Spruch:
Die Urteile des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 2.März 1987, GZ U 256/86-7, und des Landesgerichtes St. Pölten vom 4.Juni 1987, AZ 26 Bl 3/87, verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 198 Abs. 1 StGB.
Die bezeichneten Urteile sowie alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen, insbesondere der Beschluß des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 24.November 1987, GZ 1 U 18/83-15, mit welchem die bedingte Nachsicht der mit Urteil dieses Gerichtes vom 17. Oktober 1983, GZ 1 U 18/83-5, ausgesprochenen Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Wochen widerrufen wurde, werden aufgehoben, und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Neulengbach verwiesen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 2.März 1987, GZ U 256/86-7, wurde der am 27.Juni 1938 geborene Konrad B*** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu 10 Wochen Freiheitsstrafe verurteilt. Ihm lag nach dem in der Hauptverhandlung (S 29) implicit ausgedehnten (vgl Mayerhofer-Rieder, § 262 StPO, E 38 a) Strafantrag des Bezirksanwaltes zur Last, in der Zeit vom 22.Oktober 1985 bis 1. März 1987 seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt zu haben, daß der Unterhalt seiner unterhaltsberechtigten geschiedenen Gattin Maria B*** ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre. Nach den hiezu getroffenen Feststellungen ist Konrad B***, der als Hausarbeiter monatlich 6.343 S (14 x jährlich netto) verdient, aufgrund des Urteiles und der Einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 16.März 1982, GZ C 1125/81-7, zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 3.000 S an Maria B*** verpflichtet. Entgegen dieser Verpflichtung leistete er jedoch innerhalb des Deliktszeitraums an seine geschiedene Gattin keine Unterhaltsbeträge; Exekutionen zu deren Hereinbringung blieben erfolglos.
Mit Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 4.Juni 1987, AZ 26 Bl 3/87, wurde - nach Beweiswiederholung - die gegen dieses Urteil erhobene Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit zurückgewiesen und seiner Berufung wegen Schuld und Strafe nicht Folge gegeben. Hiebei gelangte das Berufungsgericht im wesentlichen zu denselben Feststellungen wie das Erstgericht. Dem Einwand in der Berufung wegen Nichtigkeit, es seien keine Feststellungen darüber getroffen worden, ob der Angeklagte überhaupt imstande gewesen sei, seiner Uhterhaltsverpflichtung gegenüber seiner geschiedenen Gattin nachzukommen, wurde entgegengehalten, daß Konrad B*** durch sein Verhalten seinen mangelnden Zahlungswillen unter Beweis gestellt habe, sodaß sich das Gericht mit seiner Zahlungsfähigkeit nicht auseinanderzusetzen brauchte.
Zuvor war der Angeklagte bereits zweimal wegen Vergehens nach dem § 198 Abs. 1 StGB verurteilt worden, und zwar mit Urteil des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 17.Oktober 1983, GZ 1 U 18/83-5 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht in der Zeit vom 9.Februar bis 17. Oktober 1983 gegenüber seinem außerehelichen Kind Markus E*** zu 3 Wochen Freiheitsstrafe und mit Urteil des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 21.Oktober 1985, GZ U 148/85-8, wegen Verletzung der Unterhaltspflicht "bis 21.Oktober 1985" gegenüber Markus E*** und "seiner Gattin Maria" (B***) zu 6 Wochen Freiheitsstrafe. Diese Strafen wurden jeweils unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Im ersten Fall fand eine Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre statt; inzwischen wurde jedoch mit Beschluß des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 24.November (oder 23., vgl S 33 und 34 in 1 U 18/83), 1987, GZ 1 U 18/83-15, die bedingte Nachsicht der mit Urteil dieses Gerichtes vom 17. Oktober 1983 ausgesprochenen Freiheitsstrafe widerrufen. Protokoll- und Urteilsausfertigung wurden jeweils durch einen Vermerk gemäß dem § 458 Abs. 2 StPO ersetzt.
