OGH 9ObA194/87

OGH9ObA194/8716.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dkfm. Mag. Reinhard Keibl und Alfred Klair als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günter T***, Angestellter, Mödling, Hauptstraße 18, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B*** Gesellschaft m.b.H. Teppiche Stoff-Tapeten, Wien 23., Richard Strauss-Gasse 12 (auch Bregenz, Kornmarktstraße 7), vertreten durch Dr. Günther S***, Bevollmächtigter der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien, Wien 4., Schwarzenbergplatz 4, dieser vertreten durch Dr. Friedrich Wilhelm, Rechtsanwalt in Wien, wegen 24.014,29 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. September 1987, GZ. 34 Ra 47/87-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21. Jänner 1987, GZ. 6 Cga 51/86-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und der von der klagenden Partei gestellte Zwischenantrag auf Feststellung, daß für das Dienstverhältnis des Klägers zur beklagten Partei die Tafel "g" des Kollektivvertrages der Handelsangestellten Österreichs anzuwenden sei, zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt die Zahlung eines Betrages von 24.014,29,-- S brutto sA. Er sei vom 1.2.1983 bis 15.10.1985 bei der beklagten Partei als Angestellter beschäftigt gewesen. Sein zuletzt bezogenes Bruttomonatsentgelt habe 12.300,-- S betragen; daneben habe er eine Provision im Monatsdurchschnitt von 906,50 S bezogen. Nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten Österreichs wäre der Kläger in die Beschäftigungsgruppe 3/15 einzustufen gewesen. Sein ausgezahltes Gehalt sei aber unter den Ansätzen des Kollektivvertrages gelegen. Das Klagebegehren ergebe sich aus der Differenz zwischen dem tatsächlich bezogenen Einkommen und dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt sowie der Entlohnung für nicht gezahlte Überstunden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Die vom Kläger verrichtete Tätigkeit habe im wesentlichen im Zuschneiden von Teppichen bestanden und sei damit eine Arbeitertätigkeit gewesen. Nur über seinen ausdrücklichen Wunsch sei der Kläger ab Eintritt als Angestellter geführt worden. Die vorgenommene Einstufung in die Beschäftigungsgruppe 2 sei daher richtig gewesen; der Kläger sei auf Grund seiner Angaben in das 12. Berufsjahr eingereiht worden. Innerhalb des Kollektivvertrages unterliege die beklagte Partei sowohl hinsichtlich ihrer Zentrale wie auch hinsichtlich der für den Kläger maßgeblichen Wiener Filiale dem Gehaltsgebiet A und der Gehaltstafel "a" (allgemeiner Groß- und Kleinhandel) des Kollektivvertrages der Handelsangestellten. Die beklagte Partei sei zwar auch Mitglied des Landesgremiums für den Einzelhandel mit Bekleidung und Textilien, die dafür maßgeblichen Umsätze mit Möbel-, Dekor- und Vorhangstoffen seien jedoch weit geringer als die mit Teppichen und Tapeten; überdies sei der Kläger nur in der Teppichabteilung tätig gewesen. Nach den Kollisionsnormen des ArbVG komme die Gehaltstafel "g" (Textil-, Bekleidung- und Schuhhandel) nicht zur Anwendung. Der Kläger sei daher nicht unterkollektivvertraglich entlohnt worden. Auch seine übrigen Ansprüche bestünden nicht zu Recht.

In der mündlichen Streitverhandlung vom 21.1.1987 stellte der Kläger den Zwischenantrag auf Feststellung, daß für sein Dienstverhältnis zur klagenden Partei die Gehaltstafel "g" des Kollektivvertrags der Handelsangestellten anzuwenden sei. Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil im Sinn dieses Antrages.

Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei gegen dieses Zwischenurteil erhobenen Berufung nicht Folge. Eine Auslegung des Kollektivvertrages ergebe, daß die Gehaltstafel "a" des Kollektivvertrages der Handelsangestellten zu den anderen Gehaltstafeln dieses Kollektivvertrages im Verhältnis der Subsidiarität stehe. Gehöre ein Unternehmen, wie die beklagte Partei, neben dem Gremium 23 (allgemeiner Groß- und Kleinhandel) auch dem Gremium 8a (Textilhandel) an, so sei zufolge der Subsidiäritätsbestimmung des Kollektivvertrages ohne Rücksicht darauf, welchem Geschäftszweig innerhalb des Unternehmens die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung zukomme, die Gehaltstafel "g" des Kollektivvertrages der Handelsangestellten anzuwenden. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß festgestellt werde, daß für das Dienstverhältnis des Klägers zur beklagten Partei die Gehaltstafel "a" des Kollektivvertrages der Handelsangestellten Österreichs anzuwenden sei; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der primäre Revisionsantrag ist in der gestellen Form unzutreffend. Zur Entscheidung liegt lediglich ein Zwischenantrag auf Feststellung vor, daß die Voraussetzungen für die Anwendung der Gehaltstafel "g" gegeben sind. Bei Zulässigkeit dieses Antrages wäre eine Sachentscheidung über diesen Antrag nur in Form einer Feststellung mit dem vom Kläger begehrten Inhalt oder für den Fall, daß die Voraussetzungen hiefür nicht zutreffen, einer Abweisung des Antrages möglich. Für eine Feststellung des von der beklagten Partei im Revisionsantrag begehrten Inhaltes der Entscheidung fehlt ein entsprechender Sachantrag. Der Revisionsantrag ist jedoch im Hinblick auf den Inhalt der Rechtsmittelschrift dahin zu verstehen, daß die klagende Partei eine Abänderung im Sinn einer Abweisung des vom Kläger erhobenen Begehrens beantragt.

