OGH 3Ob137/87

OGH3Ob137/872.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1) Oswald G***, Mühlenbauer, Dölsach, Iselsberg 55, und 2) Germana G***, Hausfrau, ebendort, beide vertreten durch Dr. Reinhold Unterweger, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Anton H***, Landwirt, Nikolsdorf, Damerberg 9, vertreten durch Dr. Josef Hippacher, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Einwendungen gemäß § 35 EO gegen einen Anspruch von 457.089,36 S s.A infolge Rekurses der klagenden Parteien und der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 14.April 1987, GZ 1 a R 1/87-15, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Lienz vom 30. Oktober 1986, GZ 2 a C 27/86 -8, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs der Kläger und des Beklagten wird dahin Folge gegeben, daß der Beschluß des Berufungsgerichtes aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt wird, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägern binnen 14 Tagen die mit 31.546,52 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 2.867,87 S Umsatzsteuer) und die mit 34.076,79 S bestimmten Kosten des Verfahrens dritter Instanz (darin 3.097,89 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Verfahren 5 Cg 412/79 des Landesgerichtes Innsbruck verpflichteten sich die beiden Kläger mit gerichtlichem Vergleich vom 22.1.1980, dem Beklagten in acht Halbjahresraten zu 30.000 S, beginnend mit 1.3.1980, den Betrag von 240.000 S zu zahlen. Für den Fall des Verzuges wurde außer dem Terminsverlust eine 10-%ige Verzinsung und die Zahlung eines zusätzlichen Betrages von 300.000 S samt 10 % Zinsen seit 1.1.1980 vereinbart.

Am 2.7.1980 schlossen die Streitteile ein Übereinkommen, wonach die Kläger dem Beklagten anstelle des im gerichtlichen Vergleich vereinbarten Betrages 400.000 S zu zahlen hätten, und zwar 46.850 S durch Abtretung einer Sicherheitsleistung und die restlichen 353.150 S in monatlichen Raten zu 5.000 S, beginnend mit 15.7.1980 und dann immer am 5. eines jeden Monates. Es wurde vereinbart, daß ohne weitere Verständigung Terminsverlust eintreten solle, wenn eine Rate nicht pünktlich bezahlt werde. Außerdem wurde für diesen Fall Wiederaufleben der Bedingungen des Vergleiches vom 23.1.1980 vereinbart. Eine Gesellschaft mbH trat dem Vergleich als Bürge und Zahler bei.

In Erfüllung dieses Übereinkommens bezahlten die Kläger oder die GesmbH an den Beklagten einschließlich der vorgesehenen Abtretung einen Betrag von 406.756 S. Strittig ist inwieweit es hiebei zu Verspätungen kam und der Beklagte daher mit Recht das Wiederaufleben der im Vergleich vereinbarten Forderung geltend machen kann. Im Exekutionsverfahren E 3425/86 des Bezirksgerichtes Lienz machte der Beklagte dieses Wiederaufleben geltend und behauptete, daß bei entsprechender Anrechnung der Zahlungen noch ein Betrag von 457.089,36 S s.A. geschuldet werde.

Gegen den mit dieser Exekution betriebenen Anspruch wenden sich die Einwendungen der Kläger. In ihrer Oppositionsklage brachten sie vor, sie hätten alle Raten laut Übereinkommen gemäß einem ihrer Bank erteilten Dauerauftrag pünktlich bezahlt, und begehrten, die anhängige Exekution für unzulässig zu erklären.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wies auf einzelne geringfügige Verspätungen in den Ratenzahlungen und die Geltendmachung des Wiederauflebens durch ein Schreiben vom 15.6.1982 hin. Ein von der beklagten Partei den Klägern in diesem Schreiben abgegebenes Anbot, gegen Zahlung von 20.000 S nicht auf dem Wiederaufleben zu bestehen, sei von den Klägern nicht angenommen worden. In den folgenden Jahren habe die beklagte Partei nur deshalb von gerichtlichen Schritten Abstand genommen, weil von den Klägern voraussichtlich nicht mehr als die einzelnen Raten hereingebracht hätte werden können. Die beklagte Partei habe schon mit dem Vergleich einen erheblichen Nachlaß gewährt und sich dann im Übereinkommen neuerlich zu einem Zugeständnis bereit gefunden, dabei aber darauf bestanden, daß die vereinbarten Raten pünktlich eingehen müßten und schon beim geringsten Zahlungsverzug die vereinbarten Folgen eintreten sollten. Die Kläger replizierten, daß die Geltendmachung eines Wiederauflebens wegen der geringen Verspätungen sittenwidrig sei. Wegen der mehrjährigen Annahme der weiteren Raten habe die beklagte Partei aber auch auf das Wiederaufleben schlüssig verzichtet. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es ging im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

In den ersten beiden Jahren wurden einige Raten laut Übereinkommen verspätet gezahlt. Mit Schreiben vom 15.6.1982 teilte der Rechtsfreund des Beklagten den Klägern mit, daß die Junirate (sie wurde tatsächlich am 7.6.1982 einbezahlt) noch nicht bei ihm eingelangt sei und wies darauf hin, daß es auch früher schon zu Verspätungen gekommen sei. Wenn die Kläger bis 23.6.1982 die Junirate und einen Betrag von 20.000 S einzahlten, würde von der Geltendmachung eines Wiederauflebens abgesehen, andernfalls habe er diese Rechte geltend zu machen.

Die Kläger leisteten den Betrag von 20.000 S nicht, wobei sie in einem Telefongespräch mit dem Rechtsfreund des Beklagten auf einen ihrer Bank erteilten Dauerauftrag hinwiesen, den sie schon seit Juli 1981 erteilt hätten. Der Rechtsfreund der beklagten Partei stellte bei der Bank fest, daß ein Dauerauftrag vorliege, verständigte mit Schreiben vom 17.6.1982 die beklagte Partei und überließ es ihr, den Auftrag zur Geltendmachung ihrer Rechte aus dem Übereinkommen vom 2.7.1980 zu erteilen.

Der Beklagte machte in den folgenden vier Jahren den Terminsverlust oder das Wiederaufleben nicht geltend. Die Kläger bzw die GesmbH leisteten jetzt immer pünktlich die vereinbarten Zahlungen von 5.000 S monatlich.

Das Erstgericht war der Auffassung, daß der Beklagte wegen dieser langen unbeanständeten Entgegennahme der weiteren Ratenzahlungen stillschweigend auf das Wiederaufleben verzichtet habe. Durch die Novation mit dem Übereinkommen um die Zahlung aller Raten sei der betriebene Anspruch erloschen.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf, weil vom Erstgericht nicht geprüft worden sei, ob der Beklagte mit dem Vergleich und dann mit dem Übereinkommen erhebliche Schuldnachlässe gewährt habe und wegen gegebener Zahlungsunfähigkeit der Kläger nicht mit Erfolg Exekution hätte führen können, in welchem Fall auch ein mehrjähriges Zuwarten mit gerichtlichen Schritten nicht als Verzicht auf die Geltendmachung des Wiederauflebens angesehen werden könnte. Für den Fall, daß in diesem Sinne die Geltendmachung des Wiederauflebens überhaupt noch möglich sei, müsse sich aber die beklagte Partei die eingelangten Zahlungen alle auf die Hauptsache anrechnen lassen, weil sie dieser Widmung durch die Kläger nicht widersprochen habe, sodaß nur mehr ein Differenzbetrag zuzüglich Zinsen offen sein könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Kläger ist berechtigt; dem Rekurs des Beklagten kommt nur insofern Berechtigung zu, als die Sache spruchreif ist, wenn auch nicht im Sinne des Rechtsmittelantrages des Beklagten. Auch wenn man davon ausgeht, daß die beklagte Partei den klagenden Parteien einen erheblichen Nachlaß gewährt hat und in den Jahren von 1982 bis 1986 nur deshalb untätig blieb, weil sie sich von der Einleitung einer Exekution keinen Erfolg versprach, ist die Oppositionsklage berechtigt.