Rechtliche Beurteilung
Die Urteile des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 2.März 1987 und des Landesgerichtes St.Pölten vom 4.Juni 1987 stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Für die Strafbarkeit einer gröblichen Unterhaltsverletzung ist erforderlich, daß der Unterhalt oder die Erziehung des Unterhaltsberechtigten gefährdet wird oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet wäre. Das Tatbild des § 198 Abs. 1 StGB wird demnach nur verwirklicht, wenn eine Gefährdung des Lebensbedarfes des Unterhaltsberechtigten eintritt oder eingetreten wäre, falls nicht Dritte - ein subsidiär Unterhaltspflichtiger oder die öffentliche Hand - die Gefährdung abgewendet hätten (vgl Pallin im WK, Rz 32 bis 34 zu § 198 StGB; Leukauf-Steininger, Komm z StGB2, RZ 31, 32 zu § 198 StGB). Feststellungen über eine wirkliche oder fiktive Gefährdung der Unterhaltsberechtigten haben jedoch weder das Erstgericht, noch das Berufungsgericht getroffen, obwohl Maria B*** nach der Aktenlage - neben einer Unterstützung des Sozialamtes der Stadtgemeinde St.Pölten von 600 S monatlich - als Hausbesorgerin über ein eigenes Einkommen verfügt, dessen Höhe bisher nicht ermittelt wurde (vgl S 7, 28 und 60 des Bezugsaktes, sowie S 7 in ON 7 des Aktes U 148/85 des Bezirksgerichtes Neulengbach). In dieser Richtung haften daher beiden Urteilen Feststellungsmängel im Sinn der Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO an. Rechtsirrig ist ferner die in der Begründung des Berufungsurteils zum Ausdruck kommende Ansicht, es komme bei Annahme mangelnden Zahlungswillens des Unterhaltspflichtigen auf dessen Zahlungsfähigkeit nicht an. Eine gröbliche Unterhaltspflichtverletzung liegt nämlich nur dann vor, wenn der Täter seine Verpflichtung (geraume Zeit) nicht oder nur unvollständig erfüllt, obwohl er dazu imstande wäre; ein Unterhaltspflichtiger, dem es am eigenen notwendigen Unterhalt gebricht, kann daher mangels Leistungsfähigkeit den Tatbestand nach dem § 198 Abs. 1 StGB nicht erfüllen (vgl SSt 55/66 = ÖJZ-LSK 1985/10; Pallin im WK, RN 24, 29 und 30 zu § 198 StGB). Im vorliegenden Fall enthielten aber zufolge eines verfehlten Rechtsstandpunktes der Gerichte weder das Ersturteil noch das Berufungsurteil ausreichende Feststellungen, aufgrund deren verläßlich beurteilt werden könnte, ob der Angeklagte nach seinen individuellen Verhältnissen ohne Gefährdung seines eigenen notwendigen Unterhaltes in der Lage gewesen wäre, an seine geschiedene Gattin Unterhalt zu leisten. Hiezu wären die Gerichte jedoch verpflichtet gewesen, weil sich der Angeklagte im Verfahren darauf berufen hat, für seinen außerehelichen Sohn Markus E*** an das Jugendamt monatlich 2.300 S (1.300 S Unterhalt zuzüglich 1.000 S Rückstandsabdeckung) und 600 S an die Bausparkasse W*** zur Abdeckung eines von seiner Gattin "kassierten" Betrages bezahlen zu müssen (vgl S 9, 18 und 60 des Bezugsaktes). Da sohin durch die Verfahrensergebnisse indiziert war, daß es im Hinblick auf die Einkommenshöhe und das Bestehen weiterer Zahlungsverpflichtungen für Dritte an der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (im dargelegten Sinn) gemangelt haben könnte, hätte diese Frage einer näheren Prüfung unterzogen und zum Gegenstand entsprechender Feststellungen gemacht werden müssen. Auch insoweit beruht daher der Schuldspruch des Angeklagten wegen Vergehens nach dem § 198 Abs. 1 StGB auf einer unrichtigen Gesetzesanwendung. Der von der Generalprokuratur gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher stattzugeben und nach dem § 292 StPO wie im Spruch zu erkennen.
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