OGH 9Os42/87

OGH9Os42/879.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.März 1988 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schumacher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hans Peter O*** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22.Jänner 1987, GZ 3 e Vr 6975/86-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Soyer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird, soweit sie auf die Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO gestützt ist, verworfen. Dem auf die Z 11 der zitierten Gesetzesstelle gestützten, nunmehr der Sache nach einen Berufungsgrund relevierenden Begehren wird hingegen Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin ergänzt, daß dem Angeklagten gemäß § 38 Abs 1 Z 2 StGB die im Verfahren AZ 6 b E Vr 9767/82 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien erlittene Vorhaft vom 28.September 1982, 10.30 Uhr, bis 6. Oktober 1982, 16.55 Uhr, auf die verhängte Strafe angerechnet wird. Der Berufung gegen den Strafausspruch wird teilweise Folge gegeben und die Freiheitsstrafe unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 7. Mai 1987, AZ 1 U 1179/87, und unter Anwendung des § 41 StGB auf 8 (acht) Monate und 10 (zehn) Tage als Zusatzstrafe herabgesetzt; im übrigen wird dieser Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hans Peter O*** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in der Zeit vom 22.April 1982 (richtig: Anfang April 1982) bis 25.Juni 1982 in Wien (zu ergänzen: und anderen Orten Österreichs und des europäischen Auslands) die ihm als Inhaber einer Diners Club-Karte durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der D*** C*** Austria GmbH zu verfügen und diese zu verpflichten, wissentlich mißbraucht und dadurch dieser Gesellschaft einen insgesamt 100.000 S übersteigenden, mindestens 100.472,43 S betragenden Vermögensnachteil zugefügt, indem er unter Verwendung der Diners Club-Karte Rechnungen in der Gesamthöhe von 125.033,95 S honorieren ließ, ohne für deren ordnungsgemäße Abdeckung zu sorgen.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 9 lit. a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie im Strafausspruch mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) haftet der Urteilsbegründung die behauptete Unvollständigkeit nicht an. Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung in Ansehung des Anklagevorwurfs (vorbehaltslos) schuldig bekannt (S 119). Aus diesem Geständnis, auf welches sich das Urteil stützt (S 131), konnte das Schöffengericht beweiswürdigend (insbesondere auch) darauf schließen, daß sich der Angeklagte über den wesentlichen Inhalt des mit dem D*** C*** abgeschlossenen Kreditkartenvertrages im klaren war, um die ihm darin im Innenverhältnis auferlegte Beschränkung der Inanspruchnahme des Clubs wußte und sich trotz dieses Wissens über diese Beschränkung hinwegsetzte, indem er ohne entsprechende Deckung auf seinem Konto Rechnungen durch den Club honorieren ließ und solcherart die ihm vertraglich eingeräumte Befugnis, den Club zu verpflichten, wissentlich mißbrauchte. Der von der Beschwerde vermißten gesonderten Erörterung der Behauptung des Angeklagten, "die Vertragsbedingungen wegen der Deckung" (gemeint: die betreffenden Geschäftsbedingungen des D*** C***) "nicht so genau durchgelesen" zu haben (S 120), bedurfte es im gegebenen Zusammenhang nicht; setzt doch das - auf Grund des für beweiskräftig erachteten Geständnisses als erwiesen angenommene - grundsätzliche Wissen des Angeklagten um den wesentlichen Vertragsinhalt, insbesondere die darnach übernommene Verpflichtung, Rechnungen nur nach Maßgabe der vorhandenen Deckung honorieren zu lassen, eine detaillierte Kenntnis der Geschäftsbedingungen keineswegs denknotwendig voraus. Die bezügliche Passage in der Verantwortung des Angeklagten kann daher auch nicht als etwaiger Widerruf des (unmittelbar zuvor) abgelegten Geständnisses gedeutet werden, wie dies nunmehr die Beschwerde darzutun versucht, sodaß auch unter diesem Aspekt darauf nicht eigens eingegangen zu werden brauchte. Ebensowenig bedurfte es einer Erörterung der Angaben des Angeklagten im Vorverfahren, hatte dieser doch vor der Polizei (S 45) über sein inneres Vorhaben beim Gebrauch der Kreditkarte nichts ausgesagt und vor dem Untersuchungsrichter (S 101 f) ein betrügerisches Vorgehen bei Abschluß des Kreditkartenvertrages in Abrede gestellt, das ihm schuldspruchmäßig aber gar nicht angelastet wird.

In Wahrheit unternimmt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen nur den Versuch, die Beweiskraft seines Geständnisses in Zweifel zu ziehen und seine Verantwortung dahin umzudeuten, daß er irrtümlich angenommen habe, mit der D*** C*** Austria GmbH einen Darlehensvertrag abgeschlossen zu haben, in bezug auf welchen er ohnedies "zahlungswillig" gewesen sei. Solcherart bekämpft er aber der Sache nach lediglich die Beweiswürdigung des Schöffengerichts, ohne einen formalen Begründungsmangel in Ansehung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite dartun zu können. Auf die Zahlungswilligkeit des Angeklagten kommt es im übrigen gar nicht an; entscheidend ist vielmehr, daß es im Zeitpunkt der Honorierung der Rechnungen über die vom Angeklagten unter Verwendung der Kreditkarte getätigten Geschäfte an einer vollständigen Deckung des jeweiligen Rechnungsbetrages mangelte, was der Beschwerdeführer selbst nicht in Abrede zu stellen vermochte. Daß er Forderungen des D*** C*** teilweise abdeckte, hat das Gericht bei der Ermittlung des dem Club effektiv zugefügten Vermögensnachteils ohnehin berücksichtigt.