Es trifft zwar zu, daß der Gläubiger grundsätzlich Anspruch auf exakte Erfüllung seiner Verbindlichkeit hat und auch relativ geringfügige Verzögerungen nicht hinnehmen muß, und daß dies ganz besonders für den Fall gilt, daß der Gläubiger seinem bereits säumigen Schuldner Stundung und Möglichkeit der Abzahlung in Teilbeträgen gewährt, hiebei aber mit dem Schuldner für den Fall eines neuerlichen Verzugs Terminsverlust oder Wiederaufleben der teilweise nachgelassenen Forderung festlegt (Mayerhofer-Ehrenzweig, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 376; HS 593/60). Die beklagte Partei wäre daher im Jahr 1982 ohne Zweifel berechtigt gewesen das vereinbarte Wiederaufleben geltend zu machen. Sie hat jedoch von diesem Recht nicht Gebrauch gemacht, sondern mit dem Schreiben ihres Rechtsfreundes vom 15.6.1982 lediglich das Anbot zur Zahlung einer Abstandssumme von 20.000 S gemacht und für den Fall der Nichtannahme desselben mitgeteilt, daß ihr Rechtsfreund alle Rechte aus dem Übereinkommen vom 2.7.1980 geltend zu machen habe. Dies konnte nur bedeuten, daß die Geltendmachung des Wiederauflebens in Zukunft vorbehalten wurde, nicht aber, daß das Wiederaufleben für den Fall der Nichtzahlung der 20.000 S schon jetzt geltend gemacht werde. Dazu kommt, daß die Kläger den Vertreter der beklagten Partei telefonisch noch auf einen von ihnen erteilten Dauerauftrag hinwiesen. Es steht zwar nicht fest, wann genau dieser Dauerauftrag erteilt wurde und ob die Kontodeckung zur Erfüllung des Dauerauftrages immer gegeben war, sicher ist aber, daß der Dauerauftrag erteilt war und daß die Zahlungen nachher immer pünktlich erfolgten. Alle diese Raten wurden von der beklagten Partei durch vier Jahre hindurch ohne jede weitere Reaktion entgegengenommen. Erst im Jahr 1986, nachdem die letzte Rate bezahlt war, machte die beklagte Partei plötzlich Wiederaufleben geltend und leitete ein Exekutionsverfahren ein, wobei nicht etwa ein Exekutionstitel für den wiederaufgelebten Teil benützt wurde, sondern auf Grund des alten Exekutionstitels führte die beklagte Partei mit der Behauptung Exekution, es seien bisher nur Teilzahlungen erfolgt.

Nach Ansicht des erkennenden Senats war das Verhalten der beklagten Partei (widerspruchslose Hinnahme der telefonischen Ankündigung, die 20.000 S würden nicht bezahlt, es bestehe aber ein Dauerauftrag und widerspruchslose Entgegennahme der Ratenzahlungen als Ratenzahlungen im Sinne des Übereinkommens durch viele Jahre) als schlüssiger Verzicht der Geltendmachung des Wiederauflebens aus den Versäumnissen der Kläger bis Juni 1982 anzusehen. Zwar würde die Annahme weiterer Raten nach sofortiger Geltendmachung des Terminsverlustes oder des Wiederauflebens und hierüber eingeleitetem Prozeß noch nicht diese Bedeutung haben (vgl HS 6.222/9). Ohne solche Geltendmachung mußten aber nach den Regeln des redlichen Verkehrs für die Kläger die vorbehaltlose Entgegennahme der weiteren Raten als Entgegennahme der ohne Wiederaufleben geschuldeten Beträge und als Verzicht auf die Geltendmachung des Wiederauflebens der Forderung gewertet werden (RZ 1973/149). In der Rechtsprechung wurde dies selbst für den Fall angenommen, daß ein Terminsverlust zunächst geltend gemacht wurde, dann aber daraus keine Konsequenzen gezogen wurden (MietSlg 33.248). Umsomehr muß dies für den vorliegenden Fall gelten, wo die Geltendmachung des Terminsverlustes nicht ausgesprochen sondern nur für die Zukunft vorbehalten wurde. Auch ohne Prüfung der vom Berufungsgericht für erheblich angesehenen Tatumstände ist daher die Sache spruchreif im Sinne einer Bestätigung des Ersturteils. Gemäß § 519 Abs 2 ZPO war daher über den Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 3 ZPO durch Urteil in der Sache selbst zu erkennen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte