OGH 1Ob530/88

OGH1Ob530/8816.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma S*** Starkstrom Energieanlagenbau Gesellschaft mbH, Marz, Industriestraße 8, vertreten durch Dr. Helmut Mühlgassner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei prot. Firma Helmut S***, Mauer-Öhling, Galtberg 20, vertreten durch Dr. Eduard Pranz und Dr. Oswin Lukesch, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen S 2,132.689,20 s.A. (Revisionsinteresse S 1,066.344,60), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19. November 1987, GZ 1 R 209/87-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 5. August 1987, GZ 6 Cg 204/85-26, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Zwischenurteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 63.661,45 bestimmten Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens (darin S 6.748,95 Umsatzsteuer und S 31.327,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei, der die N*** Niederösterreichische Elektrizitätswerke Aktiengesellschaft (im folgenden kurz: N***) den Auftrag zur Sanierung der 110 KV-Leitung Ernsthofen-Gresten unter Verwendung von Beton der Mindestfestigkeit B 160 erteilt hatte, bestellte am 25. Mai 1983 solches Betonmaterial beim Beklagten, der es ihr lieferte. In der Folge zeigten sich Risse und Sprünge in den von der klagenden Partei mit diesem Fertigbeton hergestellten Leitungsfundamenten.

Mit der Behauptung, diese Schäden seien auf die minderwertige Beschaffenheit der gelieferten Betonmischungen, für die nicht oder nur bedingt geeignete Zuschlagsstoffe verwendet worden seien, zurückzuführen, begehrt die klagende Partei vom Beklagten den Ersatz ihrer Aufwendungen zur Behebung der Schäden in der Höhe von S 2,132.689,20 samt Anhang. Die bestellte Betonmischung B 160 sei bei ordnungsgemäßer Zusammensetzung und überprüftem Herstellungsvorgang für Bauten, wie sie die klagende Partei ausgeführt habe, geeignet.

Der Beklagte beantragt Abweisung des Klagebegehrens. Die klagende Partei habe eine für ihre Zwecke offensichtlich ungeeignete Betongüte bestellt; der von ihm gelieferte Beton habe der Bestellung entsprochen und sei einwandfrei gewesen. Er habe dem Prokuristen der klagenden Partei mehrmals seine Bedenken gegen die Eignung des Betons mitgeteilt; dieser habe die Bedenken jedoch unter Hinweis auf die bisherigen Erfahrungen abgetan (ON 3). Die an den Leitungsfundamenten aufgetretenen Risse und Sprünge seien darauf zurückzuführen, daß die klagende Partei kurz nach dem Betonieren einen Inertol-Anstrich vorgenommen und dadurch das Entweichen der im Beton vorhandenen Feuchtigkeit verhindert habe (ON 6, S. 19). Die klagende Partei habe auf der Baustelle dem vom Beklagten gelieferten Beton Wasser zugesetzt (ON 15, S. 221).

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Er stellte fest:

Bei der Bestellung vom 25. Mai 1983 habe der Beklagte dem Prokuristen der klagenden Partei vorgehalten, daß seines Wissens von der N*** für aufgehende Fundamente ein Beton der Güte B 225 verlangt würde; darauf sei der Beklagte jedoch dahin belehrt worden, daß dies nur für die Verwendung von bewehrtem Beton zutreffe, der klagenden Partei aber für diese Baustelle von der N*** nur unbewehrter Beton vorgeschrieben worden sei, weshalb sie nur Beton der Güte B 160 benötige. Obwohl der klagenden Partei anläßlich ihrer Bestellung beim Beklagten bekannt gewesen sei, daß für frost- bzw. witterungsbeständigen Beton der höchstzulässige WZ-Faktor 0,55 betrage, so daß für einen frost- bzw. witterungsbeständigen Beton eine Güte von B 300 anstatt der von ihr bestellten Güte B 160 mit einem zulässigen WZ-Faktor von 0,80 notwendig gewesen wäre, habe die klagende Partei keine Bedenken gegen die von ihr bestellte Betongüte B 160 gehabt, weil ihr die N*** einen solchen Beton vorgeschrieben gehabt habe. Da dem der klagenden Partei in der Folge vom Beklagten bestellungsgemäß gelieferten Fertigbeton der Güte B 160 - der gemäß ÖNORM B 4200, 10. Teil, im Hinblick auf einen WZ-Faktor von 0,8 anstatt 0,55 als frostbeständiger Beton uneeeignet gewesen sei - anläßlich der Auslieferung auf den jeweiligen Baustellen der klagenden Partei über ausdrückliches Verlangen ihrer Arbeitnehmer zu wiederholten Malen Wassermengen zwischen 20 und 100 Liter auf sieben Kubikmeter Fertigbeton zugesetzt worden sei, habe sich der vom Beklagten mit einem Soll-WZ-Faktor von 0,77 - und damit der bestellten Güte von B 160 entsprechend - produzierte Fertigbeton auf einen WZ-Wert von 0,84 bis 0,89 verschlechtert. Dieser hohe WZ-Wert sei weder auf das beim Auswaschen der Mischtrommel dort verbliebene Wasser noch auf die Nichtbetätigung des Mischwerkes während der Anfahrt zu den jeweiligen Baustellen der klagenden Partei zurückzuführen gewesen. Zu den im Gutachten 1 Nc 6/84-10 des Bezirksgerichtes Scheibbs im einzelnen beschriebenen Sprüngen und Rissen an den Fundamenten sei es in der Folge durch widrige äußere Umstände - der junge Beton sei viel Wind, niedriger Luftfeuchte und tiefen Temperaturen ausgesetzt1sowie dadurch beeinträchtigt gewesen, daß die klagende Partei seine Austrocknung nicht verhindert habe -, hauptsächlich aber durch den hohen WZ-Faktor gekommen. Ein solcher bewirke, daß der Beton langsamer abbinde, viel langsamer seine Festigkeit erreiche und vor allem sehr frostgefährdet sei, weil das im Zementleim enthaltene Wasser bei der Verdunstung Kapillaren hinterlasse, in die wieder Wasser eindringen könne, welches dann den Beton durch Frost zerstöre; dieser Vorgang werde noch in besonderem Maße dadurch begünstigt, wenn ungewaschenes Zuschlagmaterial verwendet werde, weil damit der Zementleim am Korn nicht oder schlecht haften könne und eingedrungenes Wasser den Beton sprenge. Die Schäden seien nicht darauf zurückzuführen, daß der vom Beklagten gelieferte Beton keinen Zement als Bindemittel enthalten habe oder ungeeignete Zuschlagsstoffe beigegeben worden seien. Es habe zwar eine Anreicherung von Feinkornpartikeln an der Grenze von Zementstein und Grobkorn festgestellt werden können, der mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Verwendung von ungewaschenem Material durch den Beklagten zurückzuführen gewesen sei, die - außerdem erst für November 1984 festgestellte - Überschreitung der 5 %-Grenze für den Anteil Abschlämmbares sei jedoch im konkreten Fall mit 5,1 % derart gering gewesen, daß dadurch die Schäden an den von der klagenden Partei betonierten Leitungsfundamenten der N****nicht verursacht worden sein konnten. Der vom Beklagten gelieferte Fertigbeton habe auch der Festigkeitsklasse I entsprochen und den vorgeschriebenen Mürbkorngehalt aufgewiesen. Die klagende Partei habe die Schäden im Jahre 1984 über Auftrag der N*** behoben. Der ihr damit entstandene Schaden sei darauf zurückzuführen, daß sie für die ihr aufgetragenen Arbeiten anstatt des dafür geeigneten Betons der Güte B 160/FB/u/K3/0-32 den ungeeigneten Beton der Güte B 160/K3/0-32 bestellt habe. Bei Verwendung eines - von der N*** allerdings nicht für notwendig erachteten - frost- und witterungsbeständigen Betons mit einem WZ-Wert von höchstens 0,55 wäre es nach 28 Tagen zu einer vollständigen chemischen Bindung des im Beton enthaltenen Wassers gekommen, so daß dieser Beton nicht mehr frostanfällig gewesen wäre. Der im Sommer 1983 zeitgerecht angebrachte Inertolanstrich hätte lediglich eine Verbesserung des Abbindevorganges bewirken können, sei jedoch keineswegs dazu geeignet gewesen, eine Verdunstung des Kapillarwassers im Inneren des Betons zu verhindern; es habe sich nicht um eine Versiegelung, sondern um einen normalen diffusionsfähigen Anstrich gehandelt. Die Dienstnehmer der klagenden Partei hätten von verschiedenen Kraftfahrern des Beklagten Wasserzugaben bis zu 100 l pro Fuhre verlangt; diese Zugaben seien über die diesen Kraftfahrern vom Mischmeister des Beklagten erlaubten, weil bei seinem Mischrezept schon berücksichtigten Menge von 50 bis 70 l hinausgegangen. Rechtlich meinte der Erstrichter offenbar - ohne dies ausdrücklich in den Entscheidungsgründen darzulegen -, daß der Beklagte, der bestellungsgemäß geliefert habe, für den eingetretenen Schaden nicht hafte.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der klagenden Partei teilweise Folge und fällte das Zwischenurteil, daß der Anspruch der klagenden Partei gegen den Beklagten zur Hälfte zu Recht, "zur weiteren Hälfte hingegen nicht zu Recht" bestehe. Es übernahm die Feststellungen des Ersturteils als das Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Rechtlich meinte es, die Tatsache der Wasserzugaben wende sich zumindest ebenso gegen die klagende Partei, deren Leute sie nicht hätten verlangen dürfen. Das Erstgericht habe aber übersehen, daß die Verwendung unzulässiger Zuschlagsstoffe durch den Beklagten den Schaden mitverursacht habe. Nach den etwas kursorischen erstgerichtlichen Feststellungen und dem ihnen zugrundeliegenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Wolfgang J. O*** seien nebst widrigen äußeren Umständen sowohl eine mangelnde Eignung des Betons (Zuschlagsmaterial nicht oder nur schlecht gewaschen; zu hoher Wassergehalt) vorgelegen als auch Verarbeitungsfehler (Wasserzugabe; Austrocknung des jungen Betons) gegeben gewesen. Für den bestellten Beton B 160 wäre höchstens ein WZ-Faktor von 0,55 zulässig gewesen, der Beklagte habe jedoch den Beton bereits mit einem WZ-Faktor von 0,77 angeliefert; durch die Wasserzugaben sei der Faktor auf 0,84 bis 0,89 erhöht worden. Diese Wasserzugaben hätten die Leute der klagenden Partei unzulässigerweise verlangt und jene des Beklagten ebenso unzulässigerweise durchgeführt. Beton der Güteklasse B 160 sei an sich nur bedingt geeignet gewesen, bei einem WZ-Faktor von 0,80 hätte sich am Schadenseintritt kaum etwas geändert. Der Verlauf bei ordnungsmäßig gewaschenem Zuschlagmaterial könne nicht quantifiziert werden. Daraus ergebe sich, daß eine Reihe von Umständen den Schadenseintritt, die teils der klagenden Partei und teils dem Beklagten anzulasten seien, herbeigeführt habe. Da eine Quantifizierung nicht verläßlich möglich sei, habe eine Aufteilung im Verhältnis von 1 : 1 zwischen den Streitteilen einzutreten (§ 1304 ABGB). Da der Schaden der klagenden Partei mit zumindest einem Schilling bestehe, sei mit Zwischenurteil auszusprechen, daß der Anspruch der klagenden Partei dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht und demnach mit der weiteren Hälfte nicht zu Recht bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision ist berechtigt.