Dieses Begehren ist im Sinn einer Zurückweisung des Antrages berechtigt.

Die Vorinstanzen haben über die Frage der Zulässigkeit des Zwischenantrages auf Feststellung nicht ausdrücklich in Beschlußform entschieden; sie haben aber durch die Sachentscheidung doch zum Ausdruck gebracht, daß sie die gesetzlichen Voraussetzungen für gegeben erachteten und daher die prozessuale Zulässigkeit bejaht. Ob die Voraussetzungen für einen Zwischenfeststellungsantrag gegeben sind, ist eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung für die Rechtseinheit. Es handelt sich nicht um eine Frage des Einzelfalles, sondern um eine grundsätzliche Frage des Verfahrensrechtes. Die Bejahung der Zulässigkeit des Zwischenantrages auf Feststellung durch die Vorinstanzen weicht von den Grundsätzen der Lehre und der Judikatur des Obersten Gerichtshofes ab.

Der vom Kläger gestellte Zwischenantrag auf Feststellung ist, verfahrensrechtlich betrachtet, eine nachträgliche Klageerweiterung durch ein zusätzliches Feststellungsbegehren, die auch ohne Zustimmung des Beklagten zulässig und nicht an die Zulässigkeitsvoraussetzungen für Klageerweiterungen gemäß § 235 ZPO gebunden ist (Fasching ZPR Rz 1076). Voraussetzung für den Zwischenantrag auf Feststellung ist aber, daß im Laufe des Verfahrens ein Recht oder Rechtsverhältnis zwischen den Parteien streitig geworden ist, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über das Klagebegehren abhängt. Das festzustellende Recht muß präjudiziell sein, also eine Vorfrage für die Entscheidung über das Klagebegehren bilden. Die Bedeutung des Präjudizialrechtes muß über den konkreten Rechtsstreit hinausreichen. Ein besonderes Feststellungsinteresse wird für den Antrag nicht gefordert; da aber darzutun ist, daß die Wirkung der begehrten Feststellung über den konkreten Rechtsstreit hinausreicht, ist das für Feststellungsklagen geforderte rechtliche Interesse für einen Zwischenfeststellungsantrag gleichwohl, wenn auch in anderer Form, nachzuweisen. Die Stellung eines Zwischenantrages auf Feststellung nur zu dem Zweck, eine Rechtsfrage für sich allein herauszuheben und zum Gegenstand eines Urteils zu machen, ist unzulässig (SZ 51/96 mwH).

Im vorliegenden Fall ist die den Inhalt des Zwischenantrages auf Feststellung bildende Frage eine bloße Vorfrage der Entscheidung über das Leistungsbegehren. Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Kläger die Feststellung, daß für sein Dienstverhältnis die Gehaltstafel "g" des Kollektivvertrages Anwendung zu finden habe. Im Hinblick darauf, daß das Arbeitsverhältnis bereits vor Klageeinbringung beendet wurde und sämtliche Ansprüche auf das laufende, aus dem Kollektivvertrag abgeleitete Monatsentgelt mit der Klage abschließend geltend gemacht werden, reicht die Bedeutung des festzustellenden präjudiziellen Rechtes nicht über den Gegenstand des Rechtsstreites hinaus, sodaß eine Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt. Der Zwischenantrag auf Feststellung ist daher mit Beschluß zurückzuweisen (Fasching ZPR, 1083). Das Vorliegen der Präjudizialität sowie der Wirkung über den konkreten Rechtsstreit hinaus als Zulässigkeitsvoraussetzung für den Zwischenantrag auf Feststellung ist auch noch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu prüfen (Fasching III, 134; EvBl. 1974/223).

Der von der Rechtsprechung vertretene Grundsatz, daß dann, wenn die Vorinstanzen die Zulässigkeit des Zwischenantrages auf Feststellung - wenn auch nur durch Sachentscheidung über den Antrag - übereinstimmend bejahten, eine Überprüfung dieser Frage durch den Obersten Gerichtshof ausgeschlossen ist (JBl. 1981, 376; 1 Ob 581/79), wird aus der in § 528 ZPO normierten Unanfechtbarkeit von Konformatsbeschlüssen abgeleitet und ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Gemäß § 47 Abs. 1 ASGG gelten die Rekursbeschränkungen des § 528 Abs. 1 Z 1 ZPO in Arbeits- und Sozialrechtssachen nicht. Das Berufungsgericht hat die Revision für zulässig erklärt (§ 45 Abs. 1 Z 1 ASGG). Die Frage der Zulässigkeit des Zwischenantrages auf Feststellung ist, wie bereits ausgeführt, eine Rechtsfrage des Verfahrensrechtes von erheblicher Bedeutung für die Rechtseinheit. Die Frage der Zulässigkeit des Antrages war daher vom Revisionsgericht aufzugreifen. Da die prozessualen Voraussetzungen für diesen Antrag fehlen, waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und der Zwischenantrag auf Feststellung zurückzuweisen.

Das Erstgericht wird das Verfahren über das Leistungsbegehren durchzuführen haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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