es im Belieben der Beklagten gestanden, den Zeitpunkt der Berichtigung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft zu bestimmen und diese auf ihre Leistungsfähigkeit abzustimmen. Die nähere Bezeichnung und Aufgliederung der Forderung der Gesellschaft, auf deren Geltendmachung diese gegenüber der Beklagten mit der angefochtenen Rechtshandlung verzichtet habe und deren Leistung an die Konkursmasse bereits Gegenstand des ursprünglichen Klagebegehrens gewesen sei, stelle entgegen dem Standpunkt der Beklagten keine Klagsänderung nach Ablauf der Klagsfrist des § 43 Abs 2 KO dar, die durch die Klagseinbringung vom 7.Juni 1984 (bei Eröffnung des Anschlußkonkurses am 29.Juni 1983) gewahrt gewesen sei. Vor Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung seien die Forderungen aus den Bauleistungen für die Bauführung auf dem Grund der Beklagten der Gesellschaft zugestanden. An deren Aktivlegitimation sei nicht zu zweifeln. Der der Beklagten zugestandene unentgeltliche Schulderlaß sei im Sinne des § 29 Abs 1 KO anfechtbar.

Die Beklagte ficht das abändernde Berufungsurteil aus den Revisionsgründen nach § 503 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO mit einem auf Wiederherstellung des klagsabweisenden Urteiles erster Instanz zielenden Abänderungsantrag an.

Der Kläger strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis berechtigt.

Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, weil das Berufungsgericht nur den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt als Tatsachengrundlage herangezogen und die festgestellte Vereinbarung über den Zahlungstermin rechtlich mit der Begründung als Grund für die Unterbrechung der Verjährung gewertet hat, daß auch ein Ersuchen... die Verjährung unterbreche. Das Berufungsgericht hat entgegen den Revisionsausführungen damit nicht unterstellt, daß die Beklagte ein solches Ersuchen gestellt habe, sondern nur, daß sie die bereits vom Erstgericht festgestellte Fälligkeitsabrede getroffen hat.

Gerade daran knüpfen sich aber rechtliche Erwägungen, die Feststellungsmängel offenbaren:

Gegenstand der Anfechtung ist die im Sinne des Gesellschafterbeschlusses vom 31.März 1983 der Beklagten auf nicht festgestellte Weise zugegangene Erklärung der Gesellschaft, die Beklagte im Zusammenhang mit der Erklärung ihres Ehemannes über eine Verrechnung im Wege seines Privatkontos bei der Gesellschaft aus der Zahlungsverpflichtung zu entlassen, welche Erklärung die Beklagte im Zuge des mit ihrem Ehemann abgeschlossenen Notariatsaktes vom 6. April 1982 angenommen habe.

Die von Amts wegen zu beurteilende Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung setzt voraus, daß bei Unwirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlung das Massevermögen im Sinne einer besseren Befriedigung der aus ihr zu tilgenden Forderungen vermehrt werden könnte. Um das zu beurteilen, fehlt es nach den getroffenen Feststellungen derzeit an der Klärung folgender Umstände:

Nach der ausdrücklichen erstinstanzlichen Feststellung erklärte jeweils der Ehemann der Beklagten (nach objektivem Verständnis: im eigenen Namen) die Bestellungen und Aufträge zu den von der Gesellschaft zur Bauführung auf dem Grund der Beklagten erbrachten Leistungen, über welche die Gesellschaft in der Folge die beiden Rechnungen an die Beklagte erstellte. In der widerspruchslosen Hinnahme der Rechnungen allein könnte noch keinesfalls ein Schuldanerkenntnis gelegen sein. Der weiteren Feststellung, daß die Gesellschaft mit einer Berichtigung des Entgeltes für die auf dem Grund der Beklagten zu erbringenden Bauleistungen in der Weise einverstanden gewesen sei, daß die Beklagte entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit den Zeitpunkt der Begleichung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft nach eigenem Belieben bestimmen könne, kann in der vorliegenden Form auch noch nicht entnommen werden, auf welchem Rechtsgrund die eigene Zahlungsverpflichtung der Beklagten gegenüber der Gesellschaft für deren Bauleistungen auf ihrem Grund beruhen sollte. Es bedarf also der Erörterung und Klärung, ob der Ehemann der Beklagten die Aufträge an die Gesellschaft etwa im Namen der Beklagten erteilte oder die Beklagte in irgendeiner Form einer Verpflichtung ihres Mannes als Auftraggebers im eigenen Namen beigetreten war.

Vor allem aber ist nach den zugrundezulegenden Feststellungen bereits vor Beginn ihrer Leistungen eine Zusage der Gesellschaft an die Beklagte vorgelegen, daß die Beklagte in Ansehung der sie treffenden Verbindlichkeiten den Zahlungstermin nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit selbst bestimmen könne. Damit wurde vorweg eine Abrede der Fälligkeit nach Möglichkeit oder Tunlichkeit getroffen. Eine derartige Fälligkeitsabrede wäre auch durch eine Anerkennung der Schuld dem Grunde nach nicht berührt worden. Sie verhindert, solange die Fälligkeitsvoraussetzungen nicht eingetreten sind, den Beginn der Verjährungsfrist. Das ist zunächst allen Revisionsausführungen zur Verjährung entgegenzusetzen. Die erwähnte Fälligkeitsabrede könnte aber auch die Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung ausschließen, wenn nämlich mangels Eintrittes der Fälligkeitsvoraussetzungen bis zum voraussichtlichen Ende des Konkursverfahrens die Beklagte nach der ursprünglichen Vereinbarung nicht zu einer Zahlung gezwungen werden könnte.

Die Konkurseröffnung ändert an der Fälligkeit der dem Gemeinschuldner zustehenden Forderungen gegen seine Schuldner nichts. Bei der mit der Anfechtung angestrebten relativen Rechtsunwirksamkeit der Entlassung der Beklagten aus ihren Zahlungsverpflichtungen würden diese gegenüber der Masse in der Form wieder bestehen, in der sie ohne die angefochtene Rechtshandlung bestanden, unter Umständen also nur bedingt oder betagt. Bei einer nach Möglichkeit und Tunlichkeit fälligen Schuld, hat der Gläubiger die für den Eintritt dieser Fälligkeitsvoraussetzung bestimmenden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen. Davon hängt aber im vorliegenden Fall die Erfolgsaussicht der Anfechtung und damit die Voraussetzung der Befriedigungstauglichkeit ab.

Dieser Gesichtspunkt ist erst durch die im Zusammenhang mit der von der Beklagten eingewendeten Verjährung getroffenen erstinstanzlichen Feststellungen zutage getreten und mit den Parteien bisher nicht erörtert worden.

Da sich das Revisionsgericht nicht bestimmt sieht, von der seit der SZ 45/57 ständig vertretenen Rechtsansicht - die vom Erstgericht erwähnte SZ 46/57 erläuterte durch die im Klammerzitat an erster Stelle angeführte EvBl.1972/338, daß ein neuerliches Abweichen von der vom selben Senat ein Jahr zuvor dargelegten Ansicht keinesfalls beabsichtigt gewesen sei - es reiche zur Befriedigungstauglichkeit einer Anfechtung im Konkurs hin, daß auch nur die Befriedigungsaussichten der Massegläubiger erhöht würden, und daher die Anfechtung nicht schon im Sinne der vom Erstgericht dargelegten Ansicht erfolglos bleiben müsse, abzugehen, liegen Feststellungsmängel vor, die eine Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz erforderlich machen.

In Stattgebung der Revision waren daher die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache war zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf dem § 52 ZPO.

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