Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit 6.137,85 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 480 S Barauslagen und 514,35 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 17. Juli 1968 die Ehe geschlossen. Es war beiderseits die erste Ehe, der die beiden Kinder Karin, geboren am 1. Dezember 1968, und Evelyne, geboren am 21. Oktober 1970, entstammen. Beide Teile sind österreichische Staatsbürger, ihr letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt war Wien. Die Klägerin und Widerbeklagte (im folgenden nur Klägerin) begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten und Widerklägers (im folgenden nur Beklagter). Der Beklagte verhalte sich lieb- und interesselos. Er habe sie im Oktober 1980 und vom 2. Februar 1981 bis 1. Juni 1982 grundlos verlassen. Er habe sie wiederholt beschimpft und im Jänner 1983 mißhandelt. Er unterhalte ehewidrige Beziehungen zu Annemarie A***. Der Beklagte begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Klägerin. Er wirft ihr gleichfalls Lieb- und Interesselosigkeit vor. Die Klägerin habe ihm sein Sparbuch, seine Münzsammlung und eine goldene Uhr entwendet. Sie führe für ihn nicht mehr den Haushalt und unterhalte ehewidrige Beziehungen zu Josef M***. Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten. Nach seinen Feststellungen begann die Krise zwischen den Ehegatten im Jahre 1980. Der Beklagte zog deswegen im Oktober 1080 für 14 Tage zu seiner Mutter. Als er im Dezember 1980 nach einem dreiwöchigen beruflichen Adria-Katastroheneinsatz nach Hause kam, mußte er feststellen, daß ihm die Klägerin ein Sparbuch mit einer Einlage von 59.000 S weggenommen hatte. Über die Weihnachtsferien nahm die Klägerin auch die Münzsammlung des Beklagten im Werte von mindestens 10.000 S an sich. Außerdem nahm sie zu dieser Zeit dem Beklagten seine goldene Uhr weg. Die Uhr hatte der Beklagte im Jahre 1974 von seiner Schwägerin und seiner Schwiegermutter als Weihnachtsgeschenk erhalten. Am 2. Februar 1981 zog der Beklagte aus der ehelichen Wohnung aus und zu seiner Mutter. Am 7. April 1981 brachte er eine Ehescheidungsklage ein, die er damit begründete, daß die Streitteile unterschiedliche Interessen hätten und ihre eigenen Wege gingen. Mit einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 12. Mai 1981 wurde dem Beklagten ein einstweiliger monatlicher Unterhalt von 2.600 S für die Klägerin auferlegt. Bereits während der Energieferien, als der Beklagte schon aus der Ehewohnung ausgezogen war, begegnete er, wenn er die Kinder zum Spazierengehen abholte, morgens ab und zu Josef M***. Die Klägerin ist seit dem Jahre 1980 mit Hertha und Josef M*** befreundet und ging auch wiederholt in deren Wohnung. Die Anwesenheit Josef M*** in der Ehewohnung während der Energieferien begründete die Klägerin damit, daß Josef M*** keinen Fernsehapparat habe. Der Verdacht, daß die Klägerin Ehebruch begehe, erwachte im Beklagten, als er am 14. Juli 1981 gegen 14,45 Uhr in die Ehewohnung kam und Josef M*** antraf. Die Klägerin herrschte den Beklagten mit den Worten an: "Schleich dich und ruf vorher an, wenn du früher kommst". Am 15. September 1981 zog der Beklagte die Ehescheidungsklage zurück. Nach einem Treffen der Streitteile im Jänner 1982 beschloß der Beklagte, wieder in die Ehewohnung zurückzukehren. Er vollzog diesen Schritt jedoch erst am 31. Mai 1982. Es konnte nicht festgestellt werden, daß die Streitteile nach dem Auszug des Beklagten aus der Ehewohnung am 2. Februar 1981 noch Geschlechtsverkehr gehabt hätten. Die Klägerin reagierte auf die Rückkehr des Beklagten abweisend und zog 14 Tage später aus dem gemeinsamen Schlafzimmer aus. Auch nach diesem Zeitpunkt gab es keinen intimen Kontakt mehr zwischen den Streitteilen. Die Klägerin gab dem Beklagten einmal zu verstehen, er solle dafür den Bettspalt benützen. Die Klägerin weigerte sich, für den Beklagten zu kochen, zu waschen und das Schlafzimmer aufzuräumen. Sie begründete dies damit, daß ihr der Beklagte dafür kein Geld gebe. Der Beklagte kam aber zunächst für die Wohnungskosten in Höhe von ca. 5.000 S monatlich auf. Er nächtigte allerdings ein- bis zweimal in der Woche außer Haus. Kurz nach der Rückkehr des Beklagten in die Ehewohnung begannen die Ehegatten einander zu beschimpfen, wobei der Beklagte Ausdrücke wie "Schlampe, Trottel, Trampel" und auch das Götzzitat verwendete. Die Klägerin bezeichnete den Beklagten als teppert.