Die Mängelrüge geht somit fehl.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit. a) hinwieder ist, soweit sie einen wissentlichen Befugnismißbrauch des Angeklagten bestreitet, nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil sie die Feststellung des Gerichts, wonach der Angeklagte die ihm durch den Kreditkartenvertrag eingeräumte Befugnis zur rechtsgeschäftlichen Verpflichtung des D*** C*** wissentlich mißbraucht hat (S 131), übergeht und solcherart nicht am (gesamten) Urteilssachverhalt festhält. Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann dem Urteil mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, worin die Wissentlichkeit des Befugnismißbrauchs gelegen ist, nämlich darin, daß er die ihm im Innenverhältnis gesetzten Grenzen in bezug auf den Gebrauch der Kreditkarte (wenigstens in den wesentlichen Grundzügen) kannte und sich in deren Kenntnis über diese Grenzen hinwegsetzte, indem er den Club trotz mangelnder Deckung zu Zahlungen verpflichtete. Dem Schöffengericht ist aber auch bei der rechtlichen Beurteilung des Kreditkartenvertrages kein Irrtum unterlaufen. Daß der vorläufigen Bezahlung der Rechnungsbeträge durch den D*** C*** die Wirkung einer (kurzfristigen) Kreditgewährung zugunsten des Kreditkarteninhabers zukommt, ändert - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nichts an der zum essentiellen Inhalt des Kreditkartenvertrages gehörenden Einräumung einer rechtlichen Verfügungsmacht über fremdes Vermögen und schließt demnach die Verwirklichung des Tatbestands der Untreue nicht aus (vgl. EvBl. 1978/73; Kienapfel BT II § 153 Rz. 30).

Begründet ist hingegen die (formell auf die Z 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte) Rüge wegen Nichtanrechnung der vom Angeklagten nach der gegenständlichen Tat in einem abgesondert geführten Strafverfahren erlittenen Haft. Der Angeklagte befand sich im Verfahren AZ 6 b E Vr 9767/82 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien in der Zeit vom 28.September 1982, 10.30 Uhr, bis 6. Oktober 1982, 16.55 Uhr, in polizeilicher und gerichtlicher Haft (S 219, 221, 261 des bezeichneten Aktes). Er wurde in der Folge mit dem Urteil vom 28.Jänner 1983 von der wider ihn erhobenen Anklage wegen § 14 Abs 1 SGG gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen (ON 24 im bezeichneten Akt). Aus den vom Obersten Gerichtshof beigeschafften und eingesehenen Akten AZ 3 e Vr 10289/77 und 6 b E Vr 9767/82 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ergibt sich, daß die angeführte Haft weder auf eine andere Strafe des Angeklagten angerechnet noch der Angeklagte dafür entschädigt worden ist; sie ist daher gemäß § 38 Abs 1 Z 2 StGB im gegenständlichen Verfahren auf die verhängte Strafe anzurechnen.

Der Angeklagte hat die unterbliebene

Vorhaftanrechnung - Rechtslage im Zeitpunkt der Ergreifung seiner Rechtsmittel entsprechend - aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO gerügt. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zieht jedoch eine zu Unrecht unterbliebene Anrechnung einer Vorhaft nicht mehr Nichtigkeit nach sich (vgl. die Neufassung der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO durch Art. II Z 36 lit. d StRÄG 1987); sie ist vielmehr im Rechtsmittelverfahren mit Berufung zu bekämpfen, sofern dieses Rechtsmittel zugleich aus anderen Gründen erhoben wird (§ 283 Abs 2 zweiter Satz StPO in der Fassung des Art. II Z 37 StRÄG 1987, in Kraft getreten am 1.März 1988). Da der Angeklagte ohnedies gegen den Strafausspruch berufen hat, ist seine Rüge der Sache nach nunmehr als Berufungsbegehren zu werten und als solches zu behandeln, wobei spruchgemäß zu erkennen war. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 (fünfzehn) Monaten. Dabei wertete es als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, als mildernd hingegen das reumütige Geständnis, den Umstand, daß die Wertgrenze von 100.000 S nur knapp überschritten wurde, und die weitgehende Schadensgutmachung. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe unter Anwendung des § 41 StGB sowie die Gewährung bedingter Strafnachsicht an.

Die Berufung ist, soweit sie gegen das Strafmaß gerichtet ist, berechtigt.

Der Berufungswerber hat im Gerichtstag glaubhaft dargetan, daß er inzwischen den ganzen Schaden gutgemacht hat. Wird weiters berücksichtigt, daß die inkriminierten Untreuehandlungen mehrere Jahre zurückliegen und die Milderungsgründe die erschwerenden Umstände sowohl der Zahl als auch ihrem Gewicht nach beträchtlich überwiegen, so rechtfertigt dies die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung, zumal die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen längere Zeit zurückliegen und daher nach Lage des Falles der Annahme, der Berufungswerber werde auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen, nicht entgegenstehen.

Davon ausgehend und unter Bedachtnahme auf die zwischenzeitig erfolgte Verurteilung des Angeklagten durch das Strafbezirksgericht Wien (§ 31 StGB) erachtete der Oberste Gerichtshof eine Zusatzstrafe (§ 40 StGB) in dem aus dem Spruch ersichtlichen Ausmaß als tatschuldangemessen, sodaß die Strafe auf dieses Ausmaß herabzusetzen war.

Nicht nähergetreten werden konnte jedoch dem Begehren auf Gewährung bedingter Strafnachsicht. Denn das einschlägig getrübte Vorleben des Angeklagten spricht gegen die Annahme, daß die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe genügen werde, um den Berufungswerber von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten; aus spezialpräventiven Gründen bedarf es vielmehr des Vollzuges der verhängten Strafe, weshalb insoweit der Berufung kein Erfolg beschieden sein konnte.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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