OGH 12Os18/88

OGH12Os18/8811.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Februar 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger sowie Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Plachy als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef S*** wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB und der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 (1. Fall) StGB über die von der Generalprokuratur gegen den Inhalt der Rechtsmittelbelehrung im Zusammenhang mit der Zustellung des Abwesenheitsurteiles des Landesgerichtes Innsbruck vom 15.Oktober 1986, GZ 38 Vr 203/86-30, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch die dem Verurteilten im Zusammenhang mit der Zustellung des Abwesenheitsurteils des Landesgerichtes Innsbruck vom 15. Oktober 1986, GZ 38 Vr 203/86-30, erteilte Rechtsmittelbelehrung, welche keine Hinweise auf die im § 427 Abs. 3 StPO vorgesehene Einspruchsmöglichkeit sowie auf die dreitägige Präklusivfrist des § 466 Abs. 2 StPO enthält, ist das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 3, 427 Abs. 3 und 466 Abs. 2 (in Verbindung mit § 489 Abs. 1) StPO verletzt.

Alle dem ungesetzlichen Vorgang folgenden Beschlüsse, Anordnungen und Verfügungen, insbesonders der Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 14.Juli 1987, AZ 7 Bs 341/87, werden aufgehoben und dem Landesgericht Innsbruck aufgetragen, das Abwesenheitsurteil vom 15.Oktober 1986 unter Anschluß einer vollständigen Rechtsmittelbelehrung neuerlich zuzustellen.

Text

Gründe:

Josef S*** wurde mit dem - auch Teilfreisprüche

enthaltenden - Abwesenheitsurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 15. Oktober 1986, GZ 38 Vr 203/86-30, der Vergehen des Betruges nach § 146 StGB und der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 (1. Fall) StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 StGB zu einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei die Vorhaft vom 17.März 1986, 16.00 Uhr bis 24.April 1986, 17.45 Uhr auf die verhängte Strafe angerechnet wurde.

Auf Grund der Verfügung des Einzelrichters vom 14.Februar 1987 wurde dem Beschuldigten am 2.März 1987 eine Ausfertigung des Urteils samt Rechtsbelehrung zugestellt (Seite 133 dA).

Am 9.März 1987 gab Josef S*** die Anmeldung der (vollen) Berufung zur Post und bat gleichzeitig um Beistellung eines "Pflichtverteidigers" (Seite 141 dA). Der in der Folge bestellte Verfahrenshelfer führte die Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe aus (ON 38 dA), doch wurde dieses Rechtsmittel mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 14.Juli 1987, 7 Bs 341/87, wegen verspäteter Anmeldung als unzulässig zurückgewiesen (ON 41 dA). Am 20.Juli 1987 stellte der Einzelrichter die Rechtskraft des Abwesenheitsurteils fest und verfügte die Einhebung der mit 1.500 S bestimmten Pauschalkosten, sowie die Einleitung des Strafvollzuges (siehe Endverfügung, Seite 163 dA), die jedoch in der Folge gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 lit. a StVG bis zum 31.Jänner 1988 aufgeschoben wurde (Seite 179 dA).

In seiner mit 29.Dezember 1987 datierten Eingabe behauptet Josef S*** unter Vorlage der ihm seinerzeit (mit der Urteilsausfertigung) glaubhaft (vgl. S 189 dA) zugekommenen schriftlichen Rechtsbelehrung ("Haus-Form Nr 105 - Rechtsmittelbelehrung -") die Rechtzeitigkeit seiner oben erwähnten Berufungsanmeldung (Seite 187 dA). Dabei zeigt sich, daß diese Belehrung weder die in § 427 Abs. 3 StPO vorgesehenen - vom Beschuldigten offensichtlich nicht

beabsichtigte - Einspruchserhebung erwähnt, noch den Hinweis auf die dreitägige Präklusivfrist des § 466 Abs. 2 StPO zur Berufungsanmeldung enthält.

Rechtliche Beurteilung

Der Vorgang, demzufolge Josef S*** im Zusammenhang mit der Zustellung des Abwesenheitsurteils vom 15.Oktober 1986 eine wegen Unvollständigkeit unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt wurde, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Die Vorschrift des § 3 StPO verpflichtet das Gericht grundsätzlich den Beschuldigten auch dort, wo es nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist, über seine Rechte zu belehren (Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr. 171 zu § 3). Schon daraus ergibt sich, daß bei der Zustellung eines Abwesenheitsurteils gemäß § 427 Abs. 1 StPO eine erschöpfende Rechtsmittelbelehrung zu erteilen ist (aaO ENr. 172 zu § 3 StPO und die dort zitierte Judikatur, insbesondere SSt. 47/6; in diesem Sinne auch § 152 Abs. 3 Geo). Die gegenständliche, die Anfechtungsmöglichkeiten eines Abwesenheitsurteils nicht erwähnende Rechtsmittelbelehrung war wegen ihrer Unvollständigkeit, die einer Unrichtigkeit gleichkommt, ungeeignet, den rechtsunkundigen Beschuldigten über die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausreichend zu informieren. Die Verletzung der Vorschrift der §§ 3 und 466 Abs. 2 (in Verbindung mit § 489 Abs. 1) StPO gereichte dem Verurteilten Josef S*** zum Nachteil, zumal dieser, ohne über die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittelmöglichkeiten vollständig informiert zu sein, eine fristgerechte Berufungsanmeldung versäumte, was in der Folge zur Zurückweisung der von seinem Verfahrenshelfer ausgeführten (Straf-)Berufung durch das Oberlandesgericht Innsbruck führte. Demzufolge erweist sich die neuerliche Zustellung des gegenständlichen Abwesenheitsurteils mit richtiger Rechtsbelehrung, sowie die Aufhebung aller dem früheren Zustellvorgang nachfolgenden Beschlüsse und Verfügungen als notwendig (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr. 121 und 122 zu § 292).

Auf Grund der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher spruchgemäß zu erkennen.

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