Im März 1982 tanzte die Klägerin eng umschlungen mit Josef M*** auf dem Maler- und Anstreicherball und am 8. Jänner 1983 auf dem Jungmalerball im Parkhotel Schönbrunn. Am 14. Juni 1982 gegen 21 Uhr traf der Beklagte neuerlich Josef M*** in der Ehewohnung mit der Klägerin beim Fernsehen an. Nach seinem Erscheinen breiteten die Klägerin und Josef M*** eine Decke über ihre Körper und streichelten sich. Im Dezember 1982 ging die Klägerin, bei Josef M*** eingehängt, in der Thaliastraße spazieren, im Jänner hatte sie ihn sehr innig auf der Straße geküßt. Im Jänner 1983 mißhandelte der Beklagte die Klägerin. Er versetzte ihr mit der Faust einen Schlag gegen den Kopf und fügte ihr blaue Flecken an den Armen zu. Die Klägerin hatte sich zuvor geweigert, den Beklagten telefonieren zu lassen, außer wenn er dafür bezahle.
In der Zeit zwischen Feber und November 1983 betrat die Klägerin ca. 10 bis 12mal die Wohnung des Josef M***, nachdem kurz vorher dessen Frau die Wohnung verlassen hatte oder zu einem Zeitpunkt, als Frau M*** auf Urlaub war.
Im Jahre 1984 verdächtigte die Klägerin den Beklagten, seit 1 1/2 Jahren ein ehebrecherisches Verhältnis zu Annemarie A***, einer Arbeitskollegin, zu unterhalten. Der Beklagte besuchte Annemarie A*** seit dem Jahre 1980 ca. 2mal wöchentlich in deren Wohnung, um verschiedene Probleme bei den gemeinsam im ÖAMTC durchgeführten Maßnahmen zu besprechen. Ab und zu holte der Beklagte Annemarie A*** auch in der Früh ab, um ihr beim Tragen von Unterlagen zu helfen. Beide tauschten gelegentlich auch freundschaftliche Küsse und gingen eingehängt spazieren. Der Beklagte ließ beim Baden das Wasser überlaufen, sodaß es die Klägerin aufwischen mußte. Er schüttete das Parfum der Klägerin in den Badezimmerausguß, ließ in der Wohnung das Licht brennen, wenn er die Wohnung verließ, drehte die Heizung ab und ließ die Fenster offen. Er ließ den Fernsehapparat übermäßig laut laufen, schraubte die Glühbirne aus dem Küchenluster, schüttete seine Barthaare in die Stiefel der Tochter der Streitteile, weil er die Stiefel für die seiner Ehefrau hielt. Im November 1983 schlug der Beklagte die Tür zum Kinderzimmer ein, die die Klägerin versperrt hatte. Er entfernte zahlreiche Gegenstände aus der Ehewohnung, unter anderem montierte er den Luster im Schlafzimmer ab, worauf die Klägerin die Nachttischlämpchen entfernte. Die Klägerin nahm dem Beklagten seine teure Brille weg, entfernte dessen Toiletteartikel aus dem Badezimmer, zog das Bettzeug ab, sodaß der Beklagte auf der Matratze schlafen mußte, ließ tagsüber während der kalten Jahreszeit das Fenster im Zimmer des Beklagten offen, drehte dem Beklagten beim Duschen das Wasser ab und verbrachte den Kopfteil des Bettes des Beklagten. Als die Schwester des Beklagten dessen Schlafzimmer in der Ehewohnung reinigen wollte, nahm ihr die Klägerin den Staubsack für den Staubsauger mit der Begründung weg, daß sie diesen gekauft habe. Seit dem Jahre 1986 hält sich der Beklagte nur mehr zwei- bis dreimal pro Woche in der Ehewohnung auf. Seit dem Jahre 1985 kommt er nicht mehr für die Wohnungskosten auf.
