OGH 12Os5/88

OGH12Os5/8825.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Februar 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Hörburger, Dr. Lachner und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Legradi als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerald J*** und Thomas S*** wegen des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 und 2 1. Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Thomas S*** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Gerald J*** und Thomas S*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 3.November 1987, GZ 22 a Vr 415/87-59, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil im Schuldspruch der Angeklagten Gerald J*** und Thomas S*** wegen der Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB, A I und A II des Urteilssatzes, und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Thomas S*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Gerald J*** und Thomas S*** der Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (A I), des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB (A II), des Diebstahls nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB (B), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (C) und nach § 36 Abs 1 Z 3 (richtig Z 2) WaffG schuldig gesprochen und nach § 135 Abs 2 StGB bestraft, weil sie

A/ am 9. oder 10.März 1987 in Zürich

I. Gertrud L*** dadurch geschädigt haben, daß sie deren PKW der Marke VW Golf Cabriolet im Werte von ca 80.000 S samt Inhalt nicht näher bestimmten Wertes aus deren Gewahrsam dauernd entzogen, ohne die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen,

II. das zu I. genannte Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet war, ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch genommen haben;

B/ am 12.März 1987 in Gossau bei St. Gallen in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) aus verschiedenen unversperrten PKWs unbekannten Personen einige Messer, darunter auch zwei Springmesser, einen Schreckschußrevolver, diverse Musikkassetten und einen Werkzeugkoffer, mit dem Vorsatz weggenommen haben, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern; C/ am 10.März 1987 im gewollten Zusammenwirken in Würenlos (Schweiz) die Kennzeichentafel AG-253.038 der Rosemarie R*** und die Kennzeichentafel AG-186.360 des Christian W***, sohin Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, dadurch unterdrückt haben, daß sie diese an dem zu A I genannten Fahrzeug anbrachten, wobei sie mit dem Vorsatz handelten, zu verhindern, daß diese Kennzeichentafeln im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden; D/ die beiden zu B/ genannten Springmesser, mithin verbotene Waffen (§ 11 WaffG), wenn auch nur fahrlässig, unbefugt besessen zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft allein der Angeklagte Thomas S*** mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Strafausspruch wird von der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Gerald J*** und Thomas S*** mit Berufung angefochten. Die Verfahrensrüge richtet sich gegen die Abweisung des Antrages des Angeklagten S*** auf Einvernahme des Zeugen Siegbert F*** zum Beweis dafür, daß der Einbruch in den PKW vom Angeklagten J*** allein durchgeführt wurde, weil dieser gegenüber dem Zeugen F*** von einer Alleintäterschaft gesprochen habe (S 398). Dieser Antrag wurde vom Schöffengericht mit der Begründung abgewiesen, daß das Gericht genau von dem ausgehe, was der Verteidiger zu beweisen suche, und zwar, daß der Erstangeklagte dem Zeugen F*** gegenüber auch das gesagt hat, was der Zeuge F*** deponierte (S 398). Ferner - so fährt die Beschwerde fort - habe das Erstgericht gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit verstoßen, weil es sich mit der Verlesung der Aussage dieses Zeugen vor dem Untersuchungsrichter begnügt habe.

Die Aussage des genannten Zeugen vor dem Untersuchungsrichter wurde dem Angeklagten J*** in der Hauptverhandlung vorgehalten (S 372) und verlesen (S 398). J*** gab zu diesem Vorhalt zu, daß er gegenüber F*** angab, das Fahrzeug gestohlen und dabei verschwiegen zu haben, daß S*** dabei war, weil er keinen Grund hatte, diesen zu belasten (S 372), zumal er dem Zeugen F*** "schlecht" sagen konnte, daß Thomas S*** auch dabei gewesen sei (S 398). Die Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bzw ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 252 StPO ist an sich nicht mit Nichtigkeit bedroht. Doch kann die gegen den Widerspruch des Angeklagten und ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 252 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO erfolgte Verlesung von Protokollen über die Vernehmung von Zeugen mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO gerügt werden (Mayerhofer-Rieder2 § 281 Z 4 StPO ENr 92). Eine solche Rüge erfolgte nach Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles nicht.

Durch die Ablehnung des (gegenständlichen) Beweisantrages hinwieder werden Verteidigungsrechte dann nicht verletzt, wenn - wie vorliegend - der zu beweisende Umstand ohnedies schon durch andere aufgenommene Beweise (oder Urteilsannahmen) im Sinne des Antragstellers ausreichend klargestellt ist (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 77). Weil das Erstgericht den unter Beweis zu stellenden Sachverhalt ohnedies als erwiesen angenommen hat, der Zeuge F*** aber über die Motive des Angeklagten J***, ihm nicht die Wahrheit zu sagen, nichts aussagen konnte und zu diesem Umstand auch gar nicht beantragt wurde, betraf der Beweisantrag keinen für die Schuld des Angeklagten erheblichen Umstand, sodaß der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO nicht gesetzmäßig ausgeführt wurde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO sofort zurückzuweisen. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde war jedoch in Ansehung der Schuldsprüche des Angeklagten Gerald J*** und Thomas S*** wegen der Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 und Abs 2, erster Fall StGB (Punkt A/ I des Urteilssatzes) und des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB (Punkt A/ II/ des Urteilssatzes) eine Maßnahme nach §§ 290 Abs 1, 285 e StPO zu setzen, weil das angefochtene Urteil insoweit mit Feststellungsmängeln im Sinne der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO behaftet ist.