Der Erstrichter hat festgestellt, daß der von der klagenden Partei bestellte Beton B 160 einen zulässigen WZ-Faktor von 0,80 gehabt habe (AS 276), dieser Beton im Hinblick auf den WZ-Faktor nicht frostbeständig sei (AS 276/277) und der vom Beklagten mit dem Soll-WZ-Faktor von 0,77 gelieferte Beton der bestellten Güte von B 160 entsprochen habe (AS 277). Obwohl das Berufungsgericht nach seinen eigenen Ausführungen die erstgerichtlichen Feststellungen zur Gänze übernommen hat (AS 315), findet sich in der zusammenfassenden Wiedergabe die Feststellung, daß der vom Beklagten gelieferte Beton (B 160) anstatt des nach der ÖNORM B 4200, 10. Teil, zulässigen WZ-Faktors von 0,55 einen solchen von 0,8 enthalten habe (AS 313). Seinen Rechtsausführungen legte das Berufungsgericht sodann die Tatsachenannahme zugrunde, daß für den bestellten Beton B 160 höchstens ein WZ-Faktor von 0,55 zulässig gewesen wäre und dennoch der Beton bereits mit einem WZ-Faktor von 0,77 angeliefert worden sei (AS 316). Die vom Beklagten geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt demnach vor. Das Berufungsgericht hat nicht eigene Feststellungen treffen, sondern nur die erstrichterlichen Feststellungen wiedergeben wollen. Dabei ist ihm ein Übertragungsirrtum unterlaufen (vgl. Fasching IV 317 f). Seine Tatsachenannahme ist nicht auf eine Ergänzung oder Wiederholung des Beweisverfahrens zurückzuführen, sondern ausschließlich Ergebnis aktenwidriger Übertragung erstinstanzlicher Feststellungen. An die Stelle der aktenwidrigen (Wiedergabe der) Feststellung ist die durch den Akteninhalt gedeckte und vom Berufungsgericht nach seiner Absicht übernommene Feststellung des Erstgerichtes zu setzen (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1915).

Dem Berufungsgericht ist auch eine weitere - in der Rechtsrüge des Beklagten dem Sinne nach aufgezeigte - Aktenwidrigkeit insoweit unterlaufen, als es die Feststellungen des Erstrichters dahin zusammenfaßte, daß es hauptsächlich infolge des zu hohen WZ-Faktors zu Zerstörungen der Fundamente gekommen sei, "welcher Vorgang noch besonders dadurch begünstigt wurde, daß der Beklagte ungewaschenes Zuschlagmaterial verwendet hatte" (AS 313). Der Erstrichter hat jedoch festgestellt, daß die Zerstörung des Betons durch Frost "noch in besonderem Maße dadurch begünstigt wird, wenn ungewaschenes Zuschlagmaterial verwendet wird" (AS 278) und im Anschluß daran als erwiesen angenommen, daß zwar der Beklagte "mit hoher Wahrscheinlichkeit" ungewaschenes Material verwendet habe, die Überschreitung der 5 %-Grenze des Anteiles Abschlämmbares jedoch im konkreten Fall derart gering gewesen sei, daß dadurch die vorhandenen Schäden nicht verursacht worden sein konnten (AS 279). Auch in diesem Falle hat die erstrichterliche Feststellung und nicht die im Berufungsurteil enthaltene aktenwidrige (Wiedergabe der) Feststellung maßgebend zu sein.

Auf der Grundlage der erstrichterlichen Feststellungen muß der Rechtsrüge des Beklagten aber ein Erfolg beschieden sein. Die klagende Partei hat in erster Instanz behauptet, die von ihr bestellte Betonmischung B 160 sei für ihre Zwecke geeignet gewesen (AS 12 und 19), der Beklagte habe jedoch minderwertige und nicht kontrollierte Fertigbetonmischungen geliefert (AS 3, 13 und 19). Der Beweis hiefür ist ihr mißlungen. Nach den Feststellungen hat der vom Beklagten gelieferte Beton der bestellten Güte B 160/K3/0-32 entsprochen. Da der Beklagte vertragsgemäß geliefert hat, ist dem auf mangelhafte Erfüllung gegründeten Schadenersatzbegehren (§ 932 Abs 1 letzter Satz ABGB; vgl. Reischauer in Rummel ABGB Rz 20 zu § 932 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung) der Boden entzogen. Aus diesen Erwägungen ist der Revision Folge zu geben und das angefochtene Zwischenurteil dahin abzuändern, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wird.

Der Ausspruch über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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