Nach der Auffassung des Erstgerichtes hätten beide Ehegatten schuldhaft schwere Eheverfehlungen gesetzt, durch die die Ehe unheilbar zerrüttet worden sei. Maßgeblichen Einfluß auf die Zerrüttung der Ehe habe jedoch das Verhalten des Beklagten gehabt, insbesondere sein Auszug aus der Ehewohnung. Ihn treffe daher das überwiegende Verschulden.
Das Berufungsgericht änderte das nur im Verschuldensausspruch angefochtene Ersturteil dahin ab, daß es das gleichteilige Verschulden beider Ehegatten aussprach.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes könne auf der Basis dieser Feststellungen dem Beklagten nicht einseitig angelastet werden, mit der Zerrüttung der Ehe begonnen zu haben. Insgesamt sei dann aber nach Art und Gewicht der beiderseitigen Eheverfehlungen der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens des Ehemannes nicht gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.
Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens nur dann gerechtfertigt ist, wenn die Schuld des einen Ehegatten erheblich schwerer ist als die des anderen Ehegatten und der Unterschied offenkundig hervortritt (EFSlg. 48.832 f mwN). Richtig ist zwar, daß maßgebende Bedeutung dem Umstand zukommt, wer den ersten Anstoß zur Zerrüttung der Ehe gegeben hat und mit der schuldhaften Zerrüttung der Ehe den Anfang machte (EFSlg. 48.818 f mwN). Im vorliegenden Fall steht lediglich fest, daß im Jahre 1980 die Krise der Ehe der Streitteile begann, worauf der Beklagte im Oktober 1980 vorübergehend aus der Ehewohnung auszog. Da die näheren Umstände der Krise und deren Ursache nicht aufgeklärt werden konnten, ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß die vorübergehende abgesonderte Wohnungsnahme dem Beklagten nicht in dem Sinne angelastet werden kann, daß er damit schuldhaft die Zerrüttung der Ehe einleitete. Bei der maßgeblichen Beurteilung des Gesamtverhaltens (EFSlg. 48.815) tritt dieser Vorfall daher in den Hintergrund. Nach dem dann anschließenden Gesamtverhalten der Ehegatten kann aber nicht gesagt werden, daß den Beklagten an der Zerrüttung der Ehe ein erheblich schwereres Verschulden treffe als die Klägerin. Die Revision greift nur einzelne Eheverfehlungen des Beklagten heraus, um daraus den überwiegenden Schuldvorwurf abzuleiten. Dies ist aber unzulässig, weil es bei der Lösung der Verschuldensfrage auf das Gesamtverhalten beider Ehegatten im Zusammenhang ankommt und nicht eine Gegenüberstellung einzelner Eheverfehlungen vorzunehmen ist (EFSlg. 48.816 mwN). Daß hiebei auch verfristete Eheverfehlungen berücksichtigt werden können, wird von der Revision selbst zugestanden.
Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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