Das Schöffengericht ging davon aus, daß die beiden Angeklagten in der Nacht zum 10.März 1987 in Zürich den Personenkraftwagen VW-Golf Cabriolet der Getrud L*** ohne Einwilligung der Berechtigten in Betrieb genommen hatten, um ihn zu ausgedehnten Fahrten durch die Schweiz und hernach zur Heimfahrt nach Vorarlberg zu verwenden (S 417). Die Angeklagten fuhren nach Gebrauch des Fahrzeuges in der Schweiz tatsächlich am 12.März 1987 nach Vorarlberg, wo der Angeklagte J*** noch bis zur seiner Festnahme am 16.März 1987 den PKW benützte. Zur subjektiven Tatseite der Entfremdung des Kraftfahrzeuges traf das Schöffengericht über einen substanzlosen Gebrauch der verba legalia hinaus keine weiteren inhaltlichen Feststellungen, schloß aber dem Sinne nach einen Willen der Täter aus, sich durch Wegnahme des Personenkraftwagens zu bereichern (S 423).

In diesem Urteilssachverhalt findet die rechtliche Annahme, daß die Angeklagten hinsichtlich dieses Personenkraftwagens sowohl eine dauernde Sachentziehung nach § 135 StGB als auch einen unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen nach § 136 StGB verübt hätten, keine ausreichende Deckung. Der vom Erstgericht hiezu eingenommene Standpunkt, die Delikte seien in Idealkonkurrenz verwirklicht worden, geht ersichtlich auf die unzutreffende Rechtsauffassung zurück, daß die Benützung des Personenkraftwagens in objektiver und subjektiver Beziehung Ausführungshandlung beider Vergehen gewesen sei. In Wahrheit ist jedoch der jeweils erforderliche Vorsatzinhalt beim unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen einerseits und bei der dauernden Sachentziehung andererseits so differenziert, daß eine insoweit zusammentreffende und gleichzeitig wirksame Willensbildung nicht denkbar ist: Beim unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen nach § 136 StGB will der Täter ein Kraftfahrzeug bloß vorübergehend und unter Umständen benützen, die dem Berechtigten eine Rückerlangung des Deliktsobjektes ermöglichen, wogegen bei der dauernden Sachentziehung nach § 135 StGB der Tätervorsatz darauf gerichtet ist, die betroffene Sache auf Dauer dem Berechtigten zu entziehen (SSt 52/18).

Demgemäß kann der Gebrauch eines fremden Personenkraftwagens keineswegs gleichzeitig tätergewollte Ausführung der beiden in Rede stehenden Delikte sein. Allerdings ist in Einzelfällen denkbar, daß ein Täter schon bei unbefugter Inbetriebnahme eines fremden Kraftfahrzeuges mit dem Entschluß handelt, dieses Verkehrsmittel zwar zunächst kurzfristig unter Wahrung der Sachsubstanz und bei aufrecht bleibender Wiedererlangungsmöglichkeit des Berechtigten zu gebrauchen, im Anschluß daran jedoch den Betroffenen durch Herbeiführung eines auf Dauer wirksamen Verlustes des Fahrzeuges zu schädigen. Bei Verwirklichung dieses Tatplanes werden die Vergehen nach § 136 StGB und § 135 StGB in Konkurrenz verwirklicht, wobei zufolge der unterschiedlichen Willensinhalte wohl der unbefugte Gebrauch unter Umständen zugleich eine der dauernden Sachentziehung unmittelbar vorangehende Handlung (§ 15 Abs 2 StGB) darstellen und daher eintätiges Zusammentreffen (Idealkonkurrenz) des unbefugten Fahrzeuggebrauches mit dem Versuch dauernder Sachentziehung vorliegen kann, nicht aber mit Ausführungshandlungen einer dauernden Sachentziehung (siehe dazu Burgstaller in ÖJZ 1974, 541; Leukauf-Steininger, StGB2, RN 54 zu § 136; ZVR 1978/128; für bloße Scheinkonkurrenz: Kienapfel BT II RN 61 zu § 135). In gleicher Weise verantwortet jener Täter die beiden konkurrierenden Delikte, der erst während oder nach dem unbefugten Fahrzeuggebrauch den Entschluß gefaßt hat, das Deliktsobjekt dem Berechtigten auf Dauer zu entfremden (SSt 54/84). Diese rechtlichen Möglichkeiten des Zusammentreffens eines unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen mit einer dauernden Sachentziehung schließen jedoch keineswegs aus, daß die objektiven Tatumstände sowie der Täterwillen schon ab dem Beginn der Fahrzeugbenützung einer Wiederherstellung des rechtmäßigen Besitzes entgegenstehen und bereits in diesem Zeitpunkt die Rückerlangung des Fahrzeuges nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ernsthaft in Frage gestellt ist; unter diesen Voraussetzungen hat der Täter nur das Vergehen der dauernden Sachentziehung (bei rechtzeitiger Vereitelung des Vorhabens als Versuch) zu verantworten (ZVR 1978/94, ZVR 1979/48).

Im gegebenen Fall liegen keine ausreichenden Urteilsfeststellungen über die innere Tatseite der beiden Angeklagten bei ihrem den Personenkraftwagen der Gertrud L*** betreffenden Verhalten vor, um die Subsumtionsfrage abschließend entscheiden zu können, weshalb eine Teilaufhebung der Schuldsprüche und die Anordnung einer Verfahrenserneuerung erforderlich ist. Es war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung gemäß §§ 290 Abs 1, 285 e StPO spruchgemäß zu entscheiden.

Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390 a StPO.

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