OGH 11Os167/87

OGH11Os167/871.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.März 1988 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Horak, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Legradi als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Emmerich H*** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach dem § 206 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 14.Oktober 1987, GZ 7 Vr 657/86-54, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, und des Verteidigers Dr. Ernst Schilcher jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO im Einziehungsausspruch (§ 26 StGB) aufgehoben.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über Emmerich H*** verhängte Freiheitsstrafe auf 2 (zwei) Jahre herabgesetzt wird.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23.Dezember 1926 geborene Invalidenrentner Emmerich H*** zu Punkt A/ des Urteilssatzes des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs. 1 StGB und zu Punkt B/ des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach dem § 206 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Nur den Schuldspruch wegen Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die er ausdrücklich auf den § 281 Abs. 1 Z 10 (inhaltlich auch Z 5) StPO stützt. Überdies ficht er den Strafausspruch mit Berufung an. Nach den für den Schuldspruch zu B des Urteilssatzes maßgebenden (im folgenden sinngemäß wiedergegebenen) Urteilsannahmen versuchte der Angeklagte im Sommer 1984 mehrmals, seinen Geschlechtsteil in die Scheide der am 17.November 1973 geborenen Michaela S*** einzuführen, wobei es allerdings jedesmal nur zur Berührung der Geschlechtsteile kam, weil der Angeklagte den zum Teil unter Tränen vorgetragenen Bitten der Minderjährigen, sie nicht zu entjungfern, nachgab und von seinem Vorhaben, mit ihr den Beischlaf durchzuführen, abließ. Gleiches versuchte er im Sommer 1986 zweimal an der am 24.März 1974 geborenen Eva K***. Auch in diesen Fällen kam es zu einer Berührung der Geschlechtsteile, wobei der Angeklagte während der Tathandlungen erklärte, daß er die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs nur deshalb unterlasse, weil K*** im Genitalbereich noch nicht entsprechend entwickelt sei (Band II/S 254).

Rechtsrichtig beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt als vollendetes Verbrechen des Beischlafes mit Unmündigen nach dem § 206 Abs. 1 StGB. Denn dieses Verbrechen begeht, wer mit einer unmündigen Person den außerehelichen Beischlaf unternimmt. Anders als die Tatbilder der §§ 201, 202 StGB, die zur Deliktsvollendung das - wenn auch unvollständige - Eindringen des männlichen Gliedes in das weibliche Geschlechtsorgan erfordern (Leukauf-Steininger, StGB2, RN 10, 13 zu § 201), ist das Verbrechen nach dem § 206 Abs. 1 StGB ein "Versuchsdelikt", dessen äußere Tatseite im Unternehmen des außerehelichen Beischlafes besteht, sodaß zur Vollendung schon die Berührung der Geschlechtsteile genügt. Eine Vollziehung des außerehelichen Beischlafs ist diesfalls nicht erforderlich (Leukauf-Steininger, StGB2, RN 3, 7; Pallin im WK, Rz 3 je zu § 206 StGB).

Rechtliche Beurteilung

Wenn nun der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge - in gewisser Abkehr von seiner bisherigen Verantwortung (Band/II, AS 237, 242) - behauptet, er habe nicht die "Absicht" gehabt, mit den genannten Minderjährigen einen Geschlechtsverkehr auszuführen, sein Vorsatz sei vielmehr (von vornherein) darauf gerichtet gewesen, es nur zu einer Berührung der Geschlechtsteile kommen zu lassen, weshalb seine Tathandlungen bloß als Unzuchtshandlungen nach dem § 207 Abs. 1 StGB zu qualifizieren seien, stellt er nicht auf den Urteilssachverhalt ab. Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert aber das Festhalten an dem gesamten im Urteil konstatierten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz und den daraus abzuleitenden Nachweis unrichtiger Rechtsfindung.

Dem Beschwerdevorbringen kommt aber auch unter dem Gesichtspunkt einer Mängelrüge Berechtigung nicht zu. Denn die Feststellung, daß der Angeklagte mit Michaela S*** einige Male einen Geschlechtsverkehr ausüben wollte und versuchte, sein Glied in ihre Scheide einzuführen, jeweils aber auf ihre Bitten und "bedingt durch ihre Gegenwehr" (Band II/AS 113) von diesem Vorhaben Abstand nahm und es bei einer Berührung der Geschlechtsteile bewenden ließ (Band II/S 254, 260), gründet das Erstgericht mängelfrei auf die Angaben der Michaela S*** vor dem Landesgendarmeriekommando für das Burgenland vom 30.März 1987, die sie in der Hauptverhanldung vom 14. Oktober 1987 ausdrücklich als der Wahrheit entsprechend bezeichnete (Band II/S 240). Ihre Aussage, der Angeklagte habe gesagt, er "mache" mit ihr keinen Geschlechtsverkehr, weil sie noch so unterentwickelt sei (Bd II/S 241, Mitte), verwies der Angeklagte selbst ausdrücklich "in einen anderen Zusammenhang" (Bd II/S 241, letzter Satz), sodaß das Erstgericht nicht verhalten war, auf diese Äußerung der Zeugin im Urteil einzugehen.

Die weitere Feststellung, wonach der Beschwerdeführer auch mit der Minderjährigen Eva K*** einen Geschlechtsverkehr ausüben wollte, dies aber während der zu einer Berührung der Geschlechtsteile führenden Versuche, sein Glied in ihre Scheide einzuführen, mit der Begründung unterließ, daß sie im Genitalbereich noch nicht entsprechend entwickelt sei (Bd II/S 254, 260), steht mit den Angaben dieser Zeugin in der Hauptverhandlung (Band II/S 239 f) nicht im Widerspruch, sondern stellt nur aussagekonform klar, warum der Angeklagte (entgegen seinem ursprünglichen Vorhaben) von der Vollziehung des außerehelichen Beischlafes Abstand nahm. Dem Motiv des Beschwerdeführers für sein "konkretes Tatverhalten", nämlich der Abstandnahme von der Vollziehung des außerehelichen Beischlafes, kommt aber nach Lage des Falles keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Denn nach den Urteilsannahmen ließ sich der Angeklagte durch Michaela S***, die sich im übrigen Unzuchtshandlungen im Sinn des § 207 Abs. 1 StGB (vgl den Schuldspruch Punkt A/ I/ 6/ b/ bb/ des Urteilssatzes) nicht ernstlich widersetzte (siehe Band I/S 157 ff, 171) erst nachdem er versucht hatte, sein Glied in ihre Scheide einzuführen, sohin nach Berührung der Geschlechtsteile, durch ihre Bitten, sie nicht zu entjungfern, von der Vollziehung des außerehelichen Beischlafes abhalten. Und auch im Fall der Eva K*** erklärte er erst während der jeweils zu Berührungen der Geschlechtsteile führenden Versuche, sein Glied in die Scheide einzuführen, er werde mit Rücksicht auf die körperliche Entwicklung des Mädchens die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs unterlassen (Band II/S 254). Demzufolge gab er seinen auf die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs gerichteten Vorsatz nach den Urteilsfeststellungen jeweils erst zu einem Zeitpunkt auf, als das Verbrechen des Beischlafes mit Unmündigen bereits vollendet war. Ist aber ein Delikt formell vollendet, kommt strafaufhebender Rücktritt vom Versuch begrifflich nicht mehr in Frage.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Bei Prüfung des Urteiles zeigt sich jedoch, daß dieses in Ansehung des Ausspruches über die Einziehung der "bei den unter A/ angeführten Tathandlungen hervorgebrachten Fotos" gemäß dem § 26 Abs. 1 StGB zum Nachteil des Angeklagten mit - nicht geltend gemachter - Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 11 StPO (ÖJZ-LSK 1977/14) behaftet ist.

Nach dem § 26 Abs. 1 StGB sind Gegenstände, die der Täter zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet hat, die von ihm dazu bestimmt worden waren, bei Begehung dieser Handlung verwendet zu werden, oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind, einzuziehen, wenn dies nach der besonderen Beschaffenheit der Gegenstände geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken.

Abgesehen davon, daß im vorliegenden Erkenntnis jene Fotos, die aus der Vielzahl der der Anzeige als Beweismittel angeschlossenen Lichtbilder der Einziehung verfallen sein sollen, nicht mit hinreichender Deutlichkeit bezeichnet wurden, handelt es sich nach Lage des Falles bei den Fotografien weder um Gegenstände, die der Täter bei der Begehung der Straftat verwendet hat oder die dazu verwendet werden sollten, noch um solche, die durch die Straftat hervorgebracht wurden, demnach Produkte der Tat sind. Dazu kommt, daß den in Rede stehenden Fotografien jene spezifische kriminelle Gefährlichkeit mangelt, die Voraussetzung jeder Einziehung ist. Keines der der Anzeige als Beweismittel angeschlossenen Fotos unterliegt demnach der Einziehung (vgl auch Pallin im WK Rz 1, 3, 6 und 9 zu § 26 StGB und Rz 5 zu § 203 StGB).

Gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO war sohin in amtswegiger Wahrnehmung des unterlaufenen Nichtigkeitsgrundes der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO der Ausspruch nach dem § 26 Abs. 1 StGB aus dem Urteil auszuschalten. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 206 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB eine vierjährige Freiheitsstrafe. Überdies ordnete es gemäß dem § 21 Abs. 2 StGB die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe, den langen Tatzeitraum und die zahlreichen Angriffe, das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen und die Tatsache, daß hiedurch einem Teil der Opfer ein nicht unbeträchtlicher Schaden zugefügt wurde, als mildernd hingegen das teilweise Geständnis des Angeklagten und seine körperliche Behinderung, die zu einer Fehlentwicklung im Sexualbereich führte. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Strafermäßigung an.

Sein Begehren ist berechtigt.

Wie der Berufungswerber zutreffend geltend macht, ist ihm auch der Umstand als mildernd zugute zu halten, daß er die Taten unter dem Einfluß eines abnormen geistigen Zustandes verübte (§ 34 Z 1 StGB), zumal das Schöffengericht selbst das Vorliegen aller Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 StGB bejahte (vgl in diesem Zusammenhang Kunst im Wr Komm zum StGB, Rz 4 zu § 34). Der vom Obersten Gerichtshof neu eingeholten Strafregisterauskunft ist ferner zu entnehmen, daß eine Verurteilung des Emmerich H*** nicht (mehr) vorgemerkt ist. Emmerich H*** hat daher nunmehr als unbescholten zu gelten (§ 1 Abs. 4 TilgG), was als weiterer Milderungsgrund heranzuziehen ist. Damit hat überdies der in erster Instanz berücksichtigte Erschwerungsgrund einer einschlägigen Vorstrafe zu entfallen.

Schon diese bedeutsamen neuen Aspekte erfordern eine Reduzierung des Strafausmaßes.

Eine Freiheitsstrafe in der aus dem Spruch ersichtlichen Dauer wird dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schwere der Schuld des Täters gerecht.

Insoweit war daher der Berufung